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    Schöne, brutale Dschungelwelt: Wir haben Regisseur Andy Serkis zum ersten "Mogli"-Trailer ausgefragt

    Mit „Mogli“ bringt Andy Serkis eine düstere Version des Dschungelbuchs ins Kino. Im Interview zur Trailerpremiere verrät er uns, wie er Benedict Cumberbatch in einen Tiger verwandelt hat und wie sich sein Film von den Disney-Adaptionen unterscheidet.

    Warner Bros.

    Er bezeichnet sich selbst als „Motion-Capture-Pionier“ – und wir stimmen ihm völlig zu! Deswegen war es besonders interessant für uns, mit Andy Serkis über den ersten Trailer zu seiner „Dschungelbuch“-Adaption „Mogli“ zu sprechen. Denn zum ersten Mal hat Serkis, Darsteller der legendären Kreaturen Gollum aus „Der Herr der Ringe“ und Caesar aus „Planet der Affen“, einen Film mit Motion-Capture-Geschöpfen selbst inszeniert.

    Der Trailer macht schon einmal ordentlich Lust auf den Kinostart von „Mogli“ am 25. Oktober 2018, nicht zuletzt wegen des großen Star-Casts, bestehend aus Benedict Cumberbatch, Christian Bale, Cate BlanchettNaomie Harris und Andy Serkis selbst. Und Regisseur Serkis und sein Team beherrschen die Motion-Capture-Technologie inzwischen schon auf einem so hohen Niveau, dass es tatsächlich wirkt, als seien die menschlichen Darsteller mit den von ihnen gespielten Tieren verschmolzen. Doch abgesehen von der technischen Finesse – was dürfen wir uns noch von der neuesten „Dschungelbuch“-Verfilmung versprechen?

    FILMSTARTS: Im Trailer wird gleich zu Beginn klargestellt, dass es sich bei dem Film um eine erwachsenere Adaption der berühmten Geschichte über das Waisenkind Mogli handeln wird. Warum hast du dich als Regisseur für einen düsteren Tonfall entschieden?

    Andy Serkis: Es war mir klar, als ich das Drehbuch gelesen habe, dass dies eine Version der Geschichte ist, die man bisher noch nicht gesehen hat. Es erzählt die zentrale Geschichte von Mogli als Außenseiter auf der Suche nach seiner eigenen Identität. Wir werden mehr davon sehen, wie sich Mogli versucht in der Menschenwelt zu assimilieren, nicht nur in der Welt der Tiere. Die Geschichte ist auch viel stärker in der tatsächlichen Lebenswelt von Rudyard Kipling, dem Autor der berühmten Buchvorlage, angesiedelt. Kipling hat „Das Dschungelbuch“ 1894 geschrieben und ist ein Kind des Kolonialismus und Imperialismus, und die Geschichte kann davon nicht einfach losgelöst werden. Und viele Leute wissen auch gar nicht, dass das Dschungelbuch eine Erzählung ist, die von Kipling geschrieben wurde. Sie denken zuallererst natürlich an den Zeichentrickfilm von 1967 und jetzt auch an den letzten Disney-Film „The Jungle Book“. Wir aber gehen zurück zu den Wurzeln.

    FILMSTARTS: Das Buch ist auch ganz schön brutal. Werden Kinder den Film überhaupt sehen dürfen?

    Andy Serkis: Wir haben ihn bereits einschätzen und werten lassen. Er ist PG-13, aber ich glaube, je nachdem, welche Art von Erziehungsberechtigter man ist, könnte man grundsätzlich Kinder ab 9 oder 10 Jahren mit in den Film nehmen, definitiv aber keine jüngeren Kinder. Es gibt Brutalität im Dschungel, der Film beinhaltet einige düstere Elemente – aber das ist eben die Natur des Buches.

    FILMSTARTS: Im Film wird es neben Mogli und den Tieren auch weitere menschliche Figuren geben. Spielt die Zivilisation eine größere Rolle als in anderen Adaptionen?

    Andy Serkis: Ja, das tut sie tatsächlich. Wenn Shir Khan, der Vermittler des Chaos in unserer Geschichte, zurückkommt, ist es im Dschungel zu gefährlich für Mogli. Da er um seiner Sicherheit willen bei den Menschen leben muss, muss er sich auch mit deren Bräuchen und ihrer Lebensweise vertraut machen. Er lernt die verschiedenen Gesetze beider Seiten kennen. Beide haben ihre eigenen Regeln, die Welt der Menschen und die der Tiere. Und in beiden gibt es auch Schwierigkeiten.

    Der Tiger in Benedict Cumberbatch

    FILMSTARTS: Du hast gerade schon von dem Tiger Shir Khan gesprochen. Er wird gespielt von Benedict Cumberbatch und man sieht ihn auch im Trailer. Das Erstaunliche ist, dass er auch irgendwie genauso aussieht wie Benedict Cumberbatch, nur halt eben als Tiger! Das ist unglaublich. Wie lassen sich menschliche Gesichtsausdrücke auf ein Tier übertragen? Die Affen in den „Planet der Affen“-Filmen haben ja sowieso schon ähnliche Gesichtszüge wie wir Menschen - aber wie überträgt man sowas bitte auf Tiger oder Schlangen?

    Andy Serkis: Das ist eine der größten Herausforderungen und einer der Gründe, warum ich dieses Projekt angenommen habe. Meiner Meinung nach ist es schon immer unglaublich schwierig gewesen, sprechende Tiere in einer fotorealistischen Welt richtig gut darzustellen. Es funktioniert nicht, wenn man einfach ein dokumentarisch gefilmtes, reales Tier in einer Stimmkabine vertont. Wir mussten diese Tiere also sehr sorgfältig designen. Was du gerade beschrieben hast, ist exakt das, was ich gehofft hatte zu erreichen. Wir haben auf der einen Seite des Spektrums das Tigerdesign und auf der anderen Seite das Gesicht von Benedict Cumberbatch genommen. Dann haben wir sein Gesicht gemorpht, wir haben es verzerrt und auseinandergezogen, damit es immer mehr aussieht wie das des Tigers. Und an irgendeinem Punkt auf diesem Spektrum liegt der "sweet spot" – der Punkt der optimalen Wirkung. Wenn wir den gefunden haben, bauen wir darauf unsere Gesichtsausdrücke auf. Als Schauspieler, Regisseur und, ich nehme an, Performance-Capture-Pionier war es für mich besonders wichtig, dass wir das absolut richtig hinbekommen.

    FILMSTARTS: Bei den „Planet der Affen“-Filmen haben sich die Schauspieler am Set auch wie Affen bewegt. Wie habt ihr das hier gemacht? Ist Cate Blanchett, die Kaa spielt, am Set als Schlange herumgerobbt?

    Andy Serkis: Hier kam eine sehr spezifische Hybrid-Form zum Einsatz, um die Tiere zu kreieren. Wir haben erst einmal drei Wochen mit unserem Haupt-Cast geprobt und gedreht, mit am Kopf montierten Kameras und Punkten im Gesicht der Schauspieler, mit Hilfe derer der Computer ihre Mimik erfassen konnte. Wir haben Sets gebaut, in denen die Darsteller spielen und sich an den richtigen Größen- und Höhenverhältnisse orientieren konnten - aber das waren noch nicht die eigentlichen Sets. Mogli-Darsteller Rohan Chand (Mowgli) hat dort mit den anderen Schauspielern arbeiten können.

    Dann haben wir unsere echten Sets gebaut, in den Leavesden Studios in London und vor Ort in Südafrika, wo vor allem die Szenen im Dorf stattfinden. Und dann kamen Performance-Capture-Künstler ans Set und haben die Arbeit der Stars fortgeführt. Rohan Chand hatte die Szenen bereits vorher mit der eigentlichen Besetzung durchgespielt, so dass deren Mimik und Emotionen eingefangen werden konnten, an den Realsets interagierte er dann zum Beispiel mit Schaumstoffköpfen, um ein Gefühl für die Größe der Tiere zu bekommen.

    Warner Bros.

    FILMSTARTS: Das klingt echt abgefahren. Wieviel von dem Film wurde denn tatsächlich draußen gedreht? Ist das nicht schwierig zu machen, auch wenn die Performance-Capture-Technologie bereits so weit fortgeschritten ist?

    Andy Serkis: Eigentlich nicht. Man kann überall drehen. Das haben wir bei den „Affen“ auch schon gemacht. Es ist mittlerweile wirklich sehr viel einfacher geworden. Größtenteils wurden die Dschungelsets im Studio gebaut, wir hatten da gigantische, wunderschön gestaltete Flora und Fauna, Wasserfälle und so weiter. Das Dorf haben wir komplett draußen in Südafrika aufgebaut. Da haben wir etwa einen Monat gedreht. Dazu kommen natürlich noch Luftaufnahmen und die Totalen und so weiter und so fort. Der Rest wurde im Studio gedreht.

    FILMSTARTS: Die Tiere im Film sprechen wie Menschen, zu hören sind die Stimmen der Stars. Werden sie zeitweise aber auch Tierlaute machen, in etwa so wie Caesar in „Planet der Affen“? Und wenn ja, wurden diese auch von den Schauspielern produziert?

    Andy Serkis: Caesar wurde ja durch einen Wirkstoff, der seine Intelligenz fördert, transformiert. Da gab es eine Evolution und auch eine Veränderung in der Kommunikation. Von Affenlauten über Zeichensprache zu menschlicher Sprache. Hier starten wir aber gleich mit der Prämisse, dass diese Tiere reden können. Das ist eine andere Voraussetzung. Allerdings: Ein wichtiges Element, das man braucht, damit ein sprechendes Tier lebendig wirkt, ist sein Schnaufen. Das bekommt man nicht, indem man in einer Kabine steht und in ein Mikrofon spricht, das bekommt man, indem man die Rolle tatsächlich körperlich spielt. Das Schnaufen und die Dialoge hängen direkt miteinander zusammen. Außerdem wird Benedict beispielsweise brüllen wie ein Tiger und wir nutzen zusätzlich echtes Tigergebrüll, um das noch zu verstärken. Das machen wir tatsächlich bei allen Tieren. Wir nutzen natürliche Tiergeräusche, wenn die Figuren zum Beispiel aggressiv werden.

    Anders als bei Disney: "Mogli" ist kein Musical

    FILMSTARTS: Und wird es im Film Gesang geben, so wie man es von den Disney-Adaptionen kennt?

    Andy Serkis: Nein. Naja, doch. Es gibt schon Lieder. Aber sie werden nicht von den Tieren gesungen. Es gibt Gesang im Dorf, traditionelle indische Musik. Die Geschichte ist zur Jahrhundertwende im kolonialisierten Indien angesiedelt. Es wird Musik vorkommen, die sich anhört, als wäre sie aus dieser Zeit.

    FILMSTARTS: Du selbst bist mittlerweile natürlich ein absoluter Experte auf dem Gebiet, Tiere zu spielen. Du spielst Balu in diesem Film, du warst Caesar und natürlich auch King Kong. Gibt es ein Tier, das du noch nicht gespielt hast, aber gerne einmal spielen würdest? 

    Andy Serkis: [lacht] Ich weiß nicht. Da gibt es einen ganzen Haufen. Das nächste Projekt, an dem ich arbeite, und bei dem wir sogar schon vor diesem mit der Produktion angefangen haben, ist „Animal Farm“, da spiele ich sogar auch wieder ein Tier. Das mache ich dann irgendwann demnächst.

    FILMSTARTS: Wo du gerade schon von anderen Projekten sprichst, kürzlich gab es Gerüchte zu einer „Tim und Struppi“-Fortsetzung. Weißt du etwas darüber?

    Andy Serkis: Ich höre davon heute zum ersten Mal. Ich weiß gar nichts darüber. Ich würde unglaublich gern einen neuen „Tim und Struppi“ machen und wieder Captain Haddock spielen. Was ich weiß, ist nur, dass Peter Jackson schon seit langem einen „Tim und Struppi“-Film machen will, ich hoffe, dass das tatsächlich zustande kommt. Ich habe gerade von dir erfahren, dass es Pläne gibt [lacht] - wenn das nicht stimmt, werde ich dich dafür zur Rechenschaft ziehen.

     

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