Stephen King hätte Stanley Kubrick am liebsten den Kopf abgerissen, als er gesehen hat, was der Regisseur von unsterblichen Klassikern wie „2001“ oder „Uhrwerk Orange“ bei „Shining“ aus seinem Roman gemacht hat. Ja, mit der Vorlage hatte der Film, der für uns der beste Horrorfilm aller Zeiten ist, auf den ersten Blick nur noch wenig zu tun. In Wahrheit hat Kubrick aber die Essenz des Buches eingedampft – und King vor unangenehme Wahrheiten über sich selbst gestellt, was seine damalige Alkoholkrankheit angeht.
Bei „Doctor Sleeps Erwachen“ aber war Stephen King voller Lob, obwohl sich „Spuk in Hill House“-Macher Mike Flanagan für die direkte Fortsetzung von „Shining“ auch einige künstlerische Freiheiten genommen hat. Eigentlich viel schwerwiegender für das Ego vom Master of Horror: Er orientiert sich nicht nur am Buch von King, sondern ebenso an Stanley Kubricks „Shining“.
„Doctor Sleeps Erwachen“ läuft heute, am 12. Dezember um 23.05 Uhr auf ProSieben.
Rückkehr ins Overlook Hotel: Das ist "Doctor Sleeps Erwachen"
Der inzwischen erwachsene Danny Torrance (Obi-Wan-Darsteller Ewan McGregor), Sohn von Jack Torrance (Jack Nicholson in „Shining“), ist alkoholabhängig. Außerdem hat er die Fähigkeit, die Gedanken anderer Menschen lesen zu können und Visionen von zukünftigen und vergangenen Ereignissen zu empfangen – das Shining. Danny ist in einem Hospiz tätig, wo er seine besondere Begabung nutzt, um Sterbende zu trösten.
Einige Zeit später lernt er die junge Abra Stone (Kyliegh Curran) kennen, deren Shining sogar noch stärker ist als das seine. Zusammen gehen sie gegen die Sekte „Der wahre Knoten“ vor, bei der es sich um ehemalige Shining-Nutzer handelt, die die Lebensenergie von Kindern entnehmen, die ebenfalls das Shining besitzen. Je qualvoller der Tod der Kinder, desto besser. Danny muss den Kampf annehmen – und alsbald ins Overlook Hotel zurückkehren…
Natürlich fühlt es sich erst einmal nicht richtig an, ein Sequel zu „Shining“ auf der großen Leinwand zu sehen. Dafür sind die Fußspuren dann doch etwas zu imposant, die Stanley Kubrick und Jack Nicholson hinterlassen haben. „Doctor Sleeps Erwachen“ aber gelingt etwas, woran die Macher von „Es“, „Friedhof der Kuscheltiere“ und Co. in den letzten Jahren gescheitert sind: Mike Flanagan ist nicht nur ein virtuoser Angstmacher, sondern auch präziser Angstforscher.
"Doctor Sleep" brilliert als unheimliche Charakter-Studie
Zwar gibt es auch einige nostalgische Anwandlungen in „Doctor Sleeps Erwachen“, die sich mit „Shining“ auseinandersetzen. Mike Flanagan aber biedert sich dem Meilenstein nicht an, sondern kommt ihm auf kreative, respektvolle Art und Weise näher. Im Zentrum steht hier nicht der Fanservice, sondern die organische Fortschreibung.
In „Doctor Sleeps Erwachen“ geht es um das eigene und das familiäre Versagen, um die tiefsten Traumata, mit denen sich ein Mensch zwangsläufig auseinandersetzen muss, um die Geister seiner Vergangenheit besiegen zu können. Danny Torrance muss Verantwortung übernehmen – nicht nur, weil er durch sein Shining außergewöhnliche Kräfte hat, die ihn trotzdem nicht zu einem Superhelden machen.
Es geht hier vor allem darum, der nächsten Generation eine Möglichkeit zu geben, in Frieden aufzuwachsen. War es in „Shining“ noch der rote Tod, der über alles herrschte, lodert in „Doctor Sleeps Erwachen“ nun das Feuer der Erlösung. Wie auch immer man zu dem Film stehen möchte: Die Rückkehr ins Overlook Hotel ist Gänsehaut pur.
Hier könnt ihr euch den Trailer in der englischsprachigen Originalversion anschauen:
Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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