Kreuzberger Herzensretter
Wer sich wegen des Filmtitels „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ ein wenig Sorgen macht: Nein, das Herzgebreche findet nicht zwischen Rico und Oskar statt, die beiden sind und bleiben auch in der Fortsetzung die dicksten Freunde. Während „Rico, Oskar und die Tieferschatten“, der erste Film nach der herausragenden Kinderbuch-Trilogie von Andreas Steinhöfel, noch stellenweise recht düster und beängstigend daherkam, ist die Fortsetzung nun geradezu leichtfüßig, stellenweise sogar ein wenig zu albern – vor allem dann, wenn der Film sich, wie im finalen Showdown, etwas weiter von der Buchvorlage löst.
Aber das ist eben nur an einzelnen Stellen so: Ansonsten bleibt Steinhöfels völlig unromantischer, aber sehr humorvoller Blick auf soziale Realitäten und das Kreuzberger Mietshausleben erhalten. Dieser ist es auch, der die kleine Kriminalgeschichte antreibt – Ricos Mutter ist in eine dumme Sache verstrickt und das hat natürlich viel mit den Lebensumständen dieser alleinerziehenden Mutter zu tun, die abends in einem Nachtclub arbeitet. Der hochbegabte Oskar kommt der Sache im Handumdrehen auf die Schliche, als er ein paar Tage bei seinem Freund Rico wohnt, weil sein (ebenfalls alleinerziehender) Vater „Abstand“ braucht.
Die Realität jenseits heiler Mama-Papa-Kind-Familien spielt hier also in alle Geschichten mit hinein; getragen wird der Film dann von Anton Petzold und Juri Winkler, den beiden wunderbaren Jungs in den Hauptrollen, die völlig in ihren Rollen aufgehen. Dass ein Kinderfilm so elegant zugleich albern-witzig und realistisch-geerdet ist, findet man im Kino leider nur sehr, sehr selten. Wenn es dann auf Verbrecherjagd geht, wird der Film zudem auch echt spannend – und ganz nebenbei beseitigen Rico und Oskar auch eher aus Versehen noch alle Probleme, die Ricos Mutter solches Herzgebreche verursacht hatten. Happy End mit Hund ist also inklusive.
Ein kleiner Haken an „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ ist, dass er für Zuschauer, die den ersten Film noch nicht gesehen oder nicht mehr so in Erinnerung haben, womöglich etwas abrupt einsteigt, die Figuren und ihre Beziehungen nicht mehr neu einführt, sondern schlichtweg voraussetzt. Man kann das allerdings auch zum Vorteil wenden und es einfach als guten Anlass sehen, sich den mit Abstand besten deutschen Kinderfilm des vergangenen Jahres endlich (noch einmal) zu Gemüte zu führen. „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ ist schließlich längst auf Blu-ray und DVD erschienen.
In diesen Kinos läuft „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ am kommenden Wochenende.
Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.