Die Pixar Animation Studios haben einen Hang dazu, Konzepte zu nehmen, die an der Oberfläche niedlich und witzig wirken – und sie dann mit großer Emotionalität zu versehen. Sei es die turbulente Reise eines Clownfisches und seiner vergesslichen Begleiterin, oder der Lebenstraum einer Ratte, Gourmetmenüs zu kochen. Die intensiven Gefühle, die sich durch Pixar-Filme ziehen, standen 2015 dann ganz unverblümt im Rampenlicht – mit dem tragikomischen Blockbuster „Alles steht Kopf“.
Der erhält zwar erst 2024 seine offizielle Fortsetzung, doch bereits 2020 gab es mit „Soul“ ein Sequel im Geiste. Fast drei Jahre nach seiner Premiere auf Disney+ kommt der Animationsfilm nun endlich ins Fernsehen: „Soul“ feiert heute, am 16. Dezember 2023, um 20.15 Uhr seine Free-TV-Premiere auf dem Disney Channel. Darüber hinaus könnt ihr das mit zwei Oscars prämierte, tragikomisch-zauberhafte Pixar-Highlight weiterhin bei Disney+ abrufen:
"Soul": Eine außerkörperliche Erfahrung
Musiklehrer Joe Gardner träumt davon, ein umjubelter Jazz-Musiker zu werden und nie wieder unterrichten zu müssen. Als er die Chance erhält, gemeinsam mit einer berühmten Saxophonistin aufzutreten, ist er aus dem Häuschen – und hat prompt einen tödlichen Unfall. Weil er sich seinem Schicksal nicht ergeben möchte, flieht er vor dem Jenseits und verirrt sich deswegen ins „Davorseits“...
Dort werden Seelen, die noch nicht auf die Erde geschickt wurden, mit ihrer Persönlichkeit ausgestattet, ihren Talenten, ihren vermeintlich aus dem Nichts kommenden Wesenszügen. Joe macht Bekanntschaft mit Seele 22, die sich seit langer Zeit dagegen wehrt, das „Davorseits“ zu verlassen. Ein Clash der Gemüter, der absurde Folgen hat, ebenso wie nachdenklich machende und rührende Konsequenzen...
"Es ist Fiktion, es ist ihr Recht": Shitstorm um Denzel-Washington-Netflix-Epos wird gekonnt der Wind aus den Segeln genommenRegisseur und Autor Pete Docter entführte sein Publikum damals mit „Alles steht Kopf“ in die Gefühlswelt eines jungen Mädchens. Ihm und seinem Team gelang es, die abstrakte Prämisse durch einfach geniale Designs, eine intuitive Handlung und ebenso berührende wie scharfsinnige Beobachtungen zu einem einfühlsamen, brüllend komischen Film zu formen.
Mit „Soul“ schloss Docter nahtlos an „Alles steht Kopf“ an: Erneut werden schwammige Vorstellungen destilliert und zu schlichten, schlüssigen sowie überzeugenden Versinnbildlichungen aufbereitet. Statt Gefühle zu illustrieren, geht es in „Soul“, wie der Titel verrät, um die Seele – diese schwer zu greifende, flüchtige Überlegung, was unsere Persönlichkeit ist, unser innerster Funke an Charakter und Willen.
Pixars Antwort umgeht dabei größtenteils Fragen bezüglich Religion, Atheismus und konkrete philosophische Ansätze. Nicht aber aus reiner Konfliktscheue, sondern aus spürbarer künstlerischer Ambition heraus: Wieso sich deutlich an bestehende Erklärungsversuche hängen, wenn man eigene Ideen formen und es dem Publikum überlassen kann, sie mit seinen Überzeugungen zu vereinen?
Abstrakte, warmherzige und (selbstredend) beseelte Unterhaltung
So verkopft es klingen mag: „Soul“ ist kein dröger, theoretische Diskussionen anstoßender Film, sondern die konsequente Einlösung des Versprechens, das vom Titel ausgeht. Ja, diese Komödie bietet Vorschläge, wie man sich Konzepte wie die Seele, Charakterbildung oder auch Depression vorstellen kann – und ist daher intellektuell bereichernd.
Der Film ist aber auch überaus beseelt und herzerwärmend: Wenn Joe und 22 nach allerlei Trubel einen (sie äußerst verärgernden) Weg auf die Erde finden, erstrahlt das herbstliche New York in wohligen Erdtönen und besticht mit einer liebenswerten Schrulligkeit. Und mit einer zur Jazz-Musik passenden Charakteristik:
Das idealisierte Pixar-New-York vibriert, bebt, saust und braust – nur, um abrupt innezuhalten und Joe sowie 22 auch idyllische Ruheinseln zu geben. Dem steht das Davorseits gegenüber, ein von abstrakter Kunst inspirierter, minimalistisch-stylischer und daher visuell beeindruckender, allerdings auch auf Distanz haltender Ort, der in seinem eigenen Tempo dauerhaft verharrt.
Diese Diskrepanz setzt sich auch auf akustischer Ebene fort: Während die Komponisten Trent Reznor & Atticus Ross („Gone Girl“) einen warmen, aber unwirklichen Score für das Davorseits verantworteten, steuerte Jon Batiste die facettenreiche Jazz-Musik bei, die im Diesseits erklingen: Fidel, kummervoll, beharrlich, in sich gekehrt und exzentrisch – einmal die gesamte Palette, und doch sich stets treu bleibend.
So gelingt es Regisseur/Autor Docter, Co-Regisseur/Autor Kemp Powers („Spider-Man: Across The Spider-Verse“) und Co-Autor Mike Jones („Luca“) ganz beiläufig, große wie kleine Fragen des Lebens clever zu behandeln und aufzuzeigen, was unser Dasein ausmacht. All das ohne kitschige Moral-Monologe, aber voller temporeichem, die Aussagen des Films behände stützendem Slapstick und genialer Situationskomik.
"Black Panther"-Spin-off kommt 2024 endlich zu Disney+ - aber anders als gedacht*Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.