Horrorfilme sind ein verdammt profitables Genre: Weil es keine teuren Sets, gigantischen Spezialeffekte und hochpreisigen Stars braucht, kosten sie vergleichsweise wenig – und weil die Zuschauer sich seit Jahrzehnten gerne gruseln lassen, sind die Profite entsprechend groß. Darum ist jeder Horrorfilm ein potentieller Anfang: Wenn der Start glückt, folgt eine ganze Reihe. Die Macher müssen sich keinen großen Kopf machen, worum es da dann eigentlich gehen soll – man holt einfach den Geist/das Monster/den Killer irgendwie zurück, nummeriert die Titel entsprechend durch und der Rest wird schon passen.
Die mittlerweile auf elf Filme angewachsene „Halloween“-Reihe (Remake und Sequel des Remakes inklusive) ist ein Musterbeispiel dieser Bankrotterklärung der Kreativen, mit der Hollywood seit Jahren durchkommt: John Carpenters Original von 1978 ist ein Meilenstein des Genres (heute vielleicht etwas angestaubt, aber immer noch gruselig). „Halloween II - Das Grauen kehrt zurück“ von 1981 war eine solide Fortsetzung, die aber in keiner einzigen Sequenz mehr an den ersten Film heranreichen konnte. Teil 3, so abgefahren-gut er sein mag, steht inhaltlich in keiner Verbindung zu den anderen Filmen – und von „Halloween IV - Michael Myers kehrt zurück“ (1988) an geht es dann steil bergab in Richtung Qualitätshölle.
Und ich bin sicher: Auch nach David Gordon Greens „verdammt gutaussehender Horror-Hommage“, die er mit dem neuen, kürzlich in Deutschland gestarteten Film vorgelegt hat, kann es leider nur wieder bergab gehen!
Guter Horror braucht Ideen
Man muss diesen ganzen Schrott, diese ganzen anderen „Halloween“-Filme gesehen haben, um den neuen „Halloween“ richtig würdigen zu können, dessen Macher alle Teile bis auf den ersten inhaltlich komplett ignorieren (was so ähnlich übrigens auch schon in anderen Fortsetzungen der Fall war). Einer der Gründe, warum David Gordon Green und seinen Co-Autoren Danny McBride und Jeff Fradley ein so starker Horrorfilm gelang, ist die gute, simple Kernidee:
Was wäre, wenn die traumatisierte, aufs Duell vorbereitete Laurie Strode (Original-Star Jamie Lee Curtis) 40 Jahre später wieder auf Michael Myers trifft? Anstatt das Böse wie in vorherigen Fortsetzungen zu entmystifizieren (man denke an diese Michael-Myers-Sekte und den Dämonenquatsch), wird es mit seinem alten Opfer konfrontiert. Es geht nicht darum, das Böse zu erforschen, es geht um seine Auswirkungen.
Möglich, dass eine ähnlich gute Idee entsteht, wenn die Studioverantwortlichen nach dem finanziellen Erfolg ein weiteres Sequel in Auftrag geben, einen neuen „Halloween 2“. Doch in den Gesetzen des Marktes spielt Originalität eine untergeordnete Rolle. Und noch schlimmer: Es besteht die Gefahr, dass in „Halloween 2“ das großartige Ende des neuen Films kaputtgemacht wird.
Darum sollte das Ende bestehen bleiben
Achtung, SPOILER zum neuen „Halloween“ (und auch zu 2, 4, 7 sowie 8)!
Michael Myers wird im neuesten „Halloween“ von dem Monster besiegt, das er selbst schuf. Die verbitterte, tief verstörte Laurie, die 40 Jahre unter dem Trauma litt, für das Michael verantwortlich ist, und die mit ihren Vorbereitungen auf die finale Konfrontation die Beziehung zu ihrer Tochter Karen (Judy Greer) ruinierte, fackelt ihren Erzfeind schließlich ab. Damit schließt sich ein Kreis: Das pure Böse wird von der eigenen Ausgeburt besiegt: von einer Frau, die auf ihre Art ähnlich aufs Töten fixiert war wie Michael selbst.
Laurie bleibt lange Opfer, das ist tragisch, aber sie bleibt nicht passiv: Die Scream Queen von einst befreit sich, indem sie selbst zum Jäger wird, zum Killer schlussendlich, was Gordon Green auch genauso inszeniert. Aus der minimalistischen Grundidee – alter Killer vs. altes Opfer – holt Gordon Green das Maximum raus.
Für „Halloween 2“ bleibt nur die Wiederholung. Am billigsten wäre es, wenn Michael Myers einfach wiederaufersteht. Das hat in der Reihe gute Tradition. Nachdem klar wurde, dass das Publikum mit der Neuausrichtung in Teil drei nichts anfangen kann, war Michaels Feuertod am Ende des 1981er Films plötzlich doch kein Tod mehr: In „Halloween 4“ kommt er zurück.
Noch bescheuerter ist nur die Rückkehr in „Halloween 8: Resurrection“, dem unterirdisch miesen, letzten Sargnagel der alten Reihe, wo das Finale des Vorgängers „Halloween H20“ entwertet wurde: Hier war es der älteren Laurie gelungen, den Mann mit der weißen Maske zu köpfen – nur wie sich im achten Film herausstellt, war das gar nicht Michael, sondern ein armer Tropf, den Michael vorher sprachlos gewürgt und maskiert hatte.
HalloweenEine Erklärung dafür, wie Michael das Feuerinferno diesmal überstanden hat, wäre wahrscheinlich wieder ziemlich bekloppt, das Hauptproblem läge aber woanders: David Gordon Greens „Halloween“ ist radikal, weil eine auf unendliche Fortsetzungen angelegte Reihe in einem auf unendliche Fortsetzungen ausgerichteten Genre tatsächlich – und schlüssig – endet. Aber sobald Michael zurückkommt (oder jemand anderes die Maske übernimmt), ist das Ende des neuen „Halloween“ wieder nur eines unter vielen. Schade, dass Fortsetzungen in Hollywood nach wie vor der letzte Schrei sind.