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    Nicht mal der Regisseur mag seinen Film: So hätte "Elysium" richtig gut werden können

    Heute Abend im TV: Mit seinem ambitionierten Sci-Fi-Film „Elysium” ist Neill Bloomkamp so gar nicht zufrieden. Daher würde der Regisseur sein Werk am liebsten noch einmal neu drehen. Unser Autor nennt fünf Dinge, die er besser machen müsste.

    Sony Pictures

    Achtung, der folgende Text enthält Spoiler zu „Elysium“!

    „Moment, das ist doch die Citadel!“ Dieser Gedanke ging vielleicht nicht nur mir bei der ersten Sichtung des „Elysium“-Trailers durch den Kopf. Die gigantische Raumstation des 2013 erschienenen Science-Fiction-Films erinnert in ihrer Architektur nämlich stark an die bekannte Weltraumstadt im Videospiel „Mass Effect“. In Wirklichkeit ist die Gestaltung von Elysium aber an den sogenannten Stanford-Torus angelehnt, eine Raumstation, die tatsächlich in den 1970er Jahren für die NASA konzipiert wurde, falls die Menschheit eines Tages von der Erde flüchten müsste.

    In Neill Bloomkamps „Elysium“ ist diese beängstigende Vorstellung längst zur Realität geworden. Im Jahr 2154 spielt die Zukunftsdystopie, in der die Kluft zwischen Arm und Reich schon über Planeten geht. Die wenig Begüteten und Kranken müssen auf der verwesenden Erde verweilen, während die Privilegierten und Super-Wohlhabenden sich auf der paradiesischen Raumstation Elysium niederlassen dürfen. Wie schon in seinem hervorragenden Debütwerk „District 9“ behandelt der südafrikanische Regisseur das Szenario gesellschaftskritisch und zeichnet auf der Erde ein fast schon postapokalyptisches Bild. Vielversprechend geriet „Elysium“ vor allem durch seine visuelle Kraft und das atemberaubende Szenenbild. Doch der 115 Millionen Dollar teure Film (Einspielergebnis: 286 Millionen Dollar) konnte seinen Erwartungen, die aus dem grandiosen Trailer hervorgingen, nicht gerecht werden und während unser Chefredakteur Carsten Baumgardt in seiner FILMSTARTS-Kritik immerhin noch solide drei Sterne vergab, ist das enttäuschende Sci-Fi-Werk bei mir glatt durchgefallen. „Elysium“ ist von massiven inhaltlichen Problemen geplagt und zerfressen von seiner oberflächlich subversiven Botschaft.

    Sony Pictures Releasing France

    Der größte Kritiker des Films dürfte aber wohl sein eigener Schöpfer sein. Regisseur und Autor Neill Bloomkamp ist nämlich mit seinem Sci-Fi-Actioner ziemlich unzufrieden und schiebt das vor allem auf sein Skript. „Mich beschäftigt es, wenn ich denke, dass ich Mist gebaut habe“, äußerte der Filmemacher im Jahr 2015. Vor einem Jahr berichteten wir, dass Bloomkamp gerne sogar noch einmal einen „Elysium“-Film drehen würde, einfach „um es besser zu machen“. Ob damit eine Fortsetzung gemeint ist oder gleich ein kompletter Neuversuch, ist zwar nicht klar, doch ich habe bereits fünf Vorschläge, mit denen der „District 9“-Regisseur einen deutlich besseren Film als bei seinem ersten Anlauf auf die Beine stellen könnte:

    Ein anderer Drehbuchautor

    Neill Bloomkamp hat ein riesen Talent für außergewöhnliche Ideen und schafft es, seine dystopischen aber durchaus realistischen Szenarien mit einem einzigartigen Art Design zu versehen. Doch alle Bloomkamp-Filme teilen das gleiche Problem: Sie haben kein gutes Drehbuch. Denn während der Johannesburger ein talentierter Regisseur ist, gehören Drehbücher nicht gerade zu seinen Stärken. Bloomkamp schreibt diese nämlich stets selbst, aber seine faszinierenden Welten kann er nie wirklich mit interessanten Geschichten und Figuren füllen. Gerade „Elysium“ wurde sein bemühtes Dramaturgie-Korsett zum Verhängnis. Daher sollte man nächstes Mal auf einen erfahrenen Drehbuchautor zurückgreifen, während Bloomkamp sich vom Skript zurückhält und lediglich an der grundlegenden Story mitwerkelt.

    Kein Kruger mehr

    Natürlich darf in einem Bloomkamp-Film Sharlto Copley nicht fehlen. Der Südafrikaner wurde durch seine Rolle in „District 9“ überhaupt erst zum professionellen Schauspieler und spielt seitdem in jedem Werk seines Haus-Regisseurs mit. Seinem langjährigen Freund und treuen Weggefährten gab Bloomkamp in „Elysium“ jedoch die fürchterliche Rolle des bösartigen Killers Kruger, ein nihilistischer Anführer eines Terrorkommandos, um für die Intrigantin Delacourt (Jodie Foster) ungeliebte Einwanderer von Elysium fernzuhalten. Während Foster als eiskalte Verteidigungsministerin die Fäden im Hintergrund zieht, dient Copleys superbrutaler Kruger als rein physischer Antagonist, um Hauptdarsteller Matt Damon das Leben zur Hölle zu machen. Bloomkamp setzt seinen Darstellerschützling jedoch derart übertrieben in Szene, dass dieser zur bloßen Karikatur verkommt. Gleich in seiner ersten Szene wirft der cholerische und wohl kaum mehr zurechnungsfähige Charakter seinen Grill vom Dach und schreit in die Welt hinaus: „Fuck your politics, man! Fuck you!“ Es sollte noch lange nicht das letzte „Fuck“ bleiben, durch die absurd radikale Darbietung Copleys samt kaum zu verstehendem Akzent fällt es mir jedenfalls schwer, die Prämisse des Films überhaupt ernst zu nehmen. Selbst eine Granate, die Krugers Gesicht zerfetzt, kann den Quälgeist nicht aufhalten, Bloomkamp belebt seine totgeglaubte Figur nämlich kurzerhand einfach wieder. Unsterblich sind in Actionfilmen offenbar nicht nur die Helden.

    Sony Pictures Releasing

    Mehr Grauzonen

    Von Subtilität kann man bei „Elysium“ ohnehin nicht sprechen. Die dystopische Welt darin ist nämlich pure Schwarz/Weiß-Malerei. Im Prinzip sind Matt Damons Max und seine auf der Erde verdammten Mitstreiter die Guten und die dekadenten Bewohner des sauberen Elysium die Schurken. Zwar ist Max ein Slumbewohner mit Vorstrafen und auch die ihm zur Seite stehenden Nebenfiguren wie der Gangsterboss Spider (Wagner Moura) sind nicht gerade Saubermänner, doch diesen Charakteren fehlt es an Tiefe und emotionalen Ankerpunkten. Auf der Gegenseite fällt Jodie Fosters Delacourt gleich noch einseitiger aus, sie ist schlichtweg böse und kennt keinerlei Mitgefühl. Bloomkamp trennt überhaupt seine zwei verschiedenen Welten zu stark voneinander ab und erlaubt nie eine andere Sichtweise auf die Geschehnisse. In einer neuen Variante von „Elysium“ würde ich mir daher weit mehr Raum für Zwischentöne und erzählerische Dissonanz wünschen, mit Figuren, die weniger hinter ihre Fassade blicken lassen, ihre eigenen Prinzipien hinterfragen und es mir vielleicht sogar freistellen, zu welcher Welt und welcher Bevölkerungsschicht ich eigentlich gehören möchte.

    Satire statt Drama

    Tief drin in „Elysium“ steckt das Potential der Ironie, die dem Gesellschaftsbild dieser Zukunft erst seine Aussagekraft verleiht. Etwa darin, dass die Szenen auf der verkommenen Erde in den dreckigen Slums von Los Angeles spielen, in Wirklichkeit aber in den Armenvierteln von Mexiko-Stadt gedreht wurden. Die amerikanische Wohlstandsgesellschaft ist längst zu dem geworden, von dem man sich durch eine eigene Mauer eigentlich fernhalten wollte (die Idee für den Film kam übrigens bei Bloomkamp tatsächlich durch einen Aufenthalt an der US-mexikanischen Grenze). Doch darüber hinaus fehlt es „Elysium“ an allen Ecken an Substanz und politischem Zündstoff. Obwohl der Regisseur ein deutliches Signal senden will, verliert er sich in einer weichgespülten Hollywood-Erzählung, bei der klar strukturierte Dramatik und explosive Schauwerte vor scharfzüngiger Satire stehen. Dabei würde „Elysium“ eine Prise mehr Sarkasmus sehr guttun, beispielsweise wie bei den Sci-Fi-Klassikern „Starship Troopers“ und „Total Recall“, bei welchen der Niederländer Paul Verhoeven einen zynischen wie entblößenden Blick auf die Fundamente unserer Gesellschaft wirft. Bloomkamp wählt für „Elysium“ dagegen den humanistischen Weg und glaubt an die Ideale seines Protagonisten. Eine Satire, bei der auch mal das Lachen im Halse stecken bleibt, wäre da deutlich interessanter.

    Ein anderer Anfang und ein anderer Plot Point

    Ganz besonders die Filme, die in einer uns völlig fremdartigen Welt spielen, stehen und fallen mit ihren ersten Minuten. Denn es gilt, uns in jene Welt einzuführen, möglichst so, dass wir nicht mehr von ihr wegwollen und sei sie noch so unbehaglich. „Blade Runner“ von Ridley Scott beginnt etwa mit der Nahaufnahme eines Auges, das dem düsteren Los Angeles der Zukunft entschlossen entgegenblickt, quasi so, als ob es für uns nun kein Zurück mehr gäbe. Denis Villeneuves „Sicario“ findet dagegen zwar in einem realen Setting in der Gegenwart statt, doch die brutale wie unmenschliche Szenerie in der Grenzregion vor Mexiko kommt uns so surreal vor, dass wir das Gefühl haben, uns dem hier gezeigten Schrecken zum ersten Mal richtig bewusst zu werden. Villeneuve  führt uns zu Beginn seines knallharten Drogenthrillers mit dem eskalierenden FBI-Einsatz innerhalb kürzester Zeit seine Realität gnadenlos effektiv und eindringlich vor Augen und genauso müsste der Anfang von „Elysium“ aussehen. Statt uns den Boden unter den Füßen wegzuziehen, geht Bloomkamp aber einen erschreckend uninspirierten Weg und erklärt uns mit Texttafeln haargenau, wie die Klassenteilung in seiner Zukunftsvision funktioniert.

    Hinzu wird in Form von kitschigen Rückblenden die Kindheit von Matt Damons Protagonist Max nacherzählt, damit wir diese schlichtweg langweilige Figur auch möglichst gut kennenlernen. Auch der erste Wendepunkt des Films ist ein Dorn für den Fortverlauf der Geschichte: Max wird bei einem Arbeitsunfall lebensgefährlich verstrahlt und muss zur verbotenen Raumstation Elysium, denn nur dort kann er geheilt werden. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Schicksal eines einzelnen Mannes und Bloomkamp verliert sein großes Ganzes mit all seinen Chancen endgültig aus den Augen. Nach diesem hektisch in Szene gesetzten Plot Point trete ich meine Heimreise aus der Immersion an, „Elysium” hat mich längst verloren, doch vielleicht komme ich bei einem zweiten Anlauf von Bloomkamp gerne wieder.

     

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