Wie wir auf dieser Seite schon wiederholt berichtet haben, gab es vor einiger Zeit eine Machtverschiebung bei Marvel. Die von Kevin Feige geleitete Filmschmiede untersteht nicht mehr dem Comic-Konzern. Sie ist mit Feige als Boss direkt bei Disney angesiedelt. Eine Folge daraus ist, dass die weiter bei Marvel angesiedelte Serienabteilung, die sich um TV-Ableger wie „Agents Of S.H.I.E.L.D.“ oder auch die Netflix-Programme wie „Daredevil“ kümmert, nun noch weiter vom Kinoteam entfernt ist. Es gibt bei der Arbeit keinerlei Berührungspunkte mehr und zudem scheint Kevin Feige wenig davon zu halten, bei Ideen für die Filme Rücksicht auf die den Serien zu nehmen. Angeblich will er nun den neuen Kinofilm „Doctor Strange“ zum endgültigen Befreiungsschlag nutzen und so den „Serienballast“ abschütteln. Dies besagt zumindest ein Gerücht, welches gerade auf einigen Comic-Seiten kursiert.
Wie das gehen soll? Laut den Kollegen von ComicbookResources.com bestätigte „Doctor Strange“-Regisseur Scott Derrickson, dass sein Film der Anfang des „Marvel Multiversums“ ist. „Doctor Strange“ habe in dieser Hinsicht eine ähnliche Funktion wie in den Comics, teaserte er geheimnisvoll. Der Begriff „Multiversum“ steht dabei für den Gedanken, dass viele Welten parallel zueinander existieren, die sich teilweise nur marginal unterscheiden. Jede dieser Welten wird von einem sogenannten „Sorcerer Supreme“, wie z. B. dem von Benedict Cumberbatch gespielten Doctor Strange, beschützt. Mit der Einführung dieser vielen Welten könnte Marvel in Kinofilmen die bereits in den Serien etablierten Figuren wie Daredevil und Punisher neu auftreten lassen, dabei klarstellen, dass die TV- und Netflix-Versionen einfach in einem anderen Universum ihre Abenteuer erleben (in dem es natürlich auch wiederum Iron Man, Hulk und Co. gibt). Dies vermuten zumindest die Kollegen von Cosmicbooknews. Es wäre wohl der endgültige Bruch von Kevin Feige mit seinem Ex-Boss Ike Perlmutter, der dem Marvel-Gesamtkonzern und damit auch der von Jeph Loeb geführten Serien-Abteilung vorsteht.
Ein paar Zweifel darf man an dem Gerücht aber haben. Auch wenn Kevin Feige kein Freund der Serienabteilung ist, dürfte er Profi genug sein, um seine persönlichen Abneigungen und mögliche Revanchegelüste nicht seine Arbeit überschatten zu lassen. So dürfte es schließlich dem durchschnittlichen Kinogänger nur schwer zu vermitteln sein, wenn plötzlich ein anderer Schauspieler als Daredevil, Punisher etc. auftritt. Da ist doch deutlich wahrscheinlicher, dass man die Serienproduktionen einfach weiter gepflegt ignoriert und das Multiversum lieber nutzt, um verschiedene Versionen einer Figur aufeinander treffen zu lassen. Das gleichzeitig komische und dramatische Potential, das in solchen Begegnungen liegt, nutzt Marvels Konkurrent DC aktuell zum Beispiel mit seinem Multiversum in der TV-Serie „The Flash“.
Eine – von vielen Fans erhoffte – engere Verzahnung von Serien und Kinofilmen bei Marvel wird allerdings mit der neuen Entwicklung noch unwahrscheinlicher. Daran glauben auch die Beteiligten schon lange nicht mehr. So verriet „Daredevil“-Star Charlie Cox den Kollegen von Entertainment Tonight schon vor einiger Zeit, dass dies nahezu auszuschließen sei. Es seien schließlich zwei komplett unterschiedliche Welten, die kaum Berührungspunkte haben. In ein ähnliches Horn stieß einmal „Guardians Of The Galaxy“-Regisseur James Gunn. Bei einer Frage-Antwort-Runde auf Facebook erklärte er, dass beides eigentlich überhaupt nicht verbunden sei. Gerade vollzog das Kino-Team von Marvel zudem einen zusätzlichen Bruch. Ein neues Logo kommt von nun an vor den Kinofilmen. Statt Comic-Inhalten enthält es die Figuren aus den Filmen und zwar nur aus diesen - die Serienkollegen fehlen. Schließlich ist es ein Logo für die Kinofilme.
Neben allen möglichen Animositäten zwischen einzelnen Beteiligten hat dies übrigens auch ganz praktische Gründe. Die Produktionszyklen für eine Serie und einen Film sind kaum miteinander zu vereinbaren. Serien werden meist deutlich kurzfristiger produziert, daher kann man relativ zügig noch auf aktuelle Ereignisse oder auch Fanreaktionen reagieren, zum Beispiel einen beliebten Handlungsstrang ausbauen, die Rolle einer beliebten Figur vergrößern. Die Produktion von Filmen ist dagegen viel schwerfälliger. Hier ist Monate bis über ein Jahr vor Kinostart schon viel in Stein gemeißelt und es sind nur kleine Korrekturen möglich. So ist es einfacher, in einer Serie wie „Agents Of S.H.I.E.L.D.“ auf Ereignisse in den Filmen einzugehen als umgekehrt. Wenn man zum Beispiel in einem Marvel-Film einen Hinweis auf Daredevil platzieren wollte, müsste man diesen entweder sehr beliebig halten oder darauf hoffen, dass der Verweis bis zum Kinostart nicht überholt ist. Und das ist eine riskante Hoffnung, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel schon einmal die komplette Planung für „Daredevil“ innerhalb weniger Wochen komplett über den Haufen geworfen wurde. Mit diesem „Problem“ muss allerdings nicht nur Marvel, sondern auch Konkurrent DC leben. Dort sind die Universen zwar klar getrennt und trotzdem hatten die Kinofilme schon Einfluss auf die Serien. So musste die Story für die dritte Staffel von „Arrow“ wenige Wochen vor Drehstart komplett neu entwickelt werden, weil die Planung der Serienmacher zu nahe an den Ideen des „Suicide Squad“-Kinofilms war.
Wie uns „Doctor Strange“ das Multiversum näher bringt, sehen wir übrigens ab dem 27. Oktober 2016 in den hiesigen Kinos.