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    "The Innocents" neu bei Netflix: Mehr als nur eine übernatürliche Teen-Romanze

    Liefert Netflix mit „The Innocents“ einen weiteren Serienhit? Wir durften bereits vorab einen Blick auf die ersten vier Folgen werfen und verraten euch zum Start am heutigen 24. August 2018, was das neue Netflix-Original zu bieten hat.

    Aimee Spinks / Netflix

    Schon seit William Shakespeare wissen wir: Junge Liebe kann dramatisch sein, eine wahre Tragödie sogar. Doch vor allem ist die erste große Liebe berührend und mitreißend, nicht ohne Grund gehört Shakespeares „Romeo und Julia“ zu einem der bekanntesten Theaterstücke aller Zeiten. Die Newcomer-Autoren Hania Elkington und Simon Duric haben sich nun ganz offensichtlich bei dieser klassischen Liebesgeschichte bedient und sie in den mystischen Mantel des Übernatürlichen gepackt. Herausgekommen ist das Netflix-Original „The Innocents“, das so viel mehr als eine übernatürliche Teenie-Romanze ist.

    Darum geht es in "The Innocents"

    Harry (Percelle Ascott) und June (Sorcha Groundsell) sind unsterblich ineinander verliebt, doch familiäre Verpflichtungen halten die Teenager auseinander. Denn Harry muss sich um seinen pflegebedürftigen Vater kümmern, während seine Mutter Christine (Nadine Marshall) als Polizistin selbst nur wenig Zeit für Familienleben hat. June leidet derweil unter den strengen Regeln ihres überfürsorglichen Vaters John (Sam Hazeldine). Ihre Mutter hat die Familie vor Jahren verlassen und Junes Bruder Ryan (Arthur Hughes) wird durch seine Agoraphobie zum Gefangenen im eigenen Zuhause.

    Gemeinsam entschließen sich Harry und June, aus der britischen Vorstadt zu fliehen: raus in die weite Welt und endlich frei sein. Doch schon bald sind Geld und Übernachtungsmöglichkeiten nicht mehr die einzigen Probleme der beiden Teenager: In June schlummern seltsame Kräfte, die die Jugendliche nicht unter Kontrolle hat. Plötzlich nimmt sie das Aussehen des bärtigen Steinar (Jóhannes Haukur Jóhannesson) an, der sie zuvor noch kidnappen wollte. Und dann sind da noch die dunklen Familiengeheimnisse, die das junge Paar für immer entzweien könnten...

    Aimee Spinks / Netflix

    Die erste große Liebe

    „Liebe verändert alles“, das predigte bereits der erste Teaser zur neuen Netflix-Serie und damit sind wir bereits mitten in einem der erzählerisch bedeutendsten Punkte von „The Innocents“: das Gefühl der ersten großen Liebe und der feste Glaube daran, dass man gemeinsam alles schaffen kann. Beflügelt von ihren Gefühlen, reißen June und Harry von Zuhause aus und ahnen nicht, welche Hindernisse sich ihnen noch in den Weg stellen werden. Bis zu diesem Punkt kommunizierten die beiden nur über versteckte Liebesbriefe und jetzt stecken sie gemeinsam mitten in einem unglaublichen Abenteuer.

    Denn schon bald zeigt sich: June ist eine sogenannte Wandlerin. Verspürt die Jugendliche große Angst, verwandelt sie sich bei Berührung in ihr Gegenüber. Wie belanglos erscheinen da plötzlich die zahlreichen peinlichen Momente einer alltäglichen ersten Liebe, wie sie wohl jeder mal erlebt hat. Doch Elkington und Duric geben ihren Figuren den Raum, auch diese unbeholfenen Berührungen, den ersten Kuss und die berühmten Schmetterlinge im Bauch zu erleben.

    Aimee Spinks / Netflix

    Stellenweise mögen die verträumte Liebelei und das schüchterne Kennenlernen der beiden Hauptfiguren zwar etwas in die Länge gezogen sein, doch wirkt dieser kleine qualitative Makel, dieses Hinauszögern des nächsten großen Moments, doch gerade ebenso charmant unbeholfen, wie es auch die Hauptfiguren der Serie sind. Mehr als nur einmal bringt Harrys und Junes jugendliche Naivität sie in Gefahr und doch glättet ihr unerschütterlicher Glaube an ihre Liebe die Wogen scheinbar stets.

    Die Stolpersteine des Erwachsenwerdens

    Vor allem aber erzählen die Macher von „The Innocents“ eine im Kern recht klassische Coming-Of-Age-Story. Junes Kräfte fungieren hier im Grunde als Metapher für die Wachstumsschmerzen und Veränderungen von Körper und Charakter, mit denen wir alle zu kämpfen hatten und haben. Was könnte für ein pubertierendes Mädchen schon peinlicher sein, als plötzlich im Körper eines behaarten Norwegers vor ihrer großen Liebe zu stehen? Da lassen sich sogar die teilweise betont bedeutungsschweren Sequenzen als bewusstes Stilmittel erklären. Die neue Netflix-Serie zielt hauptsächlich auf ein junges Publikum ab, bietet seinem Publikum zugleich aber auch eine Brücke zwischen der jugendlichen Romanze, die speziell diese Zielgruppe anspricht, und einer subtilen und durchaus „reifen“ Erzählweise des sich ausweitenden Thriller-Plots, auf das sich auch ein junggebliebenes Erwachsenenpublikum einlassen kann.

    Wie wir Zuschauer wachsen auch die Figuren vor der Kamera auf ähnliche Weise in ihre neue Rolle. Handelten June und Harry zunächst noch aus einer jugendlichen Rebellion heraus, so müssen sie sich nach und nach mit ernsten Problemen auseinandersetzen. Der sorglosen Freude über einen ansteckenden Pop-Song im Radio und Süßigkeiten zum Mittag folgen schon bald Existenzängste, das Hinterfragen der eigenen Eltern und die Gewissheit, dass das eigene Handeln Konsequenzen hat. Denn Junes Körpertransformationen sind nicht ohne Folgen, auch wenn sie diese nicht beeinflussen kann. Während die Wandlerin den Körper eines anderen Menschen annimmt, befindet sich das „Original“ in einer Art Trance, einem übernatürlich induzierten Koma.

    Europäischer Thriller statt amerikanisches Superhelden-Kino

    Je stärker sich Junes Kräfte manifestieren, desto häufiger kommen auch die quälenden Fragen: Was passiert mit June und vor allem was geschieht mit ihren „Opfern“ nachdem June wieder in ihren Körper zurückfindet?

    Aimee Spinks / Netflix

    Diese Fragen bringen June und Harry auf die Suche nach dem Ursprung ihrer Kräfte und den Zuschauer immer weiter in den Sog der Thriller-Elemente von „The Innocents“. June ist keine Gerechtigkeitskämpferin, wie wir sie aus den DC-Comic-Serien „Arrow“, „Supergirl“ oder „The Flash“ kennen. Und auch keine jugendliche Rebellin, die gegen diktatorische Unterdrückung kämpft wie zum Beispiel Katniss Everdeen in „Die Tribute von Panem“. June ist eigentlich ein ganz gewöhnliches Mädchen. Das Einzige, was sie von anderen unterscheidet und (ungewollt) in den Mittelpunkt dieses Thrillers stellt sind ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten.

    Damit erinnert „The Innocents“, abseits der rührenden Szenen zwischen Harry und June, inhaltlich wie auch visuell, vielmehr an das deutsche Netflix-Original „Dark“, die britische Krimi-Serie „Broadchurch“ oder die dänische Post-Apokalypse aus „The Rain“. Kein großes Farben- und Action-Aufgebot wie etwa in Marvel-Filmen, sondern eine kühle mystische Stimmung, die sich leise und doch unaufhaltsam durch Junes und Harrys Selbstfindungsreise zieht, wird hier ausgebreitet.

    Was der Zuschauer zu ahnen wagt und was die Liebe des jungen Paars wohl auf die größte Probe bisher stellen wird, sind die unter der Oberfläche schlummernden Geheimnisse ihrer Familien und das Mysterium der Wandler, das sich bis nach Norwegen zieht. Auf einem abgelegenen Gutshof leben hier Menschen wie June, die sich einer seltsamen Therapie des undurchsichtigen Professors Halvorson (Guy Pearce) unterziehen. Zu ihnen gehört auch Junes Mutter Elena (Laura Birn), die die Familie doch bereits vor Jahren im Stich gelassen hat...

    Richard Hanson / Netflix

    Fazit

    „The Innocents“ ist im Grundgerüst eine Coming-Of-Age-Story, in deren Mittelpunkt ein tragisches Liebespaar steht. Denn was die Figuren noch nicht wissen, beginnt sich für den Zuschauer leise und doch durchdringlich heraus zu kristallisieren: In der neuen Netflix-Serie geht es um mehr als die erste Liebe und die Rebellion gegen die Eltern. Ohne große Starpower – Guy Pearce ist wohl das einzig wirklich bekannte Gesicht des Casts – konzentriert sich der übernatürliche Thriller auf seine mystische und metaphernreiche Geschichte und überzeugt vor allem durch die Leistung der Jungdarsteller Ascott und Groundsell. Egal, ob man die erste große Liebe noch vor sich hat oder gern in nostalgischen Erinnerungen an die eigene Jugend schwelgt, die Geschichte von Harry und June ist rührend. Teilweise kann das neue Netflix-Original zwar, wie auch seine Hauptfiguren, den Stolpersteinen des Erwachsenwerdens – Fehler, die man einmal machen muss, um daraus zu lernen – nicht immer aus dem Weg gehen, doch wirkt die britische Produktion gerade durch ihre jugendliche Unbeholfenheit und teilweise Unsicherheit über das eigene Können so charmant.

     

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