Wenn ein Studio möchte, dass seine Filme bei den Nominierungen für die Oscars in Betracht gezogen werden, dann werden in der Regel große Werbekampagnen für die jeweiligen Favoriten gefahren. Die wahlberechtigten Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Science sollen damit darauf hingewiesen werden, dass Film X oder Schauspieler Y doch ein großartiger Kandidat für Kategorie Z wäre.
Auf DisneyStudioAwards.com präsentiert die Walt Disney Company nun die Filme, denen die Verantwortlichen die größten Chancen auf Oscar-Nominierungen einräumen, und für welche Kategorien sie durch umfangreiche Werbung in Stellung gebracht werden sollen. Im Fokus für die Verleihung 2019 stehen „Mary Poppins' Rückkehr“, die Animationsfilme „Die Unglaublichen 2“ und „Ralph Reichts 2“ sowie die Marvel-Kassenschlager „Black Panther“ und „Avengers 3: Infinity War“. Da ist erst einmal keine große Überraschung dabei. Die offenbart sich aber, wenn man einen Blick auf die jeweiligen Kategorien wirft, in denen Disney den Filmen Chancen zurechnet und eine dementsprechende Kampagne fahren wird.
"Infinity War" in nur einer Kategorie
So fällt auf, dass „Mary Poppins' Rückkehr“, „Black Panther“, „Die Unglaublichen 2“ und „Ralph Reichts 2“ jeweils für Berücksichtigung in mindestens elf Kategorien beworben werden, die beiden Realfilme sollen die Academy-Mitglieder gar in 16 Kategorien für eine Nominierung in Betracht ziehen. Alle vier schlägt Disney sogar für die Kategorie Bester Film vor. Im krassen Gegensatz dazu steht „Infinity War“. Beim dritten „Avengers“-Film findet man tatsächlich nur eine einzige Kategorie, in der Disney verstärkt die Werbetrommel rühren wird: Die der Besten visuellen Effekte. Traut man dem nach „Black Panther“ erfolgreichsten Film 2018 also so viel weniger zu als den anderen vier Blockbustern?
Konzentration auf "Black Panther"
Mit Sicherheit lässt sich natürlich nicht sagen, was sich die Verantwortlichen bei Disney gedacht haben, jedoch scheint es ganz so, als wolle man sich im Hinblick auf die Oscars voll auf „Black Panther“ konzentrieren. Im August verkündete Marvel-Boss Kevin Feige nämlich, dass man alles dafür tun wolle, eine Nominierung von „Black Panther“ als Bester Film herauszukitzeln. Und dies wird nun allem Anschein nach in die Tat umgesetzt.
Mit der Bewerbung des durch das gleiche Genre sehr ähnlichen „Infinity War“ in denselben Kategorien wie „Black Panther“, würde man sich schließlich nur selbst Konkurrenz machen. Die Animations-Sequels „Die Unglaublichen 2“ und „Ralph Reichts 2“ sowie „Mary Poppins Returns“ hingegen unterscheiden sich so sehr von der Comic-Verfilmung über den König von Wakanda, dass man bei Disney hier wohl nicht befürchtet, dass sie ihr in die Quere kommen. Die Entscheidung, „Infinity War“ nur für die visuellen Effekte in Stellung zu bringen, fiel also vermutlich nicht, weil dem Film nichts zugetraut wird, sondern ganz einfach, weil „Black Panther“ die deutlich größeren Chancen eingeräumt werden.
"Infinity War" kann trotzdem nominiert werden
Die Regeln der Academy, unter welchen Bedingungen ein Film nominiert werden kann, sind kompliziert und von Kategorie zu Kategorie unterschiedlich. Teilweise müssen sie vom Studio sogar explizit eingereicht werden, damit sie überhaupt in Betracht gezogen werden können. Im Falle des Besten Films muss der jeweilige Kandidat unter anderem zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember des Vorjahres für mindestens sieben Tage in einem Kino in Los Angeles gezeigt worden sein. Die sogenannten „For Your Consideration“-Kampagnen der Studios dienen also lediglich dazu, die Mitglieder auf die jeweiligen Filme aufmerksam zu machen. Nominiert werden können jedoch auch andere Filme – so natürlich auch „Infinity War“. Die Chancen für nicht oder nur wenig beworbene Filme sind jedoch um ein Vielfaches geringer.
Als Teil einer solchen Werbekampagne werden in der Regel Screenings des Films in Anwesenheit der FIlmemacher (ein solches hat erst vor wenigen Tagen für „Black Panther“ stattgefunden) organisiert, DVDs an die Mitglieder der Academy geschickt oder große Werbebanner auf Branchen-Seiten wie z. B. Variety geschaltet.
Wie stehen die Oscar-Chancen?
Hat „Black Panther“ denn überhaupt Chancen auf eine Nominierung als Bester Film für die Oscarverleihung, die am 24. Februar 2019 in Los Angeles stattfinden wird? Die Experten der auf die Academy Awards spezialisierten Online-Magazine AwardsWatch, GoldDerby und AwardsCircuit glauben: Ja! Alle drei sehen den Marvel-Film unter den Kandidaten in der wichtigsten Oscar-Kategorie. „Wenn es jemals einen Superhelden-Film gab, der dieses Eis [die erste Nominierung eines solchen als Bester Film] brechen könnte, dann ist es ‚Black Panther‘“, glauben die Spezialisten von AwardsWatch sogar. Siegchancen werden ihm hingegen nicht zugerechnet: Die meisten sehen derzeit „A Star Is Born“-Regisseur, -Hauptdarsteller, -Drehbuchautor und -Produzent Bradley Cooper mit der bedeutendsten Trophäe im Filmgeschäft in der Hand auf der Bühne des Dolby Theatre stehen.