Platz 68: „Nosferatu“
(Friedrich Wilhelm Murnau, Deutschland 1922)
Mit dem in Transsylvanien lebenden Grafen Orlok (Max Schreck), der ein Haus im fiktiven norddeutschen Wisborg ersteht und es auf die hübsche Ellen (Greta Schröder) abgesehen hat, bricht das personifizierte Grauen in die Alltäglichkeit der 20er Jahre ein. Während expressionistische Filme wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ den Zuschauer in düstere Kunstwelten entführen, dreht Friedrich-Wilhelm Murnau seine nicht autorisierte Stummfilm-Adaption von Bram Stokers Vampirroman „Dracula“ an natürlichen Schauplätzen in Wismar, Rostock, Lübeck oder Sylt. Das Übernatürliche und Untote wird plötzlich selbstverständlich und entfaltet durch die realistische Inszenierung eine noch verängstigendere Wirkung. „Nosferatu“ macht Deutschland auch dank der revolutionären Kamera- und Montagearbeit zum Ursprungsland des Horrorfilms, das das Genre nachhaltig beeinflusst und ohne das der US-amerikanische Horrorfilm der 30er Jahre nicht vorstellbar gewesen wäre. Murnaus mit Dämmerlicht und Schatteneffekten durchsetzten, viragierten Schwarz-Weiß-Bilder sind ein zeitloser Albtraum in fünf Akten und der grauenerregende Graf die gruseligste Kreatur, die das Kinopublikum der Weimarer Republik bis dato zu sehen bekommen hat.