Die Pausen zwischen den „Lucifer“-Staffeln betrugen bislang nicht mal fünf Monate. Auf die vierte Season mussten Fans des nicht ganz so diabolischen Teufels (Tom Ellis), der gemeinsam mit der Polizistin Chloe (Lauren German) Verbrechen löst, nun fast ein geschlagenes Jahr warten. Das hat natürlich einen Grund: Der ursprüngliche „Lucifer“-Sender Fox setzte die Serie überraschend nach der dritten Staffel (und einem heftigen Cliffhanger) ab, so dass man sich nicht nahtlos in die Arbeit an der geplanten vierten Season stürzen konnte.
Der darauffolgende Fan-Aufschrei brachte schließlich aber den Streamingdienst Netflix dazu, für das Krimi-Format mit dem übernatürlichen Touch in die Bresche zu springen und doch noch eine vierte Staffel zu produzieren. Und wohl auch als Dankeschön an diejenigen, die diese Rettung überhaupt ermöglicht haben, ist man trotz neuer Heimat keine großen Wagnisse eingegangen, sondern liefert nun genau das ab, was Fans sich erhofft haben dürften.
Endlich Auflösung des Season-3-Cliffhangers
Inhaltlich waren die Weichen für eine vierte Staffel ja ohnehin schon im eigentlichen Finale der dritten Season gestellt (die beiden nachträglich veröffentlichten Bonusfolgen spielen für die Gesamthandlung keine Rolle): Nachdem Lucifer Kain (Tom Welling) – und damit seinen ersten Menschen – getötet hat, hat Chloe sein wahres Teufelsgesicht erblickt und somit herausgefunden, dass das Gerede über seine Herkunft alles andere als verrückte Metaphern waren, sondern tatsächlich die ganze Zeit der Wahrheit entsprochen haben.
Einer direkten Konfrontation geht Chloe nun aber aus dem Weg, indem sie erst einmal einen Monat lang nach Europa flüchtet. Bei ihrer Rückkehr hat es dann allerdings zunächst den Anschein, als hätte sie den Schock verarbeitet. Doch das ist natürlich nicht der Fall. Jedoch ist sie nicht die Einzige, die über Lucifers wahre Natur Bescheid weiß. Auch der zwielichtige Pater Kinley (Graham McTavish) hat Wind davon bekommen, dass der Höllenfürst auf Erden wandelt – und will dem schnellstmöglich ein Ende bereiten.
Keine Experimente
Im Vergleich zu einem klassischen TV-Sender wie Fox genießen Serienmacher bei Streaminganbietern wie Netflix bekanntlich mehr Freiheiten, wenn es etwa um bestimmte Themen, die Ausdrucksweise oder die Darstellung von Nacktheit und Gewalt geht. Dass die „Lucifer“-Macher diesen Umstand mit der vierten Staffel allerdings nicht allzu sehr zelebrieren, sondern vielmehr der bisherigen Linie treu bleiben wollen, haben sie im Vorfeld bereits in Aussicht gestellt (so hieß es, dass die Serie lediglich etwas düsterer und etwas sexyer werde sollte).
Trotzdem hat es uns nun etwas überrascht (und zugegeben auch ein bisschen enttäuscht), wie wenig wirklich aus dem Wegfall der bisherigen Restriktionen gemacht wird. Da sieht man zwar direkt am Anfang Tom Ellis’ blanken Hintern, aber ein „Fuck“ schneidet man ihm in der ersten Folge mit dem Vorspann ab. Trotz kleinerer Gewaltspitzen (ein recht explizit auf einem Stuhlbein aufgespießter Kopf ist schon nicht ohne) bleibt „Lucifer“ größtenteils so zahm wie bisher.
"Lucifer", wie Fans ihn kennen und lieben
Doch auch wenn größere Innovationen somit ausbleiben, ist das wahrscheinlich genau die richtige Entscheidung, um die eingefleischten Fans nicht vor den Kopf zu stoßen, schließlich wäre es doch etwas befremdlich, wenn Lucifer und Co. plötzlich wild fluchend und inmitten von Splattereinlagen durch die Gegend spazieren würden. Die „Lucifer“-Zuschauer haben sich lautstark für eine Rettung der Serie eingesetzt, weil ihnen die ersten drei Staffeln, so wie sie sind, gefallen haben, und bekommen folgerichtig nun eine konsequente Fortführung dessen und somit eine Erzählung, die sich ungeachtet der neuen Heimat sehr nahtlos an die bisherigen Folgen anfügt.
Das liegt zu großen Teilen natürlich auch an der inhaltlichen Ausrichtung. Zwar hat man mit Chloes Wissen um Lucifers wahres Ich nun einen spannenden neuen Konflikt etabliert, der alles überschattet, am grundlegenden Konzept ändert sich damit trotz leichter Variationen aber nichts: Noch immer ermitteln Lucifer, Chloe, Dan (Kevin Alejandro) und Ella (Aimee Garcia) von Folge zu Folge in verschiedenen Fällen und schlagen sich zwischendurch mit ihren irdischen und überirdischen privaten Problemen herum. Und dennoch wirkt das Ganze aus einem einfachen Grund weit weniger redundant als zuvor...
Kürzere Staffel, fokussierte Erzählung
Die vierte „Lucifer“-Staffel ist mit gerade einmal zehn Folgen die bislang kürzeste (die vorherige Season hatte inklusive Bonusfolgen ganze 26 Episoden). Was zuerst einmal wie ein Wermutstropfen für Fans klingt, erfreute die verantwortlichen Serien-Chefautoren Joe Henderson und Ildy Modrovich. Denn die beiden konnten sich so doch einen strafferen Handlungsbogen ausdenken. Und so sollten sich auch Fans darüber freuen. Denn in der Tat kommt die überschaubare Staffellänge „Lucifer“ sehr zu Gute. Es werden zwar noch immer einzelne Mordfälle gelöst, aber gänzlich für sich stehende Case-Of-The-Week-Folgen gehören damit der Vergangenheit an und auch ansonsten gibt es weit weniger Füllmaterial. Innerhalb der Episoden wird die Haupthandlung nun energischer vorangetrieben als zuvor. Der rote Story-Faden steht stärker im Vordergrund als das noch bei den ersten drei Staffeln der Fall war.
Für zusätzlichen Antrieb sorgen dabei auch die beiden tollen Cast-Neuzugänge. Inbar Lavi („Prison Break“) spielt ihre plötzlich wieder in Lucifers Leben auftauchende Eva (mit der Lucifer einst ein Verhältnis hatte) unglaublich einnehmend irgendwo zwischen naiver Unschuld und draufgängerischer Rebellin. Und mit Graham McTavishs („Der Hobbit“) unheilvollem Pater Kinley gibt es endlich auch einen schwer durchschaubaren, wiederkehrenden Bösewicht. Lavi und McTavish ergänzen die gewohnte Stammbesetzung, aus der ansonsten erneut vor allem Tom Ellis besonders heraussticht. Mit seinem köstlichen Charme reißt er als verschmitzter Höllenfürst erneut reihenweise Szenen an sich, ohne aber dass darunter die emotionaleren Momente der zerrissenen Figur leiden.
Rundere Folgen
Die einzelnen Mordfälle und ihre Auflösung kommen daneben zwar nach wie vor nicht über vorhersehbare Standard-Crime-Kost hinaus, doch fügen auch sie sich meist besser als zuvor ins Gesamtbild ein oder sind gar direkter mit den restlichen Geschehnissen verzahnt. Dazu trägt auch die etwas längere Folgendauer bei (statt der wegen Werbeblocks vorherigen Beschränkung auf rund 42 laufen die Episoden im Schnitt nun 49 Minuten), die die Autoren nutzen, um so manche Story- und Figurenentwicklungen etwas besser abzurunden.
Auch wenn man sich mancher Altlasten nicht komplett entledigen konnte (das ewige Hin und Her in der Beziehung zwischen Lucifer und Chloe oder Lucifers eigene Zweifel an seiner guten Seite wirken auf Dauer etwas künstlich erzwungen), fällt es somit leichter, am Ball zu bleiben und die Folgen, getreu ihrer neuen Streaming-Heimat, am Stück wegzuschauen.
Fazit
„Lucifer“ bleibt „Lucifer“: Der Wechsel zu Netflix macht sich in der vierten Staffel der Serie kaum bemerkbar, womit man vor allem den bisherigen Fans eine wahre Freude machen dürfte. So verlässt man sich weiterhin auf altbewährte Zutaten und das charmante Figurenensemble, das die (trotz des übernatürlichen Überbaus) im Kern doch recht herkömmliche Krimiserie noch immer bestens trägt.
Während „Lucifer“ im Rest der Welt nun bei Netflix verfügbar ist, feiern neue Folgen ihre deutsche und österreichische Premiere nach wie vor bei Amazon Prime Video. Dort kann die komplette vierte Staffel ab sofort abgerufen werden.