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    TV-Premiere ohne Werbung: True-Crime-Geheimtipp zu einem unfassbaren Verbrechen – wie kann ein Mensch so etwas tun?
    Oliver Kube
    Oliver Kube
    -Freier Autor und Kritiker
    Das Schulfach Französisch hätte Oliver Kube um ein Haar das Abitur gekostet. Dennoch liebt er das so vielfältige und facettenreiche Kino unseres Nachbarlandes – von François Truffaut und Jean-Luc Godard bis Céline Sciamma, Jacques Audiard, Gaspar Noé und Quentin Dupieux.

    Das True-Crime-Sujet lässt uns immer wieder erschaudern ob der Dinge, die Menschen in der Lage sind, einander anzutun. Der aus Frankreich kommende Film „Saint Omer“ präsentiert euch eine ganz besonders schwer zu verdauende Tat erstmals im Free-TV.

    Arte zeigt „Saint Omer“ am heutigen 9. Oktober 2024 um 20.15 Uhr als deutsche Free-TV-Premiere. Eine Wiederholung kommt in der Nacht vom 16. auf den 17. Oktober um 1.15 Uhr. Obendrein steht der FSK-12-Titel zum Gratis-Streamen in der Mediathek des Senders zur Verfügung und ist als DVD oder kostenpflichtiges Video-on-Demand zu haben:

    In den Hauptrollen sind die multidisziplinäre Künstlerin Kayije Kagame, die hier ihr Debüt als Filmschauspielerin gibt, und Guslagie Malanga („The Beast“) zu sehen. Wichtige Nebenparts spielen unter anderem Valérie Dréville („Das bessere Leben“), Aurélia Petit („Science Of Sleep“), Xavier Maly („Die Schüler der Madame Anne“) und Salimata Kamate aus der „Monsieur Claude“-Reihe.

    "Saint Omer": Das ist die Story

    Rama (Kagame) stammt aus dem Senegal und arbeitet in Paris als Uni-Professorin sowie Schriftstellerin. Sie beschließt ins nordfranzösische Saint-Omer zu reisen, um dort dem für landesweites Aufsehen sorgenden Prozess gegen Laurence Coly (Malanga) beizuwohnen. Die ebenfalls aus Ramas Heimat eingewanderte Studentin wird beschuldigt, ihre kleine Tochter ermordet zu haben. Offenbar hatte sie das 15 Monate alte Kleinkind eines Nachts mutwillig am Strand zurückgelassen, kurz bevor die Flut einsetzte.

    Rama, die selbst im vierten Monat schwanger ist, plant ein Buch über die Geschichte zu schreiben – eine Art moderne Nacherzählung des Medea-Mythos. Fasziniert verfolgt sie die Verhandlung und entdeckt bei der Aufdeckung von Laurences Biografie einige, sie stark beunruhigende Parallelen zu ihrer eigenen Historie. Was mag all dies für ihre eigene Zukunft als werdende Mutter bedeuten?

    Saint Omer
    Saint Omer
    Starttermin 9. März 2023 | 2 Std. 03 Min.
    Von Alice Diop
    Mit Kayije Kagame, Guslagie Malanda, Valérie Dréville
    User-Wertung
    3,3
    Filmstarts
    3,0

    Basierend auf einem realen Fall

    „Saint Omer“ ist der erste Spielfilm der bis dahin als Dokumentaristin tätigen Alice Diop („Wir“). Inspiriert wurde die Regisseurin und Drehbuchautorin von dem realen Fall der Fabienne Kabou, die 2013 ihre kleine Tochter ertränkte. Diop beobachtete die 2016 abgehaltene Verhandlung wegen Mordes gegen Kabou wochenlang im Gerichtssaal von Saint-Omer. Die Figur der Rama ist eine Art Alter Ego von Diop. Das Publikum verfolgt die Story durch ihre Augen und mit ihren Emotionen. Insofern ist „Saint Omer“ als autofiktional zu bezeichnen.

    Eine klassische Dokumentation anzufertigen, wäre schwierig gewesen, da vor Gericht keine Kameras zugelassen waren. Stattdessen entschloss sich Diop einen Spielfilm über den Fall zu machen, als die Anwält*innen ihre Schlussplädoyers hielten. Sie selbst sowie diverse weitere Personen konnten in diesem Moment Tränen der Rührung und andere Betroffenheitsbekundungen nicht mehr zurückhalten.

    Um ein wenig Distanz zu sich zu schaffen und auch um eventuellen rechtlichen Problemen aus dem Weg zu gehen, entschloss sie sich, die Namen der Figuren zu ändern und einige der Fakten zumindest leicht zu fiktionalisieren. Dennoch bleibt die Filmemacherin nah an dem, was wirklich passierte. So verwendete sie für die Dialoge von „Saint Omer“ viele direkt aus den Prozessakten und Mitschriften der Verhandlung übernommene Zitate.

    Viel Lob, aber lohnt sich das Einschalten wirklich?

    Der 2022 veröffentlichte Film gewann zahlreiche Preise bei renommierten Festivals (Venedig, Chicago, Palm Springs etc.). Zudem erntete er fast ausschließlich wohlwollende Kritiken – Rotten Tomatoes verzeichnet bemerkenswerte 94 Prozent positive Rezensionen (Stand: 7. Oktober 2024). Schließlich wurde „Saint Omer“ als Frankreichs Kandidat für den Fremdsprachen-Oscar eingereicht, schaffte es dort aber nicht in die finale Auswahl. Der Academy-Award ging schließlich an das deutsche Weltkriegsepos „Im Westen nichts Neues“.

    In der FILMSTARTS-Kritik vergeben wir solide 3 von 5 Sternen für „Saint Omer“ und bezeichnen den Film als ambitionierte True-Crime-Story. Speziell die exzellenten Hauptdarstellerinnen und die bewegend inszenierten Momente zwischen der das Verfahren beobachtenden Rama und der von Salimata Kamate gespielten, an den Vorgängen zerbrochenen Mutter der Mörderin erhalten viel Lob von Autor Jochen Werner. Abschließend erwähnt er aber auch, dass das Finale etwas arg verbrämt und übermäßig esoterisch geraten ist.

    Einen auf andere Art, dabei mindestens genauso sehr an die Nieren gehenden Film könnt ihr ab sofort streamen. FILMSTARTS-Autor Sidney Schering stellt ihn euch im folgenden Artikel vor:

    Ein Schlag in die Magengrube: Den verstörendsten (und wichtigsten) Film des Jahres gibt's ab sofort im Streaming-Abo

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