Wer „Game Of Thrones“ nicht wegen der Drachen und Eiszombies, sondern wegen der großartigen Figuren, der politischen Intrigen und der überraschenden Wendungen geschaut und geliebt hat, hat nach dem Ende der ersten Staffel „House Of The Dragon“ ein Problem: Erst 2024 kommt die zweite Staffel „HotD“ und weit und breit ist keine neue Serie in Sicht, die die nun entstandene, Westeros-große Lücke füllen könnte. Aber ich hätte da einen Serien-Tipp für euch: „The Expanse“ auf Amazon Prime Video.
Schon klar: „The Expanse“ ist natürlich eine Science-Fiction-Serie und keine Fantasy-Serie, aber abseits der unterschiedlichen Genres werden „Game Of Thrones“-Fans hier einiges finden, das sie begeistert – nämlich eben jede Menge großartige Figuren, politische Intrigen und überraschende Wendungen.
Das ist "The Expanse"
„The Expanse“ spielt einige Jahrhunderte in der Zukunft in unserem Sonnensystem, welches von der Menschheit kolonisiert wurde. Immer wieder kommt es zu politischen Spannungen zwischen den Terranern von der dramatisch überbevölkerten Erde, den Marsianern mit ihrem hocheffizienten Militär und den von Erde und Mars ausgebeuteten Gürtlern im Asteroidengürtel und auf den Monden von Saturn und Jupiter.
In dieser angespannten Lage werden ein Raumfrachter namens Canterbury und ein marsianisches Kriegsschiff von Unbekannten zerstört, weswegen die Gefahr eines Krieges noch mehr als sonst in der Luft (bzw. im luftleeren Weltraum) liegt. Zu den wenigen Überlebenden gehören einige Crewmitglieder der Canterbury: James Holden (Steven Strait) und Amos Burton (Wes Chatham) von der Erde, Alex Kamal (Cas Anvar) vom Mars und die Gürtlerin Naomi Nagata (Dominique Tipper).
Während die vier auf einer geborgenen, auf den Namen Rocinante getauften marsianischen Fregatte den Angriffen auf den Grund gehen, erhält der Ermittler Joe Miller (Thomas Jane) auf dem Zwergplaneten Ceres den Auftrag, nach der verschwundenen Tochter eines reichen terranischen Geschäftsmannes zu suchen...
So beginnt die erste Staffel, allerdings entwickelt sich die Geschichte über sechs Staffeln noch dramatisch weiter – ich will hier aber natürlich nicht zu viel vorwegnehmen. Was ich aber nicht genug betonen kann, ist: Obwohl im späteren Verlauf dann auch noch mysteriöse Alien-Artefakte eine Rolle spielen und fremde Planeten erforscht werden, ist die größte Stärke von „The Expanse“ der Realismus der Serie.
Und das betrifft nicht nur die politischen Intrigen, die Machtspiele, die Ausbeutung der Armen und Schwachen und die ständig drohende Gefahr einer Eskalation des Kalten Krieges zwischen Erde und Mars. Es schließt auch explizit die Technik und Technologie dieses Universums mit ein – selten haben sich Reisen durch die Leere des Weltalls so realistisch und glaubwürdig angefühlt wie in „The Expanse“!
Basierend auf der gleichnamigen Buchreihe von James S.A. Corey (die hinter diesem Pseudonym steckenden Autoren Daniel Abraham und Ty Franck sind stark in die Serie involviert) ist „The Expanse“ eine Serie, in der das Gefühl für die gewaltigen Entfernungen selbst innerhalb unseres Sonnensystems stets greifbar ist, in dem die g-Kräfte bei Beschleunigung und Abbremsen eine enorm wichtige Rolle spielen und in der sich Raumschiffe nicht mit Laserkanonen und Blastern, sondern aus großer Distanz mit Torpedos beschießen.
Unbedingt am Stück schauen!
Ich habe „The Expanse“ Ende 2022 noch ein zweites Mal von Anfang bis Ende durchgeschaut und was mich dabei besonders überrascht hat, ist, wie großartig die Serie durch die Bank weg aussieht. Die ersten drei Staffeln habe ich vor vielen Jahren damals noch bei Netflix gesehen und sie waren in meiner Erinnerung trotz aller inhaltlichen Stärken deutlich als Produktion des für billige Science-Fiction-Serien bekannten US-Senders SyFy zu erkennen.
Aber von wegen! In 4K-Auflösung und auf einem großen Fernseher machen schon die ersten drei Staffeln „The Expanse“ auch optisch einiges her – egal ob bei Weltraumspaziergängen, blau leuchtender Alien-Technologie oder den in einzigartiger Dynamik inszenierten Raumschlachten. Und ab Staffel 4 konnten die Serien-Verantwortlichen um Showrunner Naren Shankar dann sogar noch eine ordentliche Budget-Schippe drauflegen – dank des Geldes von Amazon, das die Serie nach Season 3 vor der Absetzung rettete.
Trotzdem bleibt „The Expanse“ für mich eine Serie, die vor allem von den Figuren und der Geschichte lebt – großartige Schauwerte hin oder her. Und auch hier hat es sich für mich noch einmal richtig ausgezahlt, die komplette Serie innerhalb weniger Monate am Stück zu schauen. Denn beim ersten Mal habe ich die einzelnen Staffeln über mehrere Jahre hinweg geschaut und dabei übersieht man leider leicht, wie großartig die Figuren gezeichnet sind und wie geschickt ihre Charakterentwicklung über die Staffeln ausgearbeitet wird.
So hatte ich etwa komplett vergessen, dass sich die Rocinante-Crew erst einmal zusammenraufen muss und wie sehr es dabei zwischen den einzelnen Mitgliedern knirscht, bevor sie schließlich zu einer Ersatzfamilie zusammenwachsen. Das vielleicht prägnanteste Beispiel ist allerdings die Freundschaft zwischen Naomi und ihrer Gürtler-Mitstreiterin Camina Drummer (Cara Gee), die über mehrere Staffeln hinweg langsam aufgebaut wird und dann schließlich in Season 6 ihren emotionalen Höhepunkt findet.
Und apropos Staffel 6: Wenn es überhaupt einen Wermutstropfen bei „The Expanse“ gibt, dann dass die Serie strenggenommen vor dem wirklichen Ende abgesetzt wurde. Es gibt wie gesagt sechs Staffeln „The Expanse“, aber neun Bücher von James S.A. Corey; drei Bände wurden nicht verfilmt. Trotzdem finden die Serien-Verantwortlichen in der letzten Season zu einem großartigen Gänsehaut-Finale, das die meisten offenen Handlungsstränge befriedigend abschließt und dennoch die Tür für ein mögliches Revival ganz weit offen lässt...
Im "The Expanse"-Finale bemerkt? So wird im Abspann bereits Staffel 7 angedeutetHinweis: Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.