Das Jahresende sollte beschaulich sein. Eine Zeit der Rückbesinnung, in der man zusammenrückt, um der Kälte und Dunkelheit entgegenzuwirken. Stattdessen gehört Zwietracht zum Alltag – von hitzigen Gesprächen beim Festmahl bis zur hetzerischen Desinformation im Wahlkampf.
Es wäre ein Leichtes, dies auf die negativen Auswirkungen der sozialen Netzwerke zu schieben. Doch die unschöne Wahrheit ist, dass dieser Hang zum Unfrieden tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist. Ein filmisches Meisterwerk zeigt dies mit unerbittlichem Witz, schneidender Beobachtungsgabe und erschütternder Konsequenz auf – und bekam nun ein Upgrade verpasst: Kürzlich feierte die brüllend komische, tragischerweise zeitlose Satire „Der Untertan“ ihre Blu-ray-Premiere im Heimkino!
Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Heinrich Mann* feierte 1951 ihre Weltpremiere in der damaligen DDR. In West-Deutschland wurde unterdessen ein Aufführungsverbot erteilt. Erst 1957 erhielt der Film nach der Kürzung von über zwölf Minuten eine FSK-Freigabe und wurde zum regulären Kinoeinsatz zugelassen.
Allerdings wurde dieser stark gestutzten Filmfassung obendrein eine sinnentstellende Texttafel vorangestellt, die behauptete, „Der Untertan“ zeige bloß einen Einzelfall. Dabei dreht sich die Satire um das komplette Gegenteil: Mit unerbittlicher Schärfe persiflieren Regisseur/Autor Wolfgang Staudte und Drehbuchautor Fritz Staudte den hiesigen, erschreckenden Drang, nach oben zu buckeln, nach unten zu treten und eigene Unsicherheiten durch Machtgier sowie Hass zu kompensieren.
Die zeitgenössische westdeutsche Filmpresse konnte mit diesem erbarmungslosen Spiegel, der der Gesellschaft vorgehalten wurde, recht wenig anfangen. Beispielsweise schimpfte (ironischerweise) Der Spiegel, dem Film ginge es lediglich darum, „Stimmung gegen Deutschland“ zu machen.
Mittlerweile ist die Filmpresse gewillt, sich dieser rasiermesserscharfen und rasanten Gesellschaftskritik zu stellen: „Der Untertan“ gilt nunmehr als zeitloser, schwer zu verdauender Klassiker und wird, auch vom Verfasser dieses Heimkino-Tipps, als satirisches Meisterwerk angesehen. Uncut-Auswertungen des Films sind wieder Usus – aber ich hoffe sehr, dass die unzensierte HD-Premiere ihm weitere Fans einbringt. Er hat es genauso verdient, wie es die Zielscheiben seines Spotts verdient haben, entlarvt zu werden!
"Der Untertan": Kindische Angst wächst zu zerstörerischem Hass
Diederich Heßling (Werner Peters) war ein weinerliches, ängstliches Kind. Auch im Erwachsenenalter hat er diese Eigenschaften nicht abgestreift. Er übertönt sie nur: Er lernte früh, autoritätsgläubig zu sein, und fühlt sich besonders geborgen, wenn er Befehle zu befolgen hat. Nur eins gibt ihm einen noch wohligeren Kick, als nach oben zu buckeln: Momente, in denen er Leute herumkommandieren kann.
Daher liebt Diederich, genauso wie sein Umfeld, einfache Antworten auf komplexe Fragen, zackige Kommandos und die Befriedigung der Denunziation. Als er eine Papierfabrik befehligt, glaubt er mittels bedrucktem Klopapier (mit Weisheiten wie „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“) den Globus für sich einnehmen und so den Kaiser stolz machen zu können...
Staudte und sein Kameramann Robert Baberske machen keinerlei Hehl daraus, für wie verkommen sie ihren Protagonisten und seine Gleichgesinnten halten: Immer wieder rutscht die stramme Schwarz-Weiß-Fotografie in expressiv-abstruse Bilder ab. Da wird ein militärischer Drill als verzerrtes Spiegelbild auf einer Tuba eingefangen, dort wird ein wackeliges Gebiss zum Fokus einer zornigen Rede, und hier sehen wir besoffene Stammtischbrüder gefiltert durch ein Bierglas.
Solcher Findungsreichtum steigert den Unterhaltungsfaktor von „Der Untertan“ und unterstreicht zugleich seine kritische Aussage. Der Realitätsbezug geht dabei allerdings nicht verloren: Staudte schuf keine Karikatur per se, sondern ein Detailporträt der (allgegenwärtig-düsteren Aspekte der) deutschen Seele, bei dem das herzliche Lachen immer wieder in einen nervösen Reflex übergeht. Das ist einerseits dem begnadeten Hauptdarsteller zu verdanken:
Peters hat als geifernd-chauvinistischer Kleinbürger, der zum Sprachrohr des Hasses „aufsteigt“, eine pointiert-bedrückende Authentizität an sich. Auf der anderen Hand ist es das Dialogbuch, das „Der Untertan“ meisterlich emporhebt, da es urkomisch-gewieft und verstörend akkurat zugleich ist. Seien es Erzählkommentare über deutsche Bestrafungs- und Angstpädagogik oder beiläufige Merksprüche wie „Wer treten will, muss sich treten lassen!“
Schmerzhafte Duckmäuserei und boshafte Machtgelüste gibt es übrigens auch im folgenden Film zu sehen:
Neu im Heimkino: Dieser Psycho-Horror mit Starbesetzung tut beim bloßen Zuschauen schon weh*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.