In „Dumbo, der fliegende Elefant“ von 1941 erlernt ein von seiner Mutter getrennter Babyelefant mit sehr großen Ohren das Fliegen – und der Film endet schließlich damit, dass Dumbo seine Künste das erste Mal öffentlich vor einem erstaunten Publikum aufführt. Zugleich ist „Dumbo“ mit einer Laufzeit von nur 64 Minuten aber auch der kürzeste unter den Zeichentrick-Klassikern aus dem Hause Disney. Deshalb dient die Story des Originals für die Neuauflage von Tim Burton („Beetlejuice“) auch nur als Sprungbrett, um sie nun in einem Realfilm-Setting noch weiter auszubauen, wie uns Produzent Justin Springer bei unserem Besuch am Filmset verrät:
„Der emotionale Kern, dass Dumbo von seiner Mutter getrennt wird, ist immer noch sehr wichtig. Auch diese Idee, dass er zu einem Außenseiter in einer Welt voller Außenseiter wird. Aber da wir einen Live-Action-Film drehen, haben wir auch die Chance, den menschlichen Charakteren viel mehr Platz einzuräumen, die im Zeichentrickfilm fast gar keine Rolle gespielt haben. Der neue Film ist keine Nacherzählung des Originals, sondern geht weit, weit darüber hinaus.“
Und Produzent Derek Frey zieht im Gespräch mit uns einen Vergleich zum Plot des Über-Klassikers „King Kong und die weiße Frau“ von 1933:
„Es erinnert mich an King Kong, der von seiner Insel weggeholt und anschließend in New York ausgebeutet wird. Der originale ‚Dumbo‘ endet damit, dass die Öffentlichkeit Kenntnis von der Existenz dieses fliegenden Elefanten erlangt. Wir gehen weiter und fragen uns, was anschließend wohl passieren würde? Dumbo wird dann nämlich Teil eines noch viel gigantischeren Spektakels...“
Nachdem Dumbo zunächst im kleinen Wanderzirkus vom Direktor Max Medici (Danny DeVito) aufwächst, ist mit „gigantischerem Spektakel“ der Vergnügungspark Dreamland des größenwahnsinnigen Geschäftsmanns V. A. Vandevere (Michael Keaton) gemeint, zu dessen Star Dumbo im über das Original hinausgehenden Teil der Handlung avanciert. Und davon, wie „gigantisch“ diese Spektakel wirklich ist, können wir uns an diesem Tag selbst einen Eindruck machen – denn es wird gerade im Dreamland gedreht: Wir schreiten durch ein großes Tor einen erstaunlich langen Boulevard entlang – an der einen Seite vollständig ausgestaltet mit Geschäften und Buden, auf der anderen ein riesiger Green Screen.
Und am Ende des Weges der Eingang zum Colosseum, in dem dann die großen Zirkus-Shows stattfinden. Man fühlt sich tatsächlich an den zentralen Boulevard in Coney Island oder einem der Disney-Parks erinnert. Und das ist laut Springer auch einer der zentralen Gründe, warum „Dumbo“ in Europa gedreht wird, obwohl er ja eigentlich in den USA spielt:
„Wir mussten schon allein deshalb in England drehen, weil es in den USA keine Studiohalle gibt, die groß genug für Dreamland wäre. Auch in dieser Halle hier in Pinewood ist es das größte Einzelset, das hier jemals errichtet wurde. Und falls es euch noch nicht aufgefallenen ist: Es gibt in diesem ganzen Set keine geraden Linien.“
Scheinbar hat also auch „Dumbo“ wieder diesen ganz speziellen Tim-Burton-Touch, bei dem nichts so hundertprozentig symmetrisch, sondern alles ein klein wenig krumm und schief ist. Und auch Bösewicht-Darsteller Joseph Gatt kann später in diese Lobeshymne nur einstimmen:
„Ich hatte das Glück, an Serien mit gigantischen Sets wie ‚Game Of Thrones‘ zu arbeiten. Aber als ich das erste Mal durch dieses Tor und den Boulevard entlanggelaufen bin, dacht ich nur: ‚Oh, mein Gott!‘ 1.600 Background-Tänzer, all die Pferde und Kutschen. Einfach unglaublich. Das ist noch größer als damals, als ich an ‚Thor‘ gearbeitet habe. Da hatten wir auch zwei komplette Sound Stages für das Set der Eiswelt Jotunheim. Das hatte ungefähr dieselbe Größe, war aber trotzdem längst nicht so eindrucksvoll. Das hier ist magisch, wie bei einem Crossover zwischen einer Tim-Burton-Traumwelt und einem Disney-Freizeitpark.“
Aber während die Produktionsdesigner den größten Teil ihrer Arbeit bereits im Vorfeld erledigen konnten, sind Tim-Burton-Stamm-Kostümdesignerin Colleen Atwood (vier Oscars bei 13 Nominierungen!) und ihr 130-köpfies Team quasi rund um die Uhr dabei, die zahllosen Schauspieler und Statisten in die richtigen Klamotten zu kriegen:
„Wir haben 3.000 Kostüme für die Statisten und etwa 400 – 500 für die Schauspieler. Es ist eine wahnsinnige Herausforderung, die alle überhaupt erst einmal zusammenzukriegen. Wir konnten einige echte Kleidungsstücke aus dieser Zeit verwenden, gerade bei den Männerklamotten, weil bei denen das Material einfach haltbarer ist. Wir haben auch einige weiße Mädchen-Kleider von damals, aber heutzutage sind unsere Körper auch einfach viel größer zu jener Zeit, deshalb müssen wir eine Menge auch selbst anfertigen, darunter 200 Korsetts und 200 Unterröcke. Zum Glück kenne ich einen Ort, wo man historische Schuhe in den heutigen, vergleichsweise gigantischen Schuhgrößen herbekommt. Aktuell umfasst mein Team 130 Köpfe. Wir müssen schließlich jeden einzelnen Tag 500 Leute in ihre Kostüme kriegen, sie notfalls reparieren und über Nacht wieder reinigen.“
Aber natürlich geht es nicht nur ums bloße Einsammeln – viele der Kostüme mussten natürlich auch erst einmal designt werden. Und dabei wurde offenbar nicht nur bei den Straßenklamotten auf historische Korrektheit geachtet, sondern auch bei den Manegen-Kostümen, bei den man es sich sicherlich auch leichter hätte machen und sich einfach etwas Eigenes hätte ausdenken können:
„Die Kostüme sind eine Mischung aus historischen Vorbildern und eigenen Ideen. Aber der Ausgangspunkt ist immer die Realität. Es gibt berühmte Zirkus-Museen in Baraboo, Wisconsin und Sarasota, Florida – von dort stammt unsere ursprüngliche Recherche. Dort gibt es nämlich nicht nur Materialien der großen, bekannten Zirkusse, sondern auch von vielen kleinen Wanderzirkussen, die heute längst niemand mehr kennt. Diese Fotos waren immer der Anfang – und dann haben wir die Kostüme manchmal noch in verschiedene Richtungen weiterentwickelt. Außerdem habe ich 15 – 20 Kleider entdeckt, die angeblich noch aus ‚Die größte Schau der Welt‘ stammen, der 1953 den Oscar als Bester Film gewonnen hat. Die sind zwar schon ziemlich auseinandergefallen, aber ich habe da irgendwie eine Verbindung gespürt. Deshalb habe ich sie – soweit es ging – wieder reparieren lassen.“
Vor genau 100 Jahren
Im Gegensatz zum Original, das im Jahr 1941 spielt („Dumbo“ war damals der erste Disney-Zeichentrickfilm, der in der Jetzt-Zeit angesiedelt ist), finden die Ereignisse in der Neuauflage exakt 100 Jahre vor dem Kinostart, also im Jahr 1919 statt – zum einen, weil sich damals gerade die Mode weg von kleinen Wanderzirkussen hin zu großen Vergnügungs-Anlagen entwickelte, und zum anderen, weil so kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Magie ein Stück weit verschwunden war und es deshalb so gut passt, dass ein kleiner fliegender Elefant sie den Menschen wieder zurückbringt. Am deutlichsten wird dieser Bezug in der Rolle von Colin Farrell als ehemaliger Pferde-Artisten Holt Farrier, wie uns der Schauspieler am Set erzählt:
„Holt ist ein Mitglied des Medici-Zirkus. Früher war er ein Artist. Gemeinsam mit seiner Frau ist er als ‚The Stallion Stars‘ aufgetreten. Mit ihren Pferde-Aufführungen haben sie sich einen gewissen Ruhm in ganz Amerika erarbeitet. Aber nach der Geburt seiner zwei Kinder wurde er in die Armee einberufen und war etwa fünf Jahre lang weg. In dieser Zeit hat er nicht nur einen Arm verloren, als er zurückkehrte, war in der Zwischenzeit auch noch seine Frau gestorben und der Direktor hatte bereits alle Pferde verkauft. Stattdessen muss sich Holt nun um die Elefanten und ihren Dreck kümmern, was durchaus an seinem Stolz nagt. Aber er versucht sich irgendwie zurechtzufinden... und dann fängt plötzlich ein Elefant an zu fliegen!“
Und wie ist es so, nur mit einem Arm zu spielen? Vergisst man das nicht manchmal?
„Die Wunder der technischen Zauberei. Man trägt einen grünen Arm – und in einem Moment ist er da und im nächsten weg. Neulich haben wir allerdings eine sehr physische Szene gedreht, wo ich total mit den Armen herumgerudert habe. Das mussten wir noch mal drehen. Im Verlauf der Handlung bekommt meine Figur übrigens eine Art ‚Strap-On‘-Arm zum Anstecken.“
In diesem Moment kommt aus der Ecke der aufpassenden Publizisten der Hinweis, dass der Begriff „Strap-On“ bei einem Disney-Film vielleicht nicht der passendste wäre. Farrell stimmt sichtlich amüsiert zu... Während Farrell also einen echten Sympathen zu spielen scheint, hatte sein Kollege Joseph Gatt schon mehr mit seiner Rolle als südafrikanischer Großwildjäger Neils Skellig, der passend zu seinem Hass auf Tiere Stiefel aus Elefantenleder trägt, zu kämpfen:
„Ich bin der Darth Vader zu Vandeveres Imperator. Er sagt böse Sachen, ich tue böse Sachen. Das ist schon schwierig, denn im wahren Leben liebe ich Tiere und speziell Elefanten. Ich habe einen Freund, der ein Elefantenreservat in der Nähe von San Francisco betreibt. Zugleich ist es aber auch kathartisch, solche richtig bösen, gemeinen Figuren zu spielen. Das hilft mir dabei, solche negativen Gefühle aus meinem System zu kriegen – und dann fällt es mit leicht, im realen Leben ein netter Typ zu sein. Aber Dumbo ist soooo süß – natürlich werden mich die Zuschauer nach dem Film hassen!“
Aber das scheint es wert gewesen zu sein. Denn auf die Frage, wie ihn denn der originale „Dumbo“ beeinflusst habe, haut Gatt dann eine schon ziemlich steile These raus:
„Ich habe das Original erst vier Wochen vor meinem Abflug nach London gesehen. Ich kannte Ausschnitte, aber nicht den ganzen Film. Nachdem ich die Rolle bekommen habe, haben meine Freundin und ich einen Tim-Burton-Disney-Marathon veranstaltet – mit allen Filmen von Tim und eben ‚Dumbo‘. Und ich muss sagen: Der neue ‚Dumbo‘ wird besser als das Original! Der macht zwar viel Spaß, ist aber nicht so gut gealtert. Er funktioniert heute einfach nicht mehr so gut, weil viele der Themen veraltet sind. Unser Film nimmt den originalen Stoff und reichern ihn mit vielen aktuellen, modernen Themen an.“
Ob sich Gatt da nicht womöglich einen Tick zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, erfahren wir dann spätestens ab dem 28. März 2019, wenn „Dumbo“ in den deutschen Kinos anläuft. Und hier noch eine Reihe von weiteren Bildern vom Set, die wir euch exklusiv hier auf FILMSTARTS präsentieren können: