Ein fliegendes Auto, ein garstiger Kinderfänger, der Generationen an Filmfans verschreckt hat, sonderbare Süßigkeiten und ein pittoresk-mysteriöses Dorf, das genauso gut in „Wonka“ hätte vorkommen können: Mit „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ wagte sich „James Bond“-Produzent Albert R. Broccoli in die Welt der fantasievollen Musicalabenteuer für die ganze Familie – und schuf damit einen zeitlosen Klassiker. Wer sich diesen in zeitgemäßer Qualität ins Regal stellen wollte, hatte es allerdings schwer:
Die Blu-ray-Erstauflage ist seit Jahren nur auf dem Gebrauchtmarkt zu finden und stieß bloß auf gemäßigte Gegenliebe. Grund dafür war eine zu tief abgemischte deutsche Tonspur. Und eine kürzlich veröffentlichte, verbesserte Mediabook-Edition war in Windeseile ausverkauft. Doch diese Woche kam „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ ins Heimkino zurück – als 2-Disc-Set mit dem Film in HD und mit der korrekten deutschen Tonspur!
Das umfangreiche Bonusmaterial enthält Einblicke in die Entstehung des populären Klassikers. Zudem sind Demoversionen der zahlreichen Songs mit von der Partie, die das für „Mary Poppins“ bekannte Brüder-Gespann Richard & Robert Sherman geschrieben hat.
"Tschitti Tschitti Bäng Bäng": Mit dem Flugauto ins Abenteuer
Der mittellose, verwitwete und exzentrische Erfinder Caractacus Potts (Dick Van Dyke) will seinen Kindern eine Freude machen und rettet ein hübsches Rennauto vom Schrottplatz. Nachdem er das Fahrzeug, das aufgrund seiner markanten Auspuff- und Motorengeräusche den Spitznamen „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ bekommt, auf Hochglanz poliert hat, macht er eine erstaunliche Entdeckung:
Es ist kein normales Auto, sondern kann auch fliegen und sich ebenso problemlos im Wasser fortbewegen. Also begibt sich die Familie mit Tschitti Tschitti Bäng Bäng auf zauberhafte, abenteuerliche Reisen – gerät aber aufgrund des Wunderautos ins Visier von Baron Bomburst (Gert Fröbe)...
Tschitti Tschitti Bäng BängObwohl „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ zu Teilen in Deutschland gedreht wurde (darunter im Schloss Neuschwanstein und in Rothenburg ob der Tauber), hat der Klassiker hierzulande eine holprige Vergangenheit: Im Kino lief das Musical nur stark gekürzt, auch auf VHS wurde eine gestutzte Fassung veröffentlicht, die aus der über 140 Minuten langen Odyssee einen knapperen Familienausflug macht.
Erst seit dem DVD-Zeitalter ist „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ im deutschen Heimkino in voller Länge erhältlich. Jedoch sind viele Fans mit der Umsetzung der damals erstellten 5.1-Tonabmischung unzufrieden – insbesondere im Fall der Blu-ray-Erstauflage, auf der der Sound zu tief abgespielt wird. Capelight schafft mit seinen „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“-Veröffentlichungen aber Abhilfe und packt als optionale Tonspur sogar die fürs Kino erstellte, deutsche Original-Monospur dazu.
James Bond trifft "Mary Poppins" und "Wonka"
Obwohl Broccoli vornehmlich für die von ihm produzierte „James Bond“-Reihe bekannt ist, bewies er mit „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“, dass er es ebenso verstand, typisches Disney-Flair zu erzeugen: Sein Fantasy-Musical von 1968 setzt nicht nur auf die für mehrere Jahrzehnte an Disney-Ohrwürmern zuständigen Sherman-Brüder, sondern gibt auch „Mary Poppins“-Szenendieb Dick Van Dyke die Hauptrolle.
Hinzu kommen reale Schauplätze und aufwändige Setbauten, die in waschechter Disney-Manier aufbereitet wurden, stark getrickste Spezialeffekte, viele skurrile Einfälle und eine leuchtende Bonbon-Farbpalette: Es gibt hauseigene Versuche Disneys, den Erfolg von „Mary Poppins“ zu replizieren, die sich längst nicht mit „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ messen lassen können. Dabei ist das Familienabenteuer kein reiner Disney-Trittbrettfahrer, sondern hat sehr wohl eine eigene Identität.
Das liegt nicht nur an britischen Charakterköpfen wie Komikerlegende Benny Hill, Q-Darsteller Desmond Llewelyn und „Yeah Yeah Yeah“-Mimin Anna Quayle in prägnanten Nebenrollen oder an „Goldfinger“-Fiesling Gert Fröbe, der sich erneut für Broccoli die Ehre gibt. Sondern vor allem am sich ergänzenden Stil zweier Autoren: Bond-Schöpfer Ian Fleming, der die Buchvorlage geschrieben hat, und Roald Dahl, der am Drehbuch mitwirkte.
Dahl war sozusagen das Gegenstück zu Fleming: Während der Bond-Schöpfer auch weniger beachtete Kinderliteratur verfasste, war Dahl primär für seine Kinderbücher bekannt – darunter für die Vorlagen zu „Wonka“ und „Hexen hexen“. Er machte als Drehbuchautor aber auch einen Abstecher in die 007-Welt, der ihm wiederum den „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“-Gig einbrachte.
Dahl nimmt in seinem Drehbuch die episodenhafte Fleming-Vorlage, die familiengerechte Kriminalabenteuer mit jeder Menge Märchenflair vereint, und verpasst ihr viele seiner eigenen Merkmale: Groteske, Kinder verabscheuende Gesellen, schräge Wortschöpfungen, ein pittoresk-betagtes, mitteleuropäisches Flair und abrupte Wechsel zwischen zuckrig-wohliger Fantasie und sarkastisch-zynischer Schärfe.
Regisseur Ken Hughes war zwar mit „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ nicht zufrieden, jedoch könnte das daran liegen, dass er es verabscheute, mit Kindern zu drehen. Laut Dick Van Dykes Memoiren machte Hughes seinem Frust durch vulgäre Schimpftiraden Luft, aus deren Schusslinie er die Kinder immer wieder holte – was dazu führte, dass Hughes auch auf den „Mary Poppins“-Star schlecht zu sprechen war.
Der Qualität des Films tut dies aber keinen Abbruch – und wenn ihr nun Lust auf weitere Fantasy-Klassiker bekommen habt, die aber einen ernsteren Tonfall anschlagen dürfen, ist der nächste Heimkino-Tipp sicher etwas für euch!
Meilenstein im Heimkino: Fantasy-Epos erscheint nach Jahrzehnten erstmals in DeutschlandDies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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