Lange Zeit war Thor derjenige Avenger, mit dem ich im MCU am wenigsten anfangen konnte. Während Iron Man, Captain America und der Hulk trotz ihrer Superkräfte noch irgendwo geerdet waren, tanzte der übermächtige Donnergott ziemlich aus der Reihe. Dennoch ging Marvel einen ähnlichen Weg, wie bei den zuvor etablierten MCU-Helden. Immer noch stark von Christopher Nolans Erfolg mit der „Dark Knight“-Reihe beeinflusst, wurde auch bei „Thor“ versucht, den knallbunten Comic-Wahnsinn auf ein möglichst realistisches, bodenständiges Setting herunterzudampfen. Doch in diesem Fall war die Diskrepanz zwischen Vorlage und Anspruch zu groß.
Das Ergebnis war zunächst Kenneth Branaghs „Thor“ von 2011, ein okayer Film, der sich selbst jedoch ernster nahm, als ich ihn aufgrund seines von Natur aus überhöhten Settings nehmen konnte. Es folgte „Thor 2: The Dark Kingdom“ von Alan Taylor. Jetzt wurde gar ein düsterer, Welten umspannender Konflikt heraufbeschworen, der mich aber zutiefst langweilte und der für mich den absoluten Tiefpunkt unter den MCU-Filmen darstellt. Auf „Thor 3“ hatte ich folglich keine Lust. Umso überraschter war ich, als mir Taika Waititi mit „Thor 3: Tag der Entscheidung“ ein völlig durchgeknalltes, farbenfrohes Abenteuer präsentierte und damit die „Thor“-Reihe in eine radikal neue Richtung lenkte.
„Thor 3: Tag der Entscheidung“ läuft am heutigen 1. November 2024 um 20.15 Uhr auf ProSieben. Eine Wiederholung zeigt der Sender am 3. November um 9.55 Uhr. Ich kann allen Fans kurzweiliger Superhelden-Action nur raten, einzuschalten. Denn für mich zählt das MCU-Debüt von Taika Waititi nicht nur zu den lustigsten Marvel-Filmen überhaupt, sondern bringt trotz seines heiteren Tonfalls eine für MCU-Verhältnisse ungewöhnlich tiefe Tragik mit.
Falls ihr die TV-Ausstrahlung verpassen solltet, könnt ihr „Thor 3“ natürlich jederzeit bei Disney+ streamen. Außerdem gibt es dort auch die Vorgänger sowie den Nachfolger „Thor 4: Love And Thunder“ zu sehen.
Darum geht's in "Thor 3: Tag der Entscheidung"
Als Thor (Chris Hemsworth) erfährt, dass Ragnarök, also der Untergang Asgards, kurz bevorsteht, eilt er zurück in die Heimat, wo sein Bruder Loki (Tom Hiddleston) erneut versucht, den Thron an sich zu reißen. Doch Loki ist nicht die wahre Gefahr. Denn Odin (Anthony Hopkins), König von Asgard und Vater der Streithähne, enthüllt, dass die zwei noch eine Schwester haben und er selbst dem Tode nahe sei. Sobald er sterbe, werde Hela (Cate Blanchett) Asgard angreifen. Und tatsächlich: Die verstoßene Tochter verschwendet keine Sekunde, zerstört Thors mächtigen Hammer Mjölnir und teleportiert den Donnergott samt seines hinterlistigen Bruders auf den fernen Müllplaneten Sakaar.
Dort angekommen staunt Thor nicht schlecht, als er seinem Avengers-Kumpel Hulk (Mark Ruffalo) über den Weg läuft. Mit vereinten Kräften suchen Thor, Hulk und Loki nun nach einem Weg, Sakaar zu verlassen, nach Asgard zu gelangen, Hela zu besiegen und Ragnarök zu vereiteln. Doch die Zeit drängt ...
"Thor 3" ist verdammt unterhaltsam ...
Humor ist ein essenzieller Bestandteil eines jeden MCU-Films. Doch in „Thor 3: Tag der Entscheidung“ ist die Gag-Dichte besonders hoch. Klar, zündet auch dabei nicht jeder Spruch. Doch die Erfolgsrate ist hoch, was vor allem am MVP des Films liegt: dem Hulk.
Alle, die sich darüber ärgern, dass die grüne Marvel-Legende nie die MCU-Solofilme bekommen hat, die sie verdient hätte (was vor allem rechtliche Gründe hat), bekommen hier zumindest einen befriedigenden Ersatz. In keinem anderen MCU-Film seit „The Avengers“ bekommt der Hulk (und nicht Bruce Banner!) so viel Aufmerksamkeit gewidmet. Hier kann sich der Wutkoloss mal so richtig austoben und seine ganze Persönlichkeit zeigen.
Dass Thor und Loki hervorragend miteinander harmonieren, ist klar, doch wenn man dann auch noch den Hulk in den Mix wirft, ergeben sich herrliche Dynamiken: sei es, wenn er sich über die mickrigen „Babyärmchen“ des eigentlich extrem muskulösen Thor lustig macht oder Loki plötzlich in kalten Schweiß ausbricht, als er das grüne Monster wiedersieht, das ihn einst so formidabel vermöbelte.
Hinzu kommen noch weitere unterhaltsame Nebenfiguren, wie die toughe Asgardierin Valkyrie (Tessa Thompson), der unbedarfte Steinmann Korg (Taiki Waititi) sowie der von Jeff Goldblum in typisch bizarrer Jeff-Goldblum-Manier gespielte Grandmaster. Ein durch und durch sympathisches Ensemble, das den Aufenthalt auf Sakaar zu einer der spaßigsten MCU-Episoden überhaupt macht. Doch „Thor 3“ kann noch mehr.
... und überraschend tragisch
Trotz des starken Fokus auf Comedy hat mich „Thor 3“ auch emotional deutlich mehr mitgenommen als seine beiden Vorgänger. Den Grundstein dafür legt bereits der Tod Odins und die Zerstörung Mjölnirs zu Beginn des Films. Thor wird hier nicht nur seines Vaters, sondern auch seiner Macht beraubt. Eine solche vernichtende Niederlage musste er nie zuvor einstecken. Der ach so allmächtige Gott wird hier gemeinsam mit seinem Hammer gebrochen und erstmals in der gesamten Saga fühlt er sich dadurch ein Stück weit menschlich an.
Ohne nun zu spoilern sei verraten, dass Thor in „Tag der Entscheidung“ noch viel mehr verliert: Das fröhliche Asgard-Abenteuer bietet besonders in seinem wahrhaft epischen Finale eine für das MCU so untypische Konsequenz und Unumkehrbarkeit, dass es ihm trotz oberflächlichem Klamauk eine tiefe Tragik verleiht, die vielleicht sogar umso stärker wirkt, weil man mit ihr in einem solchen Spektakel nicht rechnet.
Leider hat es der Nachfolger „Thor 4: Love And Thunder“ nicht ganz geschafft, den Zauber von „Thor 3“ erneut aufleben zu lassen. Vielleicht fehlte hier einfach der Überraschungseffekt (oder der Hulk). Dennoch gefällt mir Taika Waititis Ansatz noch immer deutlich besser, als das, was davor kam. „Thor 4“ ist mir lieber als Teil 1 und 2. Doch „Thor 3“ bleibt für mich das mit Abstand beste Abenteuer des Marvel-Donnergottes.
"Er hatte Eier aus Stahl": So hat Robert Downey Jr. verhindert, dass Chris Hemsworth & Scarlett Johansson von Marvel gefeuert werdenDies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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