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    "Deepwater Horizon": Die wahre Katastrophe ist im Film gar nicht zu sehen!

    Neben „Boston” bewies Regisseur Peter Berg auch mit „Deepwater Horizon” sein gutes Gespür für die Verfilmung von Katastrophen. Der heute auf ProSieben laufende Blockbuster mit Mark Wahlberg blendet das wahre Übel des Öl-Desasters jedoch einfach aus.

    StudioCanal

    Wenn es um das Verfilmen von wahren Begebenheiten geht, ist Peter Berg der richtige Mann. Vor allem für die dunkleren Kapitel der jüngeren US-Geschichte scheint der Regisseur ein gewisses Talent zu haben und auch ein weiterer Mann darf dabei nie fehlen: Mark Wahlberg. Die beiden Action-Thriller „Boston“ und „Deepwater Horizon“ entstanden sogar fast zeitgleich und während es in Ersterem um den 2013er Terroranschlag auf den Boston Marathon geht, blickt Berg in Nummer 2 auf die größte Ölkatastrophe der US-Geschichte.

    Der 2016 veröffentlichte „Deepwater Horizon“ ist ein Film über die titelgebende Ölplattform, die am 20. April 2010 nach einer gewaltigen Explosion in Flammen aufging und zwei Tage später im Meer versank. Elf Arbeiter kamen dabei ums Leben und genau denen ist Peter Bergs Film auch gewidmet, doch das schreckliche Ereignis geht noch weit darüber hinaus, denn der Deepwater-Horizon-Vorfall ist zudem auch eine gigantische Umweltkatastrophe, was im Film selbst jedoch kaum Erwähnung findet.

    Deepwater Horizon

    Doch zunächst sei gesagt, dass Peter Berg mit seinem Film eine Menge richtig gemacht hat. Auch in unserer Kritik loben wir das Spektakel als mitreißenden sowie sehr sauber inszenierten Blockbuster, dem auch Spannung und vor allem Menschlichkeit nicht verloren gehen. Das liegt auch an den sympathisch auftretenden Mark Wahlberg und Kurt Russell, die die realen Überlebenden Mike Williams und Jimmy Harrell verkörpern. Berg weiß sein Ensemble richtig in Szene zu setzen und ähnlich wie sein Genrekollege Paul Greengrass („Das Bourne Ultimatum“) mit Handkamera und sehr nahen Einstellungen für Dynamik zu sorgen, anders als dieser jedoch nie in Hektik zu verfallen. Wie auch „Boston“ ist „Deepwater Horizon“ daher vor allem ein sehr kurzweiliger, gut geölter und angenehm flüssig anzusehender Action-Kracher.

    Doch nun zur Krux: Regisseur Berg (der wie fast immer in seinen Filmen auch eine Minirolle spielt) und seine Drehbuchautoren Matthew Michael Carnahan („World War Z“) und Matthew Sand („Ninja Assassin“) blicken einzig und allein auf das Geschehen auf der Bohrinsel – und das zudem sehr einseitig. Die Rolle der Schuldigen und damit quasi der Bösewichte des Films wird klar den Managern von BP zugeschoben und die Katastrophe wird weitestgehend auf die Explosion der „Deepwater Horizon“ reduziert.

    Der Fall "Deepwater Horizon": Eine Ökokalypse

    Allerdings ist das nur eine Seite der Medaille, denn die Katastrophe nahm nach diesem tragischen Ereignis nur noch größere Dimensionen an. Durch die Detonation der Bohrplattform im Golf von Mexiko trat nämlich eine solch gigantische Ölmenge ins Wasser aus, dass es zur schlimmsten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA kam. Rund 800 Millionen Liter Öl fanden ihren Weg ins Meer, verteilten sich auf einer riesigen Wasserfläche bishim zur Küste von Louisiana und Texas. Schlussendlich glichen fast 10.000 Quadratkilometer des Golfes einem schwarz-schimmernden Teppich. Erst im Juli 2010 konnte das Leck am Meeresgrund geschlossen werden – die Auswirkungen hingegen waren auch mehrere Jahre später noch spürbar.

    Sowohl die Pflanzen- als auch die Tierwelt litt stark unter den Verschmutzungen, an den Küstenregionen von Louisiana, Florida, Mississippi und Alabama wurden hunderttausende tote Fische, Krabben, Austern und andere Meerestiere angespült, während im Meer das Plankton von der Verschmutzung angegriffen wurde und Vögel wie Säugetiere mit Öl verschmiert wurden. Bis heute ist unklar, wie stark der Lebensraum im Golf von Mexiko tatsächlich beschädigt wurde.

    StudioCanal

    Aber auch wirtschaftlich richtete das „Deepwater Horizon“-Fiasko großen Schaden an. An den Küstenstädten brach der Fischfang etwa nahezu komplett ein, auch weil in den betroffenen Regionen ein Fangverbot vergehangen wurde. Immer wieder wurde die Sperrzone vergrößert, die sich am Ende auf über 225.000 Quadratkilometer ausdehnte, Verluste in Milliardenhöhe waren die Folge. Auch Jahre später müssen die Fischer um ihre Existenz kämpfen: „Das vergangene Jahr war eines der schlechtesten Fangjahre für gefleckte Meerforellen und das schlechteste Krabbenjahr seit fast 50 Jahren“, erzählt der Küstenforscher John Lopez im Jahr 2015 der Welt.

    Finanziell traf es jedoch auch BP. Der britische Ölkonzern musste für die Ölkatastrophe die volle Verantwortung übernehmen und rund 65 Milliarden Dollar für Gerichtskosten und die Aufräumarbeiten berappen – eine Rekordstrafe. Das Unternehmen, dem die Deepwater Horizon gehörte, beging im April 2010 wissentlich zahlreiche, sicherheitstechnische Fehler, die letztendlich zum Unglück führten. Unter den BP-Mitarbeitern, die beim Unglück vor Ort waren, befand sich auch Supervisor Donald Vidrine. Im Film wird dieser von John Malkovich gespielt und klar als Antagonist dargestellt: So ignoriert er etwa die technischen Störungen und fehlenden Vorsichtsmaßnahmen, auf die er von Wahlberg und Russell hingewiesen wird.

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    Während diese Punkte in Peter Bergs Verfilmung aufgegriffen werden und gegenüber BP deutlich Position bezogen wird, fehlt „Deepwater Horizon“ sowohl ein kritischer Blick auf das Ölgeschäft generell als auch das Aufgreifen der Umwelt-Auswirkungen. Im Film geht es nämlich ausschließlich um das Überleben der Arbeitskräfte auf der Station, lediglich eine kurze Texttafel am Ende weist auf die anschließend ins Meer ausgetretenen Ölmengen hin. Man könnte fast meinen, Peter Berg hatte gar keine andere Wahl, als dieses reduzierte Skript umzusetzen, doch in einem kleinen Moment scheint der Filmemacher die wahre Katastrophe andeuten zu wollen: Mitten im Geschehen stürzt ein ölverschmierter Vogel auf das anliegende Schiff und verstört dabei die Besatzung. Unter panischer Angst rammt sich das arme Tier von Fenster zu Fenster, bis es leblos zusammenbricht. Im gesamten Film bleibt das der einzige Augenblick, in dem die Natur eine Rolle spielt.

    „Deepwater Horizon“ läuft am heutigen Sonntag, dem 7. Oktober 2018, um 20:15 Uhr auf ProSieben.

     

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