Achtung: Der nachfolgende Artikel enthält SPOILER zum Ende von „Jessica Jones“! Weiterlesen auf eigene Gefahr!
Zum Ende der zweiten Staffel der Marvel-Serie „Jessica Jones“ hat die titelgebende Heldin (Krysten Ritter) nicht nur einige sehr persönliche Rückschläge verkraften müssen, sondern steht auch so alleine da wie nie zuvor. Zwar hat sie in Hausmeister/Künstler Oscar (J.R. Ramirez) einen neuen Lover und mit dessen Sohn Vido (Kevin Chachon) zusammen möglicherweise auch eine neue Familie gefunden, dafür aber durch den gewaltsamen Tod ihrer Mutter (Janet McTeer) gleich zwei Familien verloren. Denn für den Mord war schließlich ihre Freundin Trish Walker (Rachael Taylor) verantwortlich. Auch im Verhältnis zu Detektiv-Azubi, Freund, Kollege und Nachbar Malcolm (Eka Darville) steht es nicht zum Besten, ist dieser Jessica doch nach ihrer Meinung in den Rücken gefallen, während er – von ihr enttäuscht – erstmal auf Abstand zu ihr gegangen ist und sein berufliches Heil beim Konkurrenten Pryce Cheng (Terry Chen) sucht.
Wie geht es also weiter für die trinkfeste, notorisch schlecht gelaunte Detektivin, deren eh schon überschaubarer Freundeskreis nun auf diese Weise bedenklich geschrumpft ist? Was ist an den Hinweisen dran, dass es vielleicht bald eine weitere Superheldin in „Jessica Jones“ geben wird?
„Immer wieder Patsy“ - Heldin oder Schurkin?
Dabei spielt vor allem Trish Walker eine Rolle. Denn deren abgebrochene Behandlung durch den Arzt Karl Malus (Callum Keith Rennie), die ihr vergleichbare Kräfte wie Jessicas verleihen sollte, sie aber auch fast umgebracht hätte, scheint erfolgreicher gewesen zu sein als es zunächst scheint. Zumindest beweist sie bei einem herunterfallenden Handy neben erstaunlichem Reaktionsvermögen auch ein bemerkenswertes Zehenspitzengefühl. Ihr zufriedenes Lächeln vor dem Schließen der Aufzugtür scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass sie ihr Ziel vielleicht doch erreicht hat. Hat Trish Walker also nun auch Superkräfte?
Tatsächlich wird Trish Walker in den Comics zur Superheldin Hellcat, die dort nicht nur von den Avengers ausgebildet wird, sondern auch eine Reihe von anderen Fähigkeiten besitzt, die weit über das rein Physische hinausgehen. Aber abgesehen davon, dass die Avengers wohl kaum in „Jessica Jones“ auftreten werden, ist es auch relativ unwahrscheinlich, dass Trish als Hellcat in der Serie eine rein positive Heldin werden würde. Dazu war ihre Motivation, Superkräfte besitzen zu wollen, zu zwiespältig, zu sehr geprägt von ihrer Sucht und einem gewissen selbstgerechten Machtverlangen. Und natürlich war ihr Verhalten gegenüber Jessica und ihren Mitmenschen alles andere als heldenhaft - die wenigsten Superheldenkarrieren fangen schließlich mit einem Mord an... Zu erwarten ist eine ambivalentere Interpretation der Figur Hellcat als in den Comics, sie könnte mit Jessica aneinander geraten, sich aber vielleicht auch mit ihr gegen einen neuen Feind verbünden.
Diabolisches Ventil?
Ein weiterer interessanter Aspekt der Figur Hellcat ist, dass diese in den Comics ab einem gewissen Zeitpunkt mit Damien Hellstorm verheiratet ist – dem Sohn des leibhaftigen Satans. Der ist keineswegs ein Bösewicht, sondern wie zum Beispiel Doctor Strange ein mächtiger Zauberer, der die Welt oft auch gegen interdimensionale Bedrohungen verteidigt. Könnte der Kampf gegen Geister, Dämonen und sonstiges übernatürliches Gezeugs vielleicht Trishs hochtrabende Ambitionen in – sagen wir mal – geregelte Bahnen lenken?
Zwar wäre auch Damien Hellstorm eine interessante, vielleicht sogar charismatische neue Figur und eine magische Ausrichtung eine willkommene Abwechslung zu der bisherigen Einsamer-Wolf-Detektiv-Handlung, jedoch ist es nicht ganz einfach, diese Elemente in den Noir-Stil und die gewisse Bodenständigkeit der Serie einzupassen. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Macher, die bisher vor allem auf psychologische Stimmigkeit gesetzt haben, sich auf das Magische oder das Okkulte einlassen.
Rückkehr des Doktoren?
Eine weitere Frage, die sich stellt, ist das Schicksal von Dr. Karl Malus. Ist er wirklich tot oder hat er die gewaltige selbstverursachte Explosion überlebt? Gesehen hat seinen Tod niemand, seine Leiche wurde nicht gezeigt (immer ein vielsagendes Zeichen für die Rückkehr eines Schurken oder Superhelden) und die Identifikation der offenbar gefundenen Überreste schien eher über Indizien wie das Bild des Fans im Fernsehen, als über tatsächliche Beweise stattgefunden zu haben. Könnte Malus also nochmals zurückkehren? In den Comics ist er schließlich regelrecht wahnsinnig und besessen von Menschen mit Superkräften. Mit Trish wäre er nun dem Erfolg seiner Formel einen weiteren Schritt näher.
Dagegen spricht jedoch die bisherige Charakterisierung der Figur bis zu ihrem vermutlichen Tod. Zu wenig Oberschurkenmaterial scheint in Malus zu stecken, der verrückt-diabolische Wissenschaftler ließ sich unter der rücksichtslos-unreflektierten, aber dennoch grundsätzlich humanen Oberfläche jedenfalls bisher nicht so recht erkennen. Oder täuscht da die Fassade?
Wann geht es weiter?
Bislang wurde „Jessica Jones“ noch nicht offiziell um eine weitere Staffel verlängert, weshalb es auch noch keine Informationen über den möglichen Startzeitraum gibt. Nach der ersten Staffel 2015 sind zwei Jahre bis zur zweiten Season vergangen, möglich wäre es also, dass es bis zur dritten Staffel wieder ähnlich lang dauern wird. Für die von Netflix angekündigten drei Marvel-Serien-Updates pro Jahr gibt es mit der dritten Staffel von „Daredevil“, der schon abgedrehten, zweiten Staffel von „Luke Cage“, sowie „Iron Fist“ und „The Punisher“ auf jeden Fall noch genügend Material für die Zwischenzeit.