Julia Ducournau gehört zu den Filmemacherinnen, die man unbedingt auf dem Schirm haben sollte. Vor allem dann, wenn man ein Faible für Grenzerfahrungen hegt. Nachdem die Französin bereits 2016 mit „Raw“ für Furore beim Filmfestival in Cannes sorgte und dem Publikum ein mehr als nur flaues Gefühl in der Magenregion verpasste, sollte ihr Nachfolgewerk „Titane“ (das in Cannes die Goldene Palme gewann) nicht gerade gnädiger mit der Zuschauerschaft umgehen.
Dabei handelt es sich um einen wilden Genre-Mix, der in der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gar als „,Fast & Furious´ als Body-Horror“ bezeichnet wird. In jedem Fall müsst ihr auch auf Bilder einstellen, die es in dieser Form wohl noch nicht zu sehen gegeben hat. Falls ihr „Titane“ nun nachholen wollt, könnt ihr das heute, am 15. Mai um 22.15 Uhr bei arte, tun. Hier feiert der Film seine Free-TV-Premiere – und das ganz ohne Werbeunterbrechungen!
Darum geht's in "Titane"
Alexia (Agathe Rouselle) trägt seit einem Autounfall in ihrer Kindheit eine Titanplatte in ihrem Kopf. Auch darüber hinaus pflegt sie ein sehr enges Verhältnis zu nicht-organischen Dingen: Sie ist eine Erotik-Tänzerin, die bei Autoshows auftritt und irgendwann nicht nur Sex in einem Auto, sondern auch mit einem Auto hat. Männer aber leben in ihrer Nähe gefährlich – und nach mehreren Opfern, die Alexia zu verantwortet hat, muss sie untertauchen.
Alexia gibt sich fortan als Mann aus und nimmt die Identität des als Kind verschwundenen Adrien an. Adriens Vater, der Feuerwehrmann Vincent (Vincent Lindon), der lange nach seinem Sohn gesucht hat, nimmt Alexia bei sich auf und akzeptiert sie trotz Zweifel als seinen Sohn. Doch schon bald wird Vincent zu aufdringlich, was es Alexia immer schwerer macht, ihren stetig wachsenden Babybauch zu verheimlichen...
An "Titane" scheiden sich die Geister – und das ist gut so!
In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es für „Titane“ durchschnittliche 2,5 von 5 möglichen Sterne. Das Fazit unserer Autorin Teresa Vena fällt dabei folgendermaßen aus:
„Unbestritten wartet ,Titane´ mit einigen ausgefallenen Einfällen auf, die sich aber nicht so richtig zu einem überzeugenden Ganzen zusammenfügen. Unklar bleibt etwa, ob Julia Ducournau eine Satire, ein politisches Manifest oder einen Horrorschocker angestrebt hat. Vermutlich von allem ein bisschen. Aber dann ergibt sich das Problem, dass ,Titane' seine Intensität in den besonders absurden Momenten nicht halten kann, sondern zu oft (ob unfreiwillig oder absichtlich) ins Lächerlich abgleitet.“
Ganz anderer Meinung ist der Autor dieser Zeilen: Für mich ist „Titane“ eines der großen, sinnlichen Kino-Highlights der letzten Jahre. Gewappnet mit einer schier unverwüstlichen Lust daran, Genre-Grenzen auszutesten, sinniert Julia Ducournau nicht nur über die Fluidität von Geschlechteridentitäten. Sie erzählt auch von urwüchsiger (Fleisches-)Lust und (Selbst-)Zerstörung – und dass es dabei oftmals gar keine Unterschiede gibt. Das geht unter die Haut, berührt, verstört und beseelt. Pures, wunderschönes Körperkino, von dem man sich selbst ein Bild machen muss. Vergessen wird man „Titane“ so oder so aber nicht so schnell.
Falls ihr auf der Suche nach weiteren Grenzerfahrungen seid, haben wir vielleicht den richtigen Tipp für euch auf Lager – und dabei handelt es sich um einen Film von „Drive“-Macher Nicolas Winding Refn. Mehr dazu hier:
Heute Abend streamen: Ein brutales & bildgewaltiges Wikinger-Abenteuer