Ich liebe großes Kino. Filme wie „Ben-Hur“ oder „Lawrence von Arabien“, „Titanic“ oder „Der mit dem Wolf tanzt“, „Magnolia“ oder „Apocalypse Now“ brechen nicht einfach nur wegen ihrer epischen Laufzeit aus der Norm aus. Sie fühlen sich auch aufgrund ihrer kraftvollen Bilder und ihrer entweder viele Jahre oder eine Vielzahl an Figuren umfassenden Geschichte durch und durch groß an. Filme, die sich alle Zeit der Welt nehmen, um ihre Geschichten ohne Kompromisse zu erzählen – und so nicht nur die dahinterstehenden Studioverantwortlichen gerne mal zur Verzweiflung treiben, sondern oft auch vom Publikum skeptisch beäugt werden. Aus verschiedensten Gründen.
Auf der einen Seite zeigte vor allem die jüngere Vergangenheit (u. a. in Form zahlreicher überlanger Netflix-Eigenproduktionen), dass es in den meisten Fällen keine gute Idee ist, Filmemacher*innen wirklich immer freie Hand zu lassen bei der Laufzeit. Und wenn ein*e Regisseur*in seinen bzw. ihren Film dann doch mal genau versteht und bewusst auf Überlänge setzt, muss man das Publikum auch erst einmal dazu kriegen, sich darauf einzulassen.
Filme jenseits der Drei-Stunden-Marke verlangen in der Regel schließlich auch ein gewisses Sitzfleisch, ist es bei einer derartigen Laufzeit doch fast unmöglich, Spannung und Unterhaltungsfaktor (und damit auch die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer) konstant hoch zu halten.
Spätestens im Jahr 2019 musste bzw. durfte ich allerdings erkennen, dass gewisse Filme einfach länger sein dürfen oder sogar müssen, um ihre volle Wirkung zu erzielen. Damals machte ich eine der buchstäblich größten Kinoerfahrungen meines Lebens: „La Flor“ von Mariano Llinás.
Das seit 2020 auf DVD und Blu-ray erhältliche Kino-Epos aus Argentinien ist ein wahrlich bewusstseinserweiterndes Erlebnis, das Grenzen sprengt und damit meinen Horizont erweiterte. Selbst aufgeteilt auf drei Screenings – von denen der kürzeste Abschnitt immer noch gut drei Stunden und der längste fast sechs Stunden lief – ist das in sechs Episoden gegliederte Mammutwerk eine Sonderbarkeit, auf die man sich einlassen muss.
"La Flor": Nur die Spitze des Eisbergs
An dieser Stelle will ich aber gar nicht allzu sehr auf den faszinierenden Genre-Mischmasch eingehen – und stattdessen einfach auf die Empfehlung von FILMSTARTS-Chefredakteur Christoph Petersen verweisen. Warum „La Flor“ für ihn sogar „eine der spannendsten, lustigsten, überraschendsten, faszinierendsten Kinoerfahrungen“ seines Lebens ist, könnt ihr im folgenden Artikel nachlesen:
Streaming-Tipp: "La Flor"Mir geht es vor allem darum, eine Lanze für XXL-Filme zu brechen. Denn auch wenn ich mich selbst immer häufiger dabei ertappe, zuhause auch mal einen Film zu pausieren, um mal kurz was zu erledigen oder sogar zum Smartphone greife, wenn ein Film mal weniger spannend ist, empfinde ich es doch als wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, was Kino (und auch Heimkino) eigentlich ist: ein magischer Ort, der kurzzeitig aus dem Alltag zu entführen vermag.
Doch genau das ist nun mal nicht möglich, wenn man zwischendrin kurz mal was auf Google nachschaut, nur schnell mal die Wäsche aufhängt oder eine Pizza in den Ofen schmeißt. Und je länger ein Film geht, desto größer ist die Gefahr, diesen beim Schauen zur Nebensache zu degradieren. Dann allerdings sollte man sich am Ende die Frage stellen, ob man ihn sich nicht gleich sparen könnte.
Mein Tipp: Setzt euch vorab ruhig damit auseinander, wie lang der Film in etwa ist, den ihr schauen wollt – das gar nicht zu wissen, kann in beide Richtungen zu kurzzeitig unschönen Überraschungen führen.
Doch vertraut auf die Filmemacher*innen und lasst euch ohne Kompromisse auf ihre Geschichten und die damit einhergehende Laufzeit ein. Taucht ohne potenzielle Ablenkungen darin ein und lasst auch mal Längen auf euch wirken. Wenn sich einzelne Szenen ziehen oder auch mal Langeweile aufkommt, klinkt euch nicht direkt aus, sondern setzt euch damit auseinander. Denn selbst ein Dahinplätschern des Plots kann gewollt sein – etwa um in die Gefühlswelt des Protagonisten abtauchen zu können und beispielsweise dessen Leid und Schmerz greifbarer zu machen, am eigenen Leib zu verspüren.
Denn so wird aus einem Film letztlich eine Erfahrung – aus der man weit mehr mitnehmen kann als bloße Unterhaltung für eineinhalb, zwei oder auch ein paar Stunden mehr. Erst so kann man das Kino nicht nur wahrhaftig zur Realitätsflucht nutzen, sondern auch als Kunstform wahrnehmen, der keine Grenzen gesetzt sind.
Seid ihr offen für derartige den eigenen Horizont erweiternde Erfahrungen? Dann öffnen sich damit die Pforten in völlig neue, spannende Filmwelten – in denen euch etwa auch so einzigartige Mammutprojekte wie „DAU“ erwarten:
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