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    Meisterliche Fortsetzung: Unsere Kritik zur 2. Staffel "The Handmaid's Tale"

    Die erste Staffel „The Handmaid’s Tale“ war eine DER Serien-Sensationen 2017. Von der nun in Deutschland startenden zweiten Staffel haben wir vorab bereits neun Folgen gesehen und verraten euch, ob sich der erneute Ausflug nach Gilead lohnt.

    Hulu

    Die erste Staffel „The Handmaid’s Tale - Der Report der Magd“ entwickelte sich 2017 rasch zu einem der am meisten gefeierten neuen Serientitel aus den USA. Bei der Kritikensammelseite Rotten Tomatoes sind bärenstarke 95 Prozent aller 106 berücksichtigten Besprechungen positiv, bei der ähnlich gelagerten Webseite Metacritic steht der Durchschnittspunktewert bei exzellenten 92 von 100.

    Im Juli ist in den USA die zweite Staffel beim Streaming-Dienst Hulu zu Ende gegangen, die anders als bisher nicht mehr auf der gleichnamigen Buchvorlage von Margaret Atwood basiert – deren Geschichte wurde bereits in der ersten Staffel komplett umgesetzt. Aufgrund der Tatsache, dass eine Buchadaption nun ohne literarische Vorlage fortgeführt wird, dürfte sicher die ein oder andere Alarmglocke geschrillt haben. Schließlich enttäuschte uns erst kürzlich die zweite Season von „Tote Mädchen lügen nicht“, bei der es ebenfalls so ablief. Nach der Sichtung der ersten neun Folgen kann aber beruhigt festgehalten werden: Die zweite Staffel „The Handmaid’s Tale“ steht der ersten in nichts nach, übernimmt in nahezu jedweder Hinsicht deren Qualitäten und baut die Figuren und die Erzählwelt noch weiter aus.

    Darum geht’s

    Nachdem die schwangere June alias Desfred (Elisabeth Moss) von den Herrschenden im christlich-fundamentalistischen Staat Gilead zu einer Dienstmagd gemacht wurde, deren einziges Ziel die Geburt von Nachkommen ist, scheint sich das Blatt zunächst einmal für sie zu wenden: Nach einem langen Martyrium sitzt sie im Laderaum eines Wagens, in den sie schwer bewaffnete Wachen gebracht haben. Zuvor hatte ihr Nick (Max Minghella) noch zugeflüstert, dass es in Ordnung sei – aber kann sie ihm tatsächlich vertrauen?

    Unterdessen schuftet Emily (Alexis Bledel) in den Kolonien und muss tagein tagaus mit radioaktivem Müll arbeiten, der sie und andere langsam aber sicher zugrunde richtet. Alles scheint wie gehabt zu sein in Gilead, aber langsam aber sicher wird der Widerstand stärker. Und auch in Serena Joy (Yvonne Strahovski), Gattin von Commander Fred Waterford (Joseph Fiennes), werden die Zweifel am System immer stärker...

    George Kraychyk/Hulu

    Nahtloser Übergang

    Dem Zuschauer bleibt gleich zu Beginn der ersten Episode der zweiten Staffel „The Handmaid’s Tale“ keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, dass die Serie nicht mehr konkret auf einem Buch basiert und ob sich dieser Umstand überhaupt in irgendeiner Form manifestieren wird. Im Gegenteil, die Auftaktfolge beginnt genau an der gleichen Stelle, wo die erste Season aufhörte und verspricht damit eine erzählerisch nahtlose Fortführung der bislang bekannten Ereignisse.

    Während das Fans der Serie sofort ins dramatische und, so viel sei verraten, erneut äußerst beklemmende Geschehen wirft, artikuliert sich darin aber auch das starke Vertrauen aller Beteiligten in ihre Fähigkeiten. Durch den Bildschirm hindurch erhält man den Eindruck, dass die Macher eine klare Ansage abliefern wollten: Yes, we can! Wir können auch ohne eine weitere, zuvor veröffentlichte, inhaltliche Basis die Geschichte so gut weitererzählen, dass man den Unterschied nicht bemerken wird. Ein Versprechen, das über die gesamte Laufzeit der ersten neun Folgen auch eingehalten wird.

    Höhen und Tiefen

    Im Zentrum steht dabei zweifelsohne die Reise von June, die erneut von Elisabeth Moss grandios verkörpert wird. Sie alleine macht in der neuen Staffel einige bemerkenswerte und für den Zuschauer aufregende Entwicklungen durch, die sich mit Höhen und Tiefen am besten umschreiben lassen, wobei sie in Bezug auf ihre Tochter Hannah (Jordana Blake) sogar eine schwerwiegende Entscheidung trifft. Als Schwangere in einer Zeit, in der Unfruchtbarkeit eine der größten Sorgen der Menschheit ist, verfügt sie zudem selbst als unterdrückte Frau über ein gewisses Maß an Macht, die sie, so gut es geht und immer wieder aufs Neue, auszuspielen versucht.

    In ihrer wechselhaften und komplizierten Beziehung zu Serena Joy wird das am besten deutlich, schließlich trägt sie das Kind in sich, das sich Serena so sehnlichst wünscht. Mehr noch als zuvor wirken die Interaktionen dieser beiden starken Frauen besonders tragisch: Immer wieder wird deutlich, dass es zwischen June und Serena Gemeinsamkeiten gibt und sogar eine zaghafte Wertschätzung füreinander existiert. Auch June erkennt das an, als sie an einem Punkt sagt, dass sie unter anderen Umständen Kolleginnen hätten sein können.

    George Kraychyk/Hulu

    Yvonne Strahovskis Show

    An einer anderen Stelle versucht sich June in einem toll gespielten und in einem einzelnen Take gefilmten Gespräch mit anderen Mägden an ein Lokal zu erinnern, dass sie noch aus der Zeit vor Gilead kannte – und es ist Serena, die kurz den Namen des Restaurants einwirft und von deren Köstlichkeiten schwärmt. Für einen Moment blitzt ein gewöhnliches Leben aus einer längst vergangenen Zeit auf, in dem die sonst so autoritär auftretende Serena wie eine völlig unbeschwerte Frau wirkt, die das Leben einst genossen hat. Umso bedauerlicher ist es, dass dem nicht mehr so ist.

    Überhaupt bekommt Serena Joy eine spannende Entwicklung von den Autoren spendiert, die sie noch mehr als zuvor zu einer der wichtigsten Figuren der gesamten Serie macht und womöglich darüber hinaus auch dafür sorgt, dass ihr noch eine absolut wichtige und zentrale Rolle innerhalb der Geschichte zukommen wird. Denn das Vertrauen der bisherigen Hardlinerin in ihren Gatten Commander Waterford und insbesondere in Gilead beginnt zu bröckeln. Langsam, aber sicher wächst die Sehnsucht nach früher, insbesondere als die Waterfords eine diplomatische Reise ins benachbarte Kanada antreten und ihnen dort der Spiegel und ein möglicher, anderer Frieden vorgehalten werden. Yvonne Strahovski nutzt den erhöhten Fokus auf ihre Figur und bringt die innere Zerrissenheit Serenas auf den Punkt genau zum Ausdruck und mausert sich neben Moss zum Star der Staffel.

    Natürlich ruft auch das übrige Ensemble wieder einmal formidable Leistungen ab. Insbesondere Ann Dowd, die in ihrer emmyprämierten Rolle als Tante Lydia zurückkehrt und erneut den perfekten Spagat zwischen liebevoller Fürsorge und furchteinflößender Handlangerin des Systems schafft. Ebenfalls für „The Handmaid’s Tale“ zu Recht mit einem Emmy bedacht wurde „Gilmore Girl“ Alexis Bledel, die wieder Emily spielt.

    Kraychyk/Hulu

    Größere Erzählwelt

    Emily ist auch die Hauptfigur in einem Nebenhandlungsstrang der zweiten Staffel, der einen gänzlich neuen Schauplatz innerhalb der Serie offenbart: Die Kolonien. In der ersten Season wurden sie bereits erwähnt, nun spielen zahlreiche Szenen an dem unwirtlichen Ort, an den ungehorsame und für das System nicht nützliche Frauen gebracht werden, um bis zu ihrem langsamen Tod im radioaktiven Dreck zu wühlen.

    Dabei ruft der Anblick dreckiger Gefangener, die von den Wachen misshandelt werden, in heruntergekommenen Behausungen unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und die Leichen anderer auf Schubkarren wegbringen müssen, Bilder von Konzentrationslagern während des Holocausts ins Gedächtnis. Eine Assoziation, die durch die Anwesenheit einer jüdischen Dienstmagd, die auch noch auf hebräisch eine provisorische Hochzeitszeremonie durchführt, nur verstärkt wird.

    Die dargestellte Welt wird allerdings nicht nur geografisch erweitert: Mehrere Figuren erhalten durch wieder einmal zahlreich eingesetzte Rückblenden noch mehr Profil und außerdem werden auch Gilead neue, schockierende Aspekte hinzugefügt, die ein noch dichteres und schrecklicheres Bild des totalitären Staates zeichnen. Dazu zählt unter anderem die Zwangsverheiratung minderjähriger Mädchen an verdiente Wachen, die hirngewaschen nur noch darauf aus sind, eine gute Ehefrau zu sein und möglichst auch ein Kind in die Welt zu setzen. All diese neuen Ideen und Hintergründe fügen sich perfekt in die zuvor etablierte Welt ein und machen deutlich, wie behutsam die Autoren zu Werke gingen, um im Geiste der ursprünglichen Vorlage diese sinnvoll zu ergänzen.

    George Kraychyk/Hulu

    Relevant, aber weniger subtil

    Holocaust, Zwangsheirat – das sind nur einige der vielen und mitunter gegenwärtig relevanten Themen, die in der zweiten Season „The Handmaid’s Tale“ behandelt oder zumindest angeschnitten werden. Schon vorher klangen viele Parallelen zur derzeitigen Trump-Administration und dem allgemeinen, politischen Klima in den USA an und diese werden noch stärker herausgestellt:

    Im eindeutig homophoben Gilead, wo Homosexuelle entweder in die Kolonien abgeschoben oder gleich hingerichtet werden, entdeckt June eines Tages einen Sticker mit Regenbogenfarben und dem englischen Wort für „Stolz“ an der Wand kleben – die Kamera rückt den Aufkleber in den Fokus, der ganz klar auf den realen „Gay Pride“-Begriff der Lesben- und Schwulenbewegung hinweist. Auch das Feindbild Islam hat einen kurzen Moment in Form einer kleinen Familie, die, wie June herausfindet, ihren Glauben nur heimlich praktiziert, während sie sich nach außen hin als brave Kirchengänger geben. In einer Rückblende klingt auch die aktuelle MeToo-Bewegung an, als bei einer Demonstration Frauen die Namen ihrer Vergewaltiger auf Zettel geschrieben und diese verbrannt haben.

    Es sind Momente wie diese, in denen die eigene inhaltliche Relevanz eine Spur zu dick aufgetragen und penetrant dem Zuschauer unter die Nase gerieben wird, wobei die Serie der Grenze zur Plumpheit gefährlich nahe kommt. Der ersten Staffel gelang es besser, derlei Themen in der fiktionalen Welt einzubetten und aus dieser heraus die aktuelle Realität zu kommentieren, ohne auf allgemein in unserer Gesellschaft bekannte Signale zurückzugreifen. Die vorhersehbare und tumbe Entwicklung, bei der ein todkrankes Kind nur durch die Kraft echter mütterlicher Liebe wieder gesund wird, schlägt aufgrund ihrer im Kontext der Serie geradezu irritierenden Trivialität in eine ähnliche Kerbe.

    Take Five/Hulu

    Handwerk zum Niederknien

    Derlei Fehltritte sind aber deshalb nur so auffällig, weil es derer so wenige gibt und im Grunde ist das auch nur Erbsenzählerei. Denn insgesamt bietet die neue Staffel wieder extrem spannende Unterhaltung auf künstlerisch beachtlichem Niveau: Erneut sticht vor allem die Bildgestaltung buchstäblich ins Auge – was kinematographisch bei „The Handmaid’s Tale“ aufgefahren wird, zählt visuell wohl zum Schönsten, was der Film- und Serienfan in jüngerer Vergangenheit zu sehen bekam.

    Ungewöhnliche wie einfallsreiche Kadrierungen wechseln sich mit stimmungsvollen Totalen ab, in denen entweder die Leere des Raumes betont wird oder aber Figuren und Objekte zu kleinen Kunstwerken arrangiert werden. Dazu noch die stets atmosphärische Lichtsetzung und sehr sparsam eingesetzte, dann aber stets den dramatischen Effekt maximierende Zeitlupen und fertig ist die Hitserie, in der Filmkunst groß geschrieben wird.

    Fazit

    Die zweite Staffel „The Handmaid’s Tale“ ist eine absolut würdige Fortführung der Serie: Wunderschön inszeniert und stimmig wie spannend erzählt, erscheinen die neuen Folgen, als wären sie von Anfang an geplant gewesen. Dass sie nun eine eigenhändige Fortsetzung des Quellmaterials darstellen, merkt man ihnen zu keiner Sekunde an. Getragen von einer Ausnahmebesetzung und noch immer in der faszinierenden wie bedrückenden Zukunftsvision von Gilead situiert, wo grausame Dinge zum Nachdenken anregen, bleibt nur noch zu sagen: Anschauen ist Pflicht!

    Die neue Season „The Handmaid’s Tale - Der Report der Magd“ feiert ab dem 2. August 2018 beim Telekom-Streamingdienst EntertainTV Serien ihre Deutschlandpremiere. Wöchentlich wird dann immer eine der insgesamt 13 Folgen veröffentlicht. Darüber hinaus darf auch wie zuvor schon mit einer späteren Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray gerechnet werden. Eine dritte Staffel wurde übrigens bereits in Auftrag gegeben.

     

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