+++ MEINUNG +++
Ich liebe „Wer ist hier der Boss?“. Zumindest glaube ich das. Denn bei Sitcoms, die man damals als Teenager super fand, weiß man das ja nie so genau. Und statt es zu überprüfen und dann womöglich enttäuscht zu werden, bewahre ich mir lieber dieses warme nostalgische Gefühl. Auch bei „ALF“ und „Eine schrecklich nette Familie“ zappe ich deshalb immer sofort weiter. Aber eine neue Comedy-Serie mit Tony „Tony Micelli“ Danza? Da wollte ich dann doch mal reinschauen. Und weil es so gut wie nie vorkommt, dass ich eine einmal begonnene Staffel nicht vollende, habe ich inzwischen alle zehn Folgen von „The Good Cop“ gesehen.
Wenn ich nach der überwiegenden Anzahl der Nutzerkritiken bei der imdB gehe, habe ich jetzt sechseinhalb Stunden mit einem Meistwerk verbracht, immerhin bestehen diese fast nur aus Acht-, Neun- und Zehn-Sterne-Bewertungen. Wenn man sich dann zudem die Texte durchliest, stellt man fest, dass es vor allem zwei Arten von Kritiken gibt: Einige loben den Witz, die Dialoge und die Charaktere. Darüber wiederum kann ich nur lachen. Andere hingegen loben vor allem, wie leicht und anspruchslos die Serie sei. Und dass jeder Fall innerhalb von einer Folge abgeschlossen ist. Sie freuen sich also darüber, auf Netflix Serien wie vor 15 Jahren zu sehen. Das kann ich schon eher nachvollziehen – und deshalb bin ich auch so erleichtert, dass für „The Good Cop“ nach der ersten Staffel schon wieder Schluss ist.
"Monk" für Arme
Tony Caruso Sr. (Tony Danza) ist ein Cop der alten Schule – also korrupt. Deshalb war er auch für einige Jahre im Knast. Sein Sohn Tony Caruso Jr. (Josh Groban) ist hingegen der korrekteste Ermittler, den man sich nur vorstellen kann. Wenn er einen Dollar auf der Straße findet, fängt er an zu hyperventilieren, bis das Geld wieder in der Hand des rechtmäßigen Besitzers ist. Diese Konstellation ist als Duo für eine Cop-Comedy genauso gut oder schlecht geeignet wie jede andere. Am Ende geht es um gute Fälle und gute Gags. Aber während einige Mordmethoden (speziell im ersten Fall) zwar völlig überkonstruiert, aber dennoch recht clever sind, lässt sich dasselbe von den Dialogen und Pointen leider so überhaupt nicht behaupten.
Die zehn Folgen der ersten Staffel fühlen sich jedenfalls an, als hätte man hier ausschließlich Drehbücher verfilmt, die bei den offensichtlichen Vorbildern wie „Monk“ oder „Psych“ damals übriggeblieben oder direkt im Mülleimer gelandet sind. Ich habe in zehn Folgen nicht einmal geschmunzelt, mich dafür aber andauernd fremdgeschämt. „The Good Cop“ wirkt nicht nur wie auf schlechte Weise aus der Zeit gefallen, die Serie hätte auch in dem Jahrzehnt, in das sie eigentlich gehört, gegen ihre viel besseren Vorgänger nicht den Hauch einer Chance gehabt. Nun würde es mich normalerweise nicht interessieren, ob noch eine zweite Staffel kommt oder nicht, ich würde sie mir ja so oder so nicht ansehen. Aber in diesem speziellen Fall steckt noch mehr dahinter...
Schlechtes Kino sofort
Netflix wurde dank seiner frühen Aushängeschilder „Orange Is The New Black” und „House Of Cards“ von Anfang an eher mit dem für seine Qualitätsserien berüchtigten Bezahlsender HBO („Die Sopranos“, „The Wire“, „Game Of Thrones“) als mit durchschnittlichen Fernsehsendern verglichen. Netflix galt deshalb zumindest mal als Chance auf ein besseres Fernsehen. Ganz anders übrigens als im Filmbereich, wo man sich zwischendurch schon mal ernsthaft die Frage gestellt hat, ob Netflix überhaupt gute Original-Filme produzieren kann. Und der erste Netflix-Blockbuster, nämlich der Fantasy-Actioner „Bright“ mit Will Smith, ist auch nie mit dem Anspruch angetreten, das bessere Kino zu sein.
„Bright“ ist ein durchschnittlicher bis schlechter Blockbuster, der an den Kinokassen wahrscheinlich brutal gefloppt wäre, aber eben den einen großen Vorteil hat, dass man ihn sich sofort und ohne Extrakosten gemütlich zuhause auf seiner Couch anschauen konnte. Inzwischen hat sich dieser Eindruck ein wenig gewandelt, vor allem dank Alfonso Cuaróns „Roma“, der vollkommen zu Recht als einer der Topfavoriten für die anstehende Awards Season gehandelt wird. Trotzdem verbinde ich die Filmsektion unter den Netflix-Eigenproduktionen weiterhin eher mit „Prinzessinnentausch“ als mit ambitionierter Oscarware.
Qualität drängt ins Mittelmaß
Aber was wird Netflix nun in Zukunft sein? Der Streaming-Anbieter hat deshalb mit großer Qualität losgelegt, weil er sie brauchte, um überhaupt erst mal die nötige Aufmerksamkeit zu erlangen. Aber die hat er jetzt – und so stellt sich die Frage, wie denn in Zukunft das Netflix-Tagesgeschäft aussehen wird? Wie in der Anfangszeit der Serien-Produktion? Oder wie im beliebig wirkenden Filmbereich? Aktuell spricht vieles dazu, dass zweiteres der Fall sein wird. Nach Qualitätsserien gibt es auf Netflix inzwischen auch immer mehr Koch-Duelle und andere Nachmittags-TV-Formate. Netflix will nicht nur HBO verdrängen, sondern lineares Fernsehen insgesamt. Und dafür muss man den Zuschauern auch Schrott anbieten, schließlich sind viele Zuschauer der regulären TV-Programme genau den gewohnt.
Und zu diesem Schrott gehören auch anspruchslose, schlecht geschriebene Krimi-Komödien-Serien, die man halt so wegguckt (wenn man sich nicht wie ich über die reaktionären Pointen und seltendämlichen Twists aufregt). Wäre „The Good Cop“ so eingeschlagen, wie ich es ehrlich gesagt befürchtet hatte, dann hätten wir nicht einfach nur eine zweite Staffel bekommen, sondern wahrscheinlich noch viel mehr solche Kleinster-gemeinsamer-Nenner-Formate. Deshalb ist es ein sehr gutes Zeichen, dass sich offenbar noch nicht genügend Netflix-Nutzer von diesem Angebot haben einlullen lassen.
Aber aufgeschoben heißt nicht aufgehoben. Netflix wird in den nächsten Jahren viele weitere ähnliche Formate ausprobieren. Und wenn erst mal ein oder zwei davon einschlagen, dann ist irgendwann plötzlich „The Good Cop“ die Regel und „GLOW“ die Ausnahme...