Bevor ein Film in Deutschland erscheint, durchläuft er normalerweise die Prüfung der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle). Dabei kann es vorkommen, dass die Organisation einen Film für so brutal, gewaltverherrlichend oder in sonst einer Art jugendgefährdend hält, dass sie ihm selbst eine Freigabe ab 18 verweigert. So nun geschehen bei „Death Race: Anarchy“, dem vierten Teil der „Death Race“-Remake-Reihe, zu der „Resident Evil“-Regisseur Paul W.S. Anderson 2008 mit seiner Neuauflage von „Frankensteins Todesrennen“ (1975) den Startschuss gab. Doch eine verweigerte FSK-Freigabe ist zum Glück noch längst nicht gleichbedeutend mit einer Indizierung oder gar einer Beschlagnahmung – und deshalb ist der mit Danny „Machete“ Trejo und Danny „Ich bin zu alt für diesen Scheiß“ Glover beworbene Film (beide haben natürlich nur kleine Rollen) trotzdem ab dem 18. Oktober 2018 hierzulande fürs Heimkino erhältlich.
Um doch noch eine 18er-Freigabe zu erwirken, hätte Verleih Universal Pictures den Film auch kürzen und anschließend erneut prüfen können – wie es zum Beispiel bei „Death Race 2“ von 2010 der Fall war, der damals erst in einer um rund 90 Sekunden gekürzten Version das FSK-18-Siegel aufgedrückt bekam (via Schnittberichte). Um jedoch die vollständige Uncut-Fassung von „Death Race: Anarchy“ in die Regale stellen zu können, wurde die sogenannte Juristenkommission (JK) der SPIO zurate gezogen – und drei unabhängige Juristen attestierte dem Film schließlich „keine schwere Jugendgefährdung“. Und mit diesem Label wird er nun auch vertrieben, wie man in der linken unteren Ecke des DVD-Covers sieht, wo sonst die bunte FSK-Plakette prangt:
Was ist die SPIO?
SPIO ist die Abkürzung der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V., der Interessensvertretung der deutschen Film- und Fernsehwirtschaft. Wenn die FSK, eine Tochtergesellschaft der SPIO, eine Altersfreigabe verweigert, kann immer noch eine Prüfung durch die die SPIO-Juristen-Kommission beantragt werden. Dabei gibt es zwei mögliche Freigaben: Zum einen „SPIO/JK geprüft: keine schwere Jugendgefährdung“ und zum anderen „SPIO/JK geprüft: strafrechtlich unbedenklich“. „Death Race: Anarchy“ bekam Erstere, weswegen er offen im Handel verkauft werden darf. Wäre lediglich die härtere Freigabe vergeben worden, hätte er nur auf gezielte Nachfrage „unter der Ladentheke“ angeboten werden dürfen.
Für Käufer des Films ergeben sich so keine Nachteile. Der Unterschied ist jedoch, dass Titel mit FSK-Freigabe nicht mehr indiziert oder beschlagnahmt werden können, während dies bei solchen, die lediglich eine SPIO-Prüfung durchlaufen haben, auf Antrag oder Anregung der BPjM (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien) weiterhin möglich ist. Im Falle einer Indizierung dürfte der Film dann ebenfalls nicht öffentlich beworben oder vertrieben werden, bei einer Beschlagnahmung ist die Verbreitung sogar komplett verboten.
Ist "Death Race: Anarchy" wirklich so brutal?
In erster Linie ist der Film von Regisseur Don Michael Paul („Sniper: Legacy“) natürlich feinste Carsploitation, das Herzstück sind die Autorennen, in denen ein aufgemotzter Bolide nach dem anderen in gewaltigen Feuerstürmen aufgeht. Doch dazwischen gibt es immer wieder auch höchst explizite und ohne Computereffekte getrickste, schön ekelige Splatter-Momente, bei denen man verstehen kann, dass die FSK eine Freigabe verweigerte. So wird bereits in der ersten Viertelstunde von „Death Race: Anarchy“ eine gut sichtbare Kettensägen-Enthauptung vorgenommen, später wird unter anderem noch ein Herz mit bloßen Händen aus einer Brust gerissen.
Jedoch haben sich auch schon brutalere Filme ein rotes FSK-Siegel verdient. Ein weiterer Grund für die FSK könnte jedoch gewesen sein, dass B-Movie-Spezialist Don Michael Paul bewusst und provokativ jedwede Grenze überschreitet. Beinahe alle Frauen laufen ständig komplett nackt herum und gieren nach Sex, während sabbernde Kerle Witze über Vergewaltigungen reißen. Dazu werden unzählige Menschenleben zum reinen Vergnügen der Stärkeren geopfert. Und all das wird in voyeuristischster Weise ausgestellt.
Doch genau diese unaufhörliche Grenzüberschreitung ist es auch, was die „Death Race“-Reihe schon in Roger Cormans allererstem Film von 1975 ausmachte. Schließlich gehörte es da auch noch zum Wettbewerb, unschuldige Passanten zu überfahren, um Punkte zu sammeln. Fans werden vom SPIO-Siegel also vermutlich eher angelockt als abgeschreckt. Und „Death Race: Anarchy“ wird sie auch nicht enttäuschen. Nicht umsonst verlieh der Autor unserer FILMSTARTS-Kritik solide drei von fünf Sternen und zog das folgende Fazit: „Nackte Tatsachen, rohe Gewalt und aufwändige Auto-Stunts halten die dünne Story von ‚Death Race: Anarchy‘ erstaunlich gut zusammen. Kein hochklassiges, aber ein kurzweiliges Trash-Feuerwerk.“