Immer wieder und natürlich auch vollkommen zurecht, kommt es bei filmischen Verarbeitungen der NS-Zeit bzw. des Holocausts, zu Diskussionen: Darüber, was gezeigt werden kann und darf, über das Zeigbare als solches und auch darüber, inwieweit sich an solchen Geschichten bereichert werden darf. So gab es hierzu eine ausführliche Debatte, als Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ die Kinos eroberte. Und nicht minder ging Anfang des Jahres Jonathan Glazers „The Zone of Interest“ durch die Medien, der das, was nicht gezeigt werden konnte, vollkommen auf die Tonebene verlagerte.
Auch Oliver Hirschbiegels („4 Blocks“, „Das Experiment“) „Der Untergang“, produziert von Bernd Eichinger („Das Parfum“, „Der Name der Rose“), leistete als deutscher Meilenstein einen kontroversen Beitrag zur Debatte der Darstellbarkeit: Nämlich wagte er es erstmals, Hitler, großartig in Szene gesetzt von Bruno Ganz, als Person in dieser Form auftreten zu lassen. Damit wurde die Perspektive von Opfern auf die der Täter*innen gelenkt – oder vielmehr auf die Innenperspektive des Täters, womit sich die Frage stellt: Darf Hitler auch Mensch sein, und nicht nur Monster?
Das Meisterwerk, das eine gänzlich neue, ja beinahe intime Perspektive auf den Führer gibt, bekommt ihr am heutigen Sonntagabend um 20.15 Uhr auf Kabel 1 zu sehen. Basierend auf den Erinnerungen von Traudl Junge, Hitlers letzter Sekretärin, und dem Buch „Der Untergang“* von Joachim Fest, zeigt der gleichnamige Film die letzten Tage im Leben Hitlers und seiner Gefolgsleute.
Dem Untergang geweiht
Berlin, 1945: Während die Lage in der Stadt sich immer weiter zuspitzt, sowjetische Truppen vorrücken und verheerende Häuserkämpfe entbrennen, verschanzt sich Adolf Hitler (Bruno Ganz) in seinem Führerbunker. Begleitet wird er in seinen letzten Tagen von seinen Vertrauten, darunter Eva Braun (Juliane Köhler), die er im Bunker heiratet, Joseph Goebbels (Ulrich Matthes) mit Frau Magda (Corinna Harfouch) und seine Sekretärin Traudl (Alexandra Maria Lara).
Und viel ist es nicht, was da im Angesicht des Untergangs geschieht in den letzten 12 Tagen des Führers und seiner Mitstreiter*innen. Da wird getrunken, und vor allem wird da geredet – wie man sich am besten umbringen kann, beispielsweise. Oder, welche Strategie nach Hitlers Tod befolgt werden sollte.
Auf der Blu-ray findet ihr übrigens einiges an Bonus-Material: Darunter sind ein Making-of, ein virtueller Bunker-Rundgang, sowie diverse Interviews und Biographien.
Das Ende eines Regimes auf ein paar Quadratmetern
Zweifelsohne gehört „Der Untergang“ zu den herausragendsten und interessantesten Filmen des Genres – wenn er auch mit über drei Stunden Länge und ganz ohne Wechsel des Schauplatzes für manche etwas zäh sein könnte. Was hier passiert, ist die Aufarbeitung von Krieg und Regime auf einer ganz anderen Ebene – und die ist es, die den Film eben so spannend macht.
Der zerbrechende NS-Staat, verdichtet und eingepfercht auf ein paar Quadratmetern Bunker. Und die Person Hitlers, die Bruno Ganz so nuanciert auf den Punkt bringt: Die Wutausbrüche und der Wahnsinn eines Mannes, der sich seiner Ausweglosigkeit und seines verlorenen Krieges gewahr wird – die psychischen Zerfallsprozesse des Diktators und mit ihm seines ganzen Regimes werden ungefiltert sichtbar.
Hirschbiegel ist es mit seinem großartigen Ensemble gelungen, ein Kammerspiel zu inszenieren, welches das Menschliche im Monströsen zeigt – die menschlichen Schwächen in der Grausamkeit, ohne jedoch zu beschwichtigen. Und dabei gelingt, was gelingen soll: Man kann gar nicht anders, als sich mit den moralischen Dimensionen des Nationalsozialismus und seiner Akteure auseinanderzusetzen.
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