In Zeiten mehrerer globaler Streamingdienste und weltweit zeitgleicher Auswertung von TV-Serien haben hiesige Free-TV-Kanäle bei der Ausstrahlung von Serienkost aus Übersee inzwischen häufig das Nachsehen, was sich in sinkenden Einschaltquoten niederschlägt. Daher macht sich auch bei den Privatsendern allmählich der Trend bemerkbar, im fiktiven Bereich auf mehr Eigenproduktionen zu setzen, bei denen es sich nicht um (Pseudo)-Reality-Formate handelt. Nachdem so jüngst etwa Vox mit „Club der roten Bänder“ große Erfolge feiern konnte, versucht nun auch RTL II mit „Call The Boys - 4 Männer für gewisse Stunden“ auf den Zug aufzuspringen – und das trotz des gewöhnungsbedürftigen Titels überraschend vielversprechend.
Vier Männer für eine gewisse Stunde
Lukas (Frederic Heidorn), Pascal (Bruno Bruni), Janni (Jerry Kwarteng) und Kaambiz (Daniel Rodic) sind nicht nur befreundete WG-Mitbewohner, sondern betreiben gemeinsam auch einen Callboy-Service. Barbesitzer Lukas, der das Geschäft ohne offizielle Genehmigung führt, kümmert sich darum, dass seine Freunde an die Frau kommen. Die Nachfrage ist groß, schließlich gibt es in Berlin so einige Frauen, deren langjährige Beziehungen sie sexuell nicht mehr erfüllen oder die sich einfach nach einem Abenteuer sehnen. Dabei haben die vier Callboys auch mit ihren ganz eigenen privaten Problemen zu kämpfen – von eifersüchtigen Ehemännern über Liebeskummer bis hin zu rassistischen Anfeindungen...
Bei der Verwirklichung der neuen Eigenproduktion ist RTL II zunächst etwas vorsichtiger als der Schwestersender Vox. Von „Call The Boys“ gibt es am heutigen Montag, dem 11. September 2017, um 21.15 Uhr erst einmal nur eine Pilotfolge. Erst wenn das Format genügend Anklang findet, soll es fortgesetzt werden. Zu wünschen wäre dies der Mischung aus Comedy- und Dramaserie durchaus. „Call The Boys“ erfindet das Serienrad zwar keinesfalls neu, bietet aber schon im einstündigen Auftakt kurzweilige Unterhaltung mit einem charmanten Hauptdarsteller-Quartett.
Ohne Vorspiel ins Sex-Geschehen
Regisseur Manuel Meimberg („Tempel“) und seine Co-Autoren John-Hendrik Karsten („Vertraue mir“) und Miriam Helck („Alles was zählt“) kommen in den ersten Minuten schnell zur Sache, in denen wir einen der Callboys bereits mitten in Aktion erleben. Gegengeschnitten wird dies mit der Motivation, die Frauen überhaupt erst zum Aufsuchen der jungen Sexdienstleister bringt, sehen wir doch, dass es im Schlafzimmer einer Krankenschwester mittleren Alters nicht mehr wirklich rund läuft. Ohne viel Worte oder langwierige Einleitung etabliert die geschmackvoll inszenierte Parallelmontage (Nacktheit verkommt hier wie auch im weiteren Verlauf des Piloten nie zum bloßen Selbstzweck) die Prämisse der Serie.
Dass das in der Kürze so gut funktioniert, ist zu großen Teilen auch den Darstellern geschuldet. Gerade die Chemie des Vierergespanns, das die Besetzung anführt, überzeugt voll und ganz. Meimberg nimmt zudem ihre Figuren und Probleme angemessen ernst – Wermutstropfen ist allerdings, dass sich diese in der ersten Stunde nur selten wirklich originell gestalten und sich stattdessen auf allerlei Klischees stützen, was sich auch in einigen ausgelutschten „Du musst um deine Liebe kämpfen“-Dialogen niederschlägt.
So bleibt in der ersten Folge von „Call The Boys“ so Manches noch an der Oberfläche, Potential für eine gelungene Fortsetzung ist aber zweifellos vorhanden, vor allem wenn sich die Macher nach dem soliden Einstand gerade angesichts der kontroversen Thematik vielleicht noch etwas mehr trauen.