Regisseur Steven Soderbergh ist nicht nur für seine Experimentierfreude bekannt (davon zeugten zuletzt etwa seine komplett auf dem iPhone gedrehten Filme „Unsane - Ausgeliefert“ und „High Flying Bird“ sowie die interaktive HBO-Serie „Mosaic“), sondern machte zudem auch nie einen Hehl daraus, dass er nicht sonderlich viel vom Hollywood-Studiosystem an sich hält. Diese persönliche Abneigung war 2013 dann auch ausschlaggebend für seine Bekanntgabe, zukünftig keine Kinofilme mehr drehen zu wollen.
Dass er schon vier Jahre später mit der Gauner-Komödie „Logan Lucky“ (läuft heute 20.15 Uhr bei ProSieben erstmals im Free-TV) aus dieser selbsterklärten Früh-Rente zurückkehrte, lag dabei nicht nur an dem Drehbuch zum Projekt (das seine eigene Ehefrau Jules Asner unter dem Pseudonym Rebecca Blunt geschrieben hat), sondern auch an der Gelegenheit, den Film außerhalb der gängigen US-Studiolandschaft zu realisieren...
Völlige Freiheit
Um einen mittelgroßen Film mit illustrem Star-Aufgebot (Channing Tatum, Adam Driver, Daniel Craig) wie „Logan Lucky“ breit in die US-Kinos zu bringen, ist es normalerweise unumgänglich, den Weg über eines der Hollywood-Studios zu gehen. Selbst Twist-Guru M. Night Shyamalan, der seine Filme seit einiger Zeit selbst finanziert, hat sich für deren Kino-Auswertung und -Vermarktung dann doch mit Universal zusammengetan. Doch sobald ein Studio finanziell irgendwie in einem Projekt mit drin hängt, nimmt es natürlich auch – mal mehr, mal weniger – Einfluss auf den Film. Darauf hatte Steven Soderbergh aber keine Lust mehr.
So gründete er mit Fingerprint Releasing seinen eigenen Verleih, über den er dank eines ebenso simplen wie effektiven Geschäftsmodells alteingesessene Studios komplett außen vor lassen konnte. Um das nötige Geld für den weiten Kino-Release in den USA und dessen Bewerbung zusammenzubekommen, verkaufte Soderbergh die internationalen Vermarktungsrechte sowie alle Rechte, die mit einer späteren Veröffentlichung außerhalb des Kinos (sprich: auf DVD, Blu-ray oder über Streamingdienste) zu tun hatten.
Das garantierte ihm bei der Umsetzung von „Logan Lucky“ absolute kreative Freiheit – und das eben nicht nur im Hinblick auf den Film selbst, sondern auch auf dessen gesamtes Marketing. So entstanden etwa auch die Poster und Trailer dazu komplett unter Soderberghs Oberaufsicht. Das ganze Vorgehen hatte zudem den positiven Nebeneffekt, dass vom US-Einspielergebnis keine teuren Abgaben an ein Studio flossen, sondern direkt den Kreativen, die den Film auch tatsächlich gemacht haben, zu Gute kamen, was den Box-Office-Druck minimierte.
Vorhaben aufgegeben?
Obwohl Soderberghs Modell damit verlockend erscheint und er es daher auch für andere Filmemacher in Stellung bringen wollte, war es am Ende offenbar trotzdem nicht von genügend Erfolg gekrönt (US-Einspiel: 27 Millionen Dollar bei einem Budget von 29 Millionen). Die von Soderbergh auf diese Weise veröffentlichten Filme „Logan Lucky“ und „Unsane“ konnten sich zwar refinanzieren, lockten insgesamt jedoch weit weniger Menschen in die Kinos, als es sich der oscarprämierte Filmemacher wohl erhofft hatte. So hat er von dem Ansatz inzwischen auch selbst wieder Abstand genommen und einen für ihn anscheinend optimalen Kompromiss gefunden, um noch genügend Freiheit bei seiner Arbeit zu genießen, gleichzeitig aber ein viel größeres Publikum ansteuern zu können: Netflix.
Für den Streamingdienst, der seine neuen Inhalte meist parallel auf der ganzen Welt veröffentlicht und dem der Ruf vorauseilt, den Kreativen nicht so sehr in ihre Arbeit reinzureden, hat Soderbergh Anfang 2019 bereits sein Sportdrama „High Flying Bird“ gedreht. Und demnächst schießt er dort direkt sein neuestes starbesetztes Werk „The Laundromat“ nach:
Mit Meryl Streep und Gary Oldman: Netflix sichert sich das nächste Prestigeprojekt