Frank Castle (Jon Bernthal) ist zurück. Das macht schon die erste Einstellung der zweiten Staffel von „The Punisher“ deutlich. Mit blutigem Gesicht sitzt er in einem Lieferwagen, ein verängstigtes Mädchen auf dem Beifahrersitzer. Verfolger holen sie ein, weitere schwer bewaffnete Bösewichte versperren den Weg. Und der Punisher eröffnet das Feuer und es scheint ihm zu gefallen, zu töten. In dieser einen Szene wird deutlich, wann und wo die zweite Season von „The Punisher“ ihre stärksten Momente hat. Die Action ist brutal und knallhart – und oft sehr stark inszeniert. Doch dazwischen wird Frank Castle auch demaskiert. Er ist kein Held, er ist ein brutaler Schlächter, der das auch noch genießt. Doch zwischen diesen starken Momenten gibt es vor allem im Mittelteil der 13 Episoden viel Leerlauf.
Eigentlich hat Frank Castle dabei seine Vergangenheit hinter sich gelassen. Er zieht als Pete Castiglione durch die USA. Ein reiner Zufall, eine Aussicht auf ein anderes glückliches Leben sorgt dafür, dass er zwei Abende hintereinander am selben Ort ist und so mitbekommt, dass professionelle Killer eine Teenagerin verfolgen. Er schreitet ein, rettet die vorlaute Amy (Giorgia Whigham) und richtet ein Blutbad an. Schnell heften sich weitere Killer an seine Fersen. Angeführt von dem mysteriösen und gottesfürchtigen John Pilgrim (Josh Stewart) machen sie vor nichts Halt, um Amy in ihre Finger zu bekommen. Gleichzeitig bricht in New York Billy Russo (Ben Barnes) aus dem Krankenhaus aus. Angeblich kann er sich nicht erinnern, wer ihn grausam entstellt hat. Doch er ist weiter gemeingefährlich. Als Frank mit Amy durch die Hilfe der Homeland-Agentin Dinah Madani (Amber Rose Revah) nach New York kommt, muss er einen Krieg an zwei Fronten führen.
Herausragender Punisher…
„The Punisher“ ist mit der zweiten Staffel endgültig die Show von Jon Bernthal. Seine Verkörperung der kompromisslosen Kampfmaschine ist sensationell. Man kann fast ohne Übertreibung sagen, dass jede Szene mit Bernthal stark ist. Die zahlreichen Actionszenen sind bis auf sehr, sehr kleine Ausnahmen herausragend. Immer wieder wird Bernthals Castle in ein neues Szenario geworfen, mit dem sich die Macher austoben können – wobei das Setting immer wichtiger Bestandteil der Action ist, die so nie repetitiv wirkt. Ob es in einer Bar oder einer Polizeistation (John Carpenters Klassiker „Assault - Anschlag bei Nacht“ lässt hier grüßen) kracht, spielt eine (!) Rolle. Die Action ist dabei passend zur Figur rau, wild, unkontrolliert, teilweise fast animalisch. Gerade letzteres kann man hier sehr oft auch über den Punisher sagen, der teilweise wild grunzend wie ein Tier seine Gegner verfolgt.
Inmitten dieser brutalen Action schaffen es die Macher aber gekonnt – und zwar ohne allzu aufdringlich zu werden, auch hinter ihre Figur zu blicken. Dies wird besonders in der von Regisseurin Stacie Passon („Concussion - Leichte Erschütterung“) herausragend inszenierten fünften Episode klar. Das „Hütchenspiel“ 3 Card Monte wird hier erst als Allegorie auf Frank Castles Drang, diese „Abenteuer“ zu erleben, genutzt. Später zeigt sich genau dies dann auch in aller Brutalität. Wenn er sich einer Übermacht von Bodybuildern für einen Faustkampf entgegenstellt, weiß er, dass er selbst bei einem Sieg mächtig viel einstecken muss… und dann scheint er es richtig zu genießen, die Fresse poliert zu bekommen.
I am not the one who dies, kid. I am the one who does the killing!
Gekonnt schaffen es Chefautor Steve Lightfoot und sein Team so, ihren Punisher zu einer komplexen Figur zu machen und gleichzeitig zu demaskieren. Er mag sich selbst als Helden und als Rächer sehen, er hilft Menschen in Not und kann keine Ungerechtigkeit ausstehen, doch am Ende ist das nur der sekundäre und vorgeschobene Antrieb. Wenn er zu Beginn Amy rettet, dann ist er eben nicht einfach nur der „gute Samariter“, sondern er stürzt sich wie ein Junkie aufs Heroin in das Geschehen. Seine Sucht ist die Gewalt, das Gemetzel seine Droge. Frank Castle, das wird schnell deutlich, ist auch ein Psychopath.
… zu schwacher Widersacher…
Und damit eröffnen die Macher eigentlich perfekt den Raum für eine Gegenüberstellung mit seinem Erzfeind Jigsaw – auch wenn dieser Name explizit nicht für Billy Russo verwendet wird (der Comic-Begriff wird aber einmal im Rahmen einer Beleidigung genutzt). Doch leider ist ausgerechnet dieser Psychopath über weite Strecken das schwächste Element der zweiten „Punisher“-Staffel. Anfangs ist unklar, wie weit die Transformation von Russo zu Jigsaw fortgeschritten sein soll und das ist eigentlich eine gute Sache. Dass er zu Beginn im Verhältnis zum Comic-Vorbild noch verhältnismäßig wenige Narben hat, deutet an, dass die Verwandlung noch weiter gehen könnte. Das „Puzzle“ (= Jigsaw) ist hier nicht sein entstelltes Gesicht, sondern mehr in seinem Kopf. Er ist scheinbar verwirrt, wird von Albträumen geplagt, erinnert sich an Frank Castle als Freund und will wissen, wer ihn beinahe getötet hat.
Das gebe eigentlich Raum für eine komplexe Figur. Ist er wirklich geistig verwirrt oder täuscht er das nur vor? Ist ein trainierter Killer nicht sogar noch gefährlicher, wenn in seinem Kopf fast gar nichts mehr funktioniert – außer der alten Ausbildung als Tötungsmaschine? Doch all das wird in „The Punisher“ nicht zu früh aufgelöst, sondern über weite Strecken so langweilig und zäh erzählt, dass jegliches Interesse für die Figur flöten geht. Darsteller Ben Barnes ist dabei gar nicht der Vorwurf zu machen, die Szenen sind über weite Strecken einfach unglaublich dröge. Erst gen Ende der Staffel wird zumindest ein kleiner Teil des großen Potentials dieser Figur angedeutet, bis dahin ist es aber ein zu weiter und zu wenig spannender Weg. Die ganze Nebengeschichte rund um seine Beziehung zu einer Psychiaterin (Floriana Lima) hat – abgesehen von einer gekonnten, aber zu schnell wieder verworfenen Volte gen Ende – fast null Mehrwert und bremst zahlreiche Episoden aus.
… und wechselhafte Nebenfiguren
Damit wären wir bei den Nebenfiguren, wo es ebenfalls Licht, aber auch viel Schatten gibt. Neben der Psychiaterin ist auch Amber Rose Revahs Dinah Madani größtenteils ein Störfaktor. Sie wirkt wie ein Überbleibsel aus einer in der ersten Staffel nicht vernünftig abgeschlossenen Geschichte, das hier jetzt noch als Ballast mitgetragen wird. Gen Ende bekommt ihre Figur zwar auch ein paar stärkere Momente, aber auch die einzige eher misslungene Actionszene der Season – was hier auch an der in mindestens einem Moment ungelenken Inszenierung liegt, aber auch daran, dass sie nicht ganz zu der in der ersten Staffel etablierten Figur passt. Besser hat es da Jason R. Moore als Franks alter Kamerad Curtis Hoyle, dessen Auftritte die eigentliche Story rund um den Punisher nicht ausbremsen, sondern ergänzen und auch als eigenständige und bereichernde Erzählung funktionieren.
Die aus den Netflix-Produktionen „Tote Mädchen lügen nicht“ und „Sierra Burgess Is A Loser“ bekannte Giorgia Whigham bringt eine bisweilen nötige Lockerheit ein und brilliert gerade in den ersten Episoden, als noch sehr unklar ist, was die Geschichte rund um ihre Figur ist und warum diese gejagt wird. Die Darstellerin überspielt es auch gekonnt, dass ihre Figur nicht durchweg überzeugend ausgestaltet ist. Etwas zu oft nutzen sie die Macher als Sprachrohr, um Dinge zu veranschaulichen. Etwas zu wenig Neues fällt ihnen einen, wenn nach wenigen Episoden klar wird, warum sie verfolgt wird. Die Figur selbst taucht daher im Verlauf der Staffel etwas ab, wird aber gegen Ende wieder ungemein wichtig und präsent.
Eng verbunden mit Whighams Amy sind die neuen großen Gegner für Frank Castle. Auch hier mag das Drehbuch nicht durchweg überzeugen. Das Alt-Right-Ehepaar (Corbin Bernsen, Annette O’Toole) hinter John Pilgrim ist etwas zu sehr aus bekannten, zu aktuell in den USA stattfindenden Debatten gehörenden Versatzstücken zusammengezimmert, aber Josh Stewart verleiht seiner, lose auf dem Comic-Bösewicht Mennonite basierenden Figur eine mysteriöse und bedrohliche Aura. Früh wird auch klar, dass mit dieser Figur nicht zu spaßen ist und er scheinbar auch keine Grenzen kennt, wenn es darum geht, seine Ziele durchzusetzen. Auch er hat Züge eines Psychopathen. Der unter anderem aus der Horrorreihe „The Collector“ oder als Banes Helfer in „The Dark Knight Rises“ bekannte Charakterdarsteller darf zudem auch seine Actionqualität beweisen. Eine über zwei Zeitebenen erzählte Prügelei mit Nazis ist hier ein kurzes, aber intensives Prunkstück.
Krachende und brutale Action
Wir haben es zwar schon an einigen Stellen dieser Kritik angesprochen, aber da es so zentral für eine Serie wie „The Punisher“ ist, wollen wir noch einmal gesondert auf die Action eingehen. Hier übertreffen die Macher die erste Season noch einmal deutlich. Quasi jede Episode hat eine größere Actionsequenz. Passend zur Thematik und Geschichte gibt es im Gegensatz zum Fluchen (es ist schon lustig, wie auf immer neue Weise mehrfach das Wort „Fuck“ umgangen wird) keine Einschränkungen: Blut spritzt bei Kopfschüssen aus kürzester Entfernung, Knochen brechen, Gesichter werden zu Brei geschlagen.
Viele Zuschauer denken, dass brutale und kompromisslose Action gleich gute Action ist. Das ist natürlich nicht der Fall, aber „The Punisher“ ist mit reduziertem Gewaltlevel nur schwer vorstellbar. Viel wichtiger ist aber: Abgesehen von ein paar ganz wenigen Ausnahmen, in denen die einstudierten Bewegungen hinter der Kampfsequenz zu deutlich zu bemerken sind, sind die Actionszenen herausragend – gerade weil die Choreographie sonst so gekonnt zurückgenommen ist, aber doch so perfekt auf den Punkt sitzt. Wenn die Kontrahenten teilweise mit schwerstem Gerät aufeinander eindreschen, ist nicht mehr zu erkennen, dass die Action nicht real, sondern nur inszeniert ist. Und genug Abwechslung gibt es nicht nur durch wechselnde Settings (siehe oben) und verschiedenste echte und improvisierte Waffen, sondern auch durch weitere Umstände, die auf die Inszenierung einzahlen: Ein Stroboskop-Action-Feuerwerk lässt so die Grenzen zwischen Realität, Alb- und Fiebertraum scheinbar verwischen, was auch inhaltlich an dieser Stelle perfekt passt.
Fazit
Die zweite Staffel von „The Punisher“ ist fast immer dann herausragend, wenn Frank Castle im Mittelpunkt steht und wenn es kracht. Uninteressant gestaltete Nebenfiguren und Handlungsstränge, die das Geschehen auf 13 Episoden aufblähen, trüben das Gesamtergebnis aber sehr deutlich.