Schon mit seinem Spielfilm-Debüt als Regisseur rührte Damien Chazelle kräftig die Werbetrommel für sich selbst: Das Musikdrama „Whiplash“ ging bei der Oscarverleihung 2015 in fünf Kategorien an den Start und in dreien davon (Bester Schnitt, Bester Nebendarsteller und Bester Ton) schließlich sogar als Sieger hervor. Chazelle selbst war für sein Drehbuch nominiert. Doch der ganz große Trophäenregen wartete dann 2017 auf den jungen Filmemacher: Gleich 14 Mal war sein Hollywood-Musical „La La Land“ nominiert, sechs Mal holte es den Sieg. Mit seinen 32 Jahren wurde Chazelle zudem zum jüngsten Gewinner des Regie-Oscars.
Selbstverständlich sind nun alle Augen auf das nächste Projekt des „Wunderkindes“ gerichtet und das erwartet uns ab dem 11. Oktober 2018 in den deutschen Kinos. Mit „Aufbruch zum Mond“ – so der deutsche Titel von „First Man“ – widmet er sich zum ersten Mal in seiner Regie-Karriere einem Thema abseits der Musik, denn im Mittelpunkt steht Neil Armstrong, der 1969 als erster Mensch einen Fuß auf die Oberfläche des Mondes setzte.
Nun wurde der erste deutsche Trailer zu „Aufbruch zum Mond“ mit Ryan Gosling in der Hauptrolle veröffentlicht, den ihr euch oben anschauen könnt, und zu diesem Anlass durften wir uns mit Damien Chazelle unterhalten. Unter anderem erzählte uns der Regisseur, auf was für eine Art Film wir uns eigentlich freuen dürfen, warum Gosling die perfekte Besetzung ist und ob er nach seinem Flug zum Mond auch den Schritt in eine weit entfernte Galaxis wagen und einen „Star Wars“-Film inszenieren würde.
FILMSTARTS: Anfang der 2000er, lange bevor du als Regisseur von „Aufbruch zum Mond“ verpflichtet wurdest, wollte schon Clint Eastwood einen Film über Neil Armstrong und die Mondlandung machen. Hast du dieses Projekt quasi übernommen oder ist es „dein Baby“?
Damien Chazelle: Das sind tatsächlich zwei völlig verschiedene Projekte über Neil Armstrong. Clint Eastwood wollte ein klassisches Biopic über ihn machen. Als ich dann jedoch begann, mich dafür zu interessieren und mich über Apollo 11 schlau zu machen, war mir schnell klar, dass bei mir die Mondlandung und die ganze Mission im Fokus stehen sollen, erzählt aus der Sicht von Neil. Es wird also kein klassisches Biopic, sondern vielmehr ein Abenteuer. Der Film beginnt, wenn Neil zur NASA kommt und endet mit der Mondlandung. Es geht allein um diese Zeit in seinem Leben.
FILMSTARTS: Also würdest du sagen, dass „Aufbruch zum Mond“ eher ein Film über die frühen Tage der Raumfahrt ist, als über die Person Neil Armstrong?
Damien Chazelle: Es ist ein Film darüber, wie Neil Armstrong zu eben dieser Zeit war. Aber eigentlich ist es auch vielmehr ein Film über die große Frage, was man opfern muss, um ein großes Ziel zu erreichen. Das Ziel ist in diesem Film natürlich, einen Mann auf den Mond zu bringen und wir zeigen, wie und wodurch diese erstaunliche Leistung erbracht werden konnte. Und das wird erzählt durch die Augen von Neil, bzw. nicht nur von ihm, sondern auch von seiner Familie, seiner Frau und seiner Kinder. Es ist alles in allem eine sehr subjektive und intime Schilderung der Ereignisse rund um die Mond-Mission.
Der alternativlose Ryan Gosling
FILMSTARTS: Stand Ryan Gosling denn bereits als Hauptdarsteller fest, als du zum Projekt gestoßen bist, oder ging diese Besetzung von dir aus?
Damien Chazelle: Nein, damals war noch niemand sonst an Bord. Als erstes kam Josh Singer [Anm. d. Red.: Gewann 2016 den Oscar für sein Skript zum Journalismus-Thriller „Spotlight“] an Bord, der das Drehbuch schrieb, und dann auch schon Ryan.
FILMSTARTS: Und warum ist Ryan Gosling in deinen Augen die perfekte Besetzung für Neil Armstrong?
Damien Chazelle: Da ist dieser stille Heroismus, den er perfekt darstellen kann. Neil war ein Mysterium für viele und ein sehr, sehr privater Mensch, im Gegensatz zu einigen seiner Astronauten-Kollegen. Ryan ist es gelungen, dieser rätselhaften Figur eine gewisse Menschlichkeit zu verleihen, ohne dabei jedoch seine stille und zurückhaltende Art zu verfälschen. Als ich mich zum ersten Mal mit einem Film über Neil beschäftigte, war Ryan der erste und einzige Name, der mir in den Sinn kam.
FILMSTARTS: Gibt es irgendwelche Filme, die du dir zum Vorbild genommen hast? Zum Beispiel die thematisch verwandten „Der Stoff aus dem die Helden sind“ oder auch „Apollo 13“?
Damien Chazelle: Hauptsächlich haben wir uns Archivmaterial vom Programm selbst und aus dieser Ära angeschaut. Wir wollten so viel wie möglich davon sehen und daraus auch unsere Inspiration ziehen. Also haben wir uns zeitgenössische Magazine angesehen, die berühmten Fotos des Time Magazins oder auch verschiedene Homestorys der Astronauten. Aber genauso auch offizielle NASA-Mitteilungen und Originalaufnahmen der Einsatzleitung sowie der Mission selbst. Unsere Intention war zudem, dass sich der Film wie eine Dokumentation anfühlt, weswegen wir uns im Vorfeld auch viele Filme von Frederick Wiseman oder den Maysles-Brüdern angeschaut haben [Anm. d. Red.: Drei der bekanntesten und profiliertesten Dokumentarfilmer des 20. und 21. Jahrhunderts. Wiseman machte zuletzt zum Beispiel die 5-Sterne-Doku „Ex Libris – The New York Public Library“, von Albert und David Maysles stammt unter anderem die berühmte Rolling-Stones-Dokumentation „Gimme Shelter“].
FILMSTARTS: Habt ihr euch auch mit Buzz Aldrin und Michael Collins unterhalten, den beiden noch lebenden Astronauten der Apollo-11-Mission? Haben sie euch Ratschläge gegeben?
Damien Chazelle: Ja, sie waren beide großartig, kamen zum Set und haben sich mit den Schauspielern, von denen sie verkörpert werden, unterhalten. Aber vorher haben auch schon Drehbuchautor Josh Singer und ich mit ihnen gesprochen. Insgesamt haben wir versucht, mit jedem zu reden, der etwas mit der Geschichte zu tun hatte. Wir wollten so viele Hintergrundinformationen wie möglich sammeln, um dem Film seine Struktur zu verleihen. Also haben wir viel Zeit mit Neil Armstrongs Kindern verbracht, mit seiner ersten Frau und mit verschiedenen Leuten, die mit Neil zusammengearbeitet haben. Und natürlich auch mit Michael Collins, Buzz Aldrin und ihren Familien. Im Grunde haben wir mit jedem geredet, der uns irgendwas erzählen konnte. Selbstverständlich auch mit James Hansen, der die Buchvorlage geschrieben hat [Anm. d. Red.: „First Man – Neil Armstrong: Der erste Mensch auf dem Mond“, eine autorisierte Biographie über Armstrong].
Musik als essentieller Bestandteil
FILMSTARTS: Bei „Whiplash“ und „La La Land“ stand das Thema Musik eindeutig im Mittelpunkt, bei „Aufbruch zum Mond“ ist dies nicht mehr der Fall. Dennoch hast du erneut mit Justin Hurwitz zusammengearbeitet. Wie wichtig ist seine Musik für den Film und für das Filmerlebnis?
Damien Chazelle: Ich habe mich mit Justin darauf geeinigt, dass Musik ein essentieller Bestandteil jedes Filmes sein muss. Also auch, wenn Musik nicht das Thema das Films ist, ist sie immer noch genauso wichtig für die Komplexität, das Gefühl und die Struktur des Films. Es hat auch sehr viel Spaß gemacht, mit neuen Klängen herumzuspielen, zu experimentieren und in Sachen Musik neue Dinge auszuprobieren. Aber im Grunde ist es dieselbe Arbeitsweise wie zuvor: Justin hat an den Melodien gearbeitet, während wir am Skript saßen und hat Themen komponiert, die wir dann teilweise schon am Set eingespielt haben, um den Schauspielern die vorherrschende Stimmung zu vermitteln. Außerdem saß Justin auch immer imselben Gebäude, direkt gegenüber von meinem Büro. Es war daher im Prinzip genau der gleiche Vorgang wie schon bei „Whiplash“ und „La La Land“.
FILMSTARTS: Letzte Frage. Nachdem du nun mit diesem Film schon zum Mond aufgebrochen bist, würdest du die Reise auch in eine weit, weit entfernte Galaxis fortsetzen und irgendwann einmal einen „Star Wars“-Film inszenieren?
Damien Chazelle: (lacht) Nein, ich denke nicht. Ich schaue die Filme wirklich gerne, aber dafür bin ich wohl nicht der Richtige. Um ehrlich zu sein, weiß ich gerade überhaupt nicht, was ich als nächstes machen werde. Momentan bin ich noch komplett im „First Man“-Tunnel. Und danach werde ich wahrscheinlich erstmal ein wenig schreiben, bevor ich mir Gedanken mache, was danach kommt.
Neben Titelheld Ryan Gosling gehören unter anderem noch Claire Foy („The Crown“) als dessen Ehefrau Janet Armstrong, Corey Stoll („Ant-Man“) und Lukas Haas („The Revenant“) als Apollo-11-Astronauten Buzz Aldrin und Michael Collins sowie Jason Clarke („Planet der Affen: Revolution“) und Jon Bernthal („The Walking Dead“) zur namhaften Besetzung. Hier könnt ihr euch den ersten Trailer zu „Aufbruch zum Mond“ noch mal in der englischen Originalfassung ansehen: