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    Unser Interview mit Regisseur Stefano Sollima zu "Sicario 2": Antihelden sind die wahren Helden

    Zum Kinostart von „Sicario 2“ haben wir uns mit Regisseur Stefano Sollima unterhalten. Unter anderem sprachen wir über die Vorzüge von Antihelden, seine Freiheiten bei der Produktion und sehr nette Nachrichten von Denis Villeneuve…

    StudioCanal

    2015 überzeugte „Sicario“ von Denis Villeneuve („Blade Runner 2049“) nicht nur an den Kinoassen, er wurde anschließend auch noch für drei Oscars nominiert. In dem knallharten Drogen-Thriller bekämpfen Emily Blunt und Josh Brolin als US-Agenten an der Grenze zu Mexiko die dortigen Kartelle – und erhalten dabei Unterstützung von Benicio del Toro als Auftragskiller (auf Spanisch: Sicario).

    Obowhl „Sicario“ ursprünglich als alleinstehender Film angelegt war, wurde nach dem Erfolg des Films gleich die Produktion einer ganzen „Sicario“-Trilogie angekündigt, wobei sich die Teile zwar inhaltlich und tonal ähneln, jedoch nicht direkt aufeinander aufbauen sollen. Für die anspruchsvolle Aufgabe, einen Nachfolger im Geiste des ersten Teils zu inszenieren, der aber zugleich auch komplett eigenständig funktioniert, wurde der italienische Regisseur Stefano Sollima verpflichtet, der sich für diesen Job mit der Mafia-Serie „Gomorrha“ und dem Kinofilm „Suburra“ empfohlen hat.

    FILMSTARTS: Als du gefragt wurdest, ob du den zweiten „Sicario“-Film inszenieren willst, hattest du da den ersten Teil schon gesehen?

    Stefano Sollima: Ja, klar. Und ich habe ihn geliebt! Für mich war er damals sogar der beste Film des Jahres. Ich erinnere mich noch, wie begeistert ich war, dass es ein solcher Film überhaupt in die Kinos schafft. Das sieht man ja heutzutage nicht mehr so oft.

    FILMSTARTS: Wie viel Respekt flößt es einem ein, einen Film fortsetzen zu sollen, den viele Zuschauer und vor allem auch du selbst so lieben?

    Stefano Sollima: Eine Menge, weil ich genau wusste, wie schwierig das wird. Aber das hat sich gelegt, sobald mir die Produzenten von ihrer Idee einer Trilogie erzählten, in der die einzelnen Teile zwar tonal ähnlich sein, aber inhaltlich nicht aufeinander aufbauen sollen. Und dann habe ich noch dieses fantastische Drehbuch gelesen, das dem sehr ähnlich ist, was ich zuvor gemacht hatte. Die Idee, einen Film über Antihelden zu machen, war ja nicht neu für mich und daher war es schlussendlich auch keine allzu große Umstellung.

    FILMSTARTS: Das Sequel-Skript von „Sicario“-Autor Taylor Sheridan stand also schon komplett, als du zum Projekt gestoßen bist?

    Stefano Sollima: Ja, zumindest der erste Entwurf. Und auch der war schon großartig.

    Antihelden sind die wahren Helden

    FILMSTARTS: In „Sicario 2“ ist praktisch jede Figur ambivalent und die Protagonisten sind zwei absolute Antihelden. Was macht für dich die Faszination solcher Charaktere aus?

    Stefano Sollima: Ich liebe es, Geschichten über Antihelden zu erzählen, weil sie mehr wie reale Menschen und viel näher an der Wirklichkeit sind. Meine Filme sind stets charaktergetrieben und Antihelden sind einfach komplexer, haben mehr Nuancen und es ist interessanter, ihnen zu folgen. Man wird gezwungen, seine eigene Sichtweise auf gewisse Dinge, wie zum Beispiel moralische Fragen, zu verändern. Zudem wird durch eine gewisse Ambivalenz in den Figuren alles unvorhersehbarer.

    FILMSTARTS: Warst du denn zu irgendeinem Punkt besorgt, dass zwei Antihelden im Zentrum des Films dafür sorgen könnten, dass dem Publikum eine Identifikationsfigur fehlt, wie sie zum Beispiel Emily Blunt in „Sicario“ war?

    Stefano Sollima: Nein, ganz im Gegenteil. Das war für mich immer mehr ein Plus als ein Minus. Emily Blunt war eine Art Stellvertreterin für das Publikum, die Zuschauer haben das Geschehen durch ihre Augen erlebt. Aber ich denke, dadurch, dass wir beide Hauptfiguren ohne jeglichen Filter zeigen, haben wir eine größere Effektivität erreicht. Man sympathisiert ja trotzdem mit den Figuren, selbst wenn sie sehr kontrovers sind. Denn genau das passiert in „Sicario 2“: Am Ende liebt man Benicio! Obwohl er ein richtiger Hurensohn ist. Man fängt an, ihn zu lieben, weil man seine Menschlichkeit sieht. Es ist ein anderer Prozess, bis man an diesen Punkt kommt, als es bei „normalen“ Helden der Fall ist. Aber genau dieser Prozess ist es, der es für mich interessant macht, die Geschichten solcher Charaktere zu erzählen.

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    FILMSTARTS: Du hast erwähnt, dass Antihelden für dich näher an der Wirklichkeit sind. Würdest du also sagen, dass Authentizität und Realismus in „Sicario 2“ eine entscheidende Rolle spielen?

    Stefano Sollima: Absolut. Das ist überaus wichtig, weil wir ja auch reale Probleme wie Migration anpacken. Und du kannst keinen fiktionalen Film voller Klischees über solche Themen machen. Du musst studieren, dokumentieren und versuchen, zu verstehen, was in der Realität vor sich geht. Ein Film sollte unterhalten und seinem Publikum dazu aber immer auch einen Denkansatz mitgeben, dich über die reale Welt nachdenken lassen.

    Völlig freie Hand

    FILMSTARTS: „Sicario“ hat einen sehr eigenen und beeindruckenden audiovisuellen Stil. Ich hatte das Gefühl, dass du bewusst einige Elemente daraus in deinen Film übernommen hast. Was wolltest du von Denis Villeneuve übernehmen und was wolltest du komplett anders machen?

    Stefano Sollima: Ich wollte gar nichts beibehalten. Jeder Regisseur ist anders, wir sind wie Fingerabdrücke. Aber gleichzeitig war „Sicario“ auch ein Film, den ich sehr geliebt habe und thematisch und tonal war er schon nahe an meinen vorherigen Arbeiten. Daher war es für mich gar nicht so kompliziert, meinen ganz eigenen Film zu machen, aber gleichzeitig der Saga Respekt zu zollen. Das Kompliment gehört hier den Produzenten, denn sie haben anscheinend den richtigen Regisseur für diese Aufgabe gefunden.

    FILMSTARTS: Du konntest also ohne Einschränkungen deine eigene Vision verwirklichen?

    Stefano Sollima: Ja, absolut! Sonst hätte ich es auch nicht gemacht.

    Sicario 2

    FILMSTARTS: Eines der ikonischsten Merkmale des ersten Teils war die Musik von Jóhann Jóhannsson, der leider Anfang dieses Jahres tragisch verstarb. Warum habt ihr euch entschieden, für den zweiten Teil Hildur Guðnadóttir den Soundtrack komponieren zu lassen?

    Stefano Sollima: Ganz einfach. Eines der ersten Dinge, die ich zu den Produzenten sagte, war, dass sie mich auch meinen ganz eigenen Film machen lassen sollen. Für mich hieß das, dass ich auch ein komplett eigenes Team aufstelle. Und Hildur war von Anfang an meine erste Wahl. Aber einer der Hauptgründe dafür war natürlich auch, dass sie lange eng mit Jóhann zusammengearbeitet hat und unter anderem auch auf dem „Sicario“-Soundtrack Cello spielt. Gewissermaßen stammt sie aus derselben musikalischen Welt wie Jóhann. Zugleich verfügt sie über ihre ganz eigenen, speziellen Fähigkeiten.

    FILMSTARTS: Ich hatte das Gefühl, dass in deinem Film auch deutlich mehr Musik zu hören ist als in „Sicario“. Täuscht das?

    Stefano Sollima: Nein, das stimmt. Aber Musik ist ein großes Wort. Alles, was man auf dem Soundtrack hört, ist mit echten Instrumenten eingespielt worden und Hildur hat diese mit elektronischen Klängen kombiniert. Herausgekommen ist dann etwas, das für mich oft mehr superkomplexes Sounddesign ist als Musik im klassischen Sinne.

    Ein Lob von Denis Villeneuve

    FILMSTARTS:  Hast du Denis Villeneuve deinen Film eigentlich schon gezeigt?

    Stefano Sollima: Nein, aber ich weiß, dass er ihn gesehen hat. Er hat mir nämlich eine kurze Nachricht geschickt, die ich dir gerne vorlesen kann. Er schreibt: „Eine Wucht! Sollima hat eine meisterhafte Fortsetzung zu ‚Sicario‘ gedreht. Ich war weggeblasen!“ Zudem hat er mir auch einen Tag vor Drehbeginn schon eine wirklich süße und intelligente E-Mail geschrieben, in der er mir alles Gute wünschte. Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt noch nie getroffen, aber das war wirklich sehr nett von ihm.

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    FILMSTARTS: „Sicario 2“ ist deine erste englischsprachige Produktion. Inwiefern war es anders oder schwieriger für dich, einen Film in einer anderen Sprache zu inszenieren?

    Stefano Sollima: Meine letzte Arbeit „Gomorrha“ war auf Neapolitanisch, also im Grunde auch schon eine Art Fremdsprache. Aber großartig anders werden die Dreharbeiten dadurch auch nicht. Klar, als Regisseur muss man sehr genau und detailliert sein und das ist anspruchsvoller, wenn man nicht seine Muttersprache verwenden kann. Aber man geht trotzdem mit derselben Einstellung und derselben Leidenschaft in so ein Projekt. Im Endeffekt waren daher die größten Unterschiede zu meinen vorherigen Filmen, dass ich mit einem deutlich größeren Budget und mit prominenteren Darstellern arbeiten konnte.

    FILMSTARTS: Ich will das Ende von „Sicario 2“ natürlich nicht verraten, aber man könnte darin leicht eine Überleitung zu Teil 3 sehen. War das die Absicht hinter der letzten Szene?

    Stefano Sollima: Nein, auf keinen Fall. Ich liebe das Ende, weil es der Abschluss einer emotionalen Reise ist, aber ich habe dabei nicht an den dritten Teil gedacht. Aber wer weiß, wie es bei Taylor Sheridan aussieht, er hat bestimmt schon Ideen für „Sicario 3“ im Kopf.

    FILMSTARTS: Hättest du denn Lust, auch den Abschluss der Trilogie zu inszenieren?

    Stefano Sollima: Nein, ich denke nicht. Meine Arbeit ist getan.

    „Sicario 2“ läuft seit dem 19. Juli 2018 in den deutschen Kinos!

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