Dass Filme nicht zwingend viel Brimborium und CGI brauchen, um großartige Unterhaltung zu bieten, bewiesen damals Lars von Trier und Thomas Vinterberg mit Dogma 95. Das dazugehörige Manifest stellte verschiedene Anforderungen an die Dogma-Regisseur*innen: keine nachträgliche Filmmusik, keine Spezialeffekte, keine künstliche Beleuchtung, der Film muss im Hier und Jetzt spielen. Heraus kamen dabei großartige und aufs Wesentliche reduzierte Filme wie „Das Fest” oder „Idioten”.
Wäre „kein Genre” nicht auch eine Prämisse des Dogma-Manifests, beinahe könnte „Coherence” ebenfalls einer sein. In nur fünf Drehtagen, mit kaum Budget und noch weniger Skript ist James Ward Byrkit eine Sci-Fi-Perle gelungen, die wir euch dringend ans Herz legen möchten. Denn zur absoluten Reduktion und Verdichtung der Handlung auf nur einen Ort kommt eine gehörige Portion Lynch und „Fringe” – und das Ergebnis ist ein Mindfuck der allerbesten Sorte. Aktuell könnt ihr „Coherence” auf Apple TV streamen. Innerhalb eines 7-tägigen Probeabos ist das sogar kostenlos.
Wer den Film ohne (Probe-)Abo sehen möchte, kann sich bei Amazon aktuell die Limited Special Edition auf Blu-ray holen. Hier findet ihr im umfangreichen Bonusmaterial neben einem Booklet auch eine Soundtrack-CD, Audiokommentare und Behind-the-Scenes-Material:
Das passiert in “Coherence”
Acht Freund*innen (Emily Baldoni, Maury Sterling, Nicholas Brendon u.a.) treffen sich zu einer Dinnerparty. Zu Beginn ist die Runde noch locker, die Freunde essen, quatschen und lachen. Dass gerade ein Komet seine Bahn direkt über ihnen zieht, wird zunächst mit Sprüchen kommentiert. Doch ist womöglich etwas dran an den alten Geschichten von Kometen, die unerklärliche Geschehnisse verursacht haben sollen?
Schon bald beginnt die Stimmung zu kippen, denn immer mehr seltsame Dinge passieren: Smartphone-Displays brechen aus dem Nichts, das Internet ist weg und bald auch der Strom. Nur ein einziges Haus außer ihrem ist am Ende der Straße noch beleuchtet. Hugh (Hugo Armstrong) und Amir (Alex Manugian) machen sich auf den Weg, um herauszufinden, was da vor sich geht. Und kommen zurück mit einer Kiste, die einen beunruhigenden Inhalt birgt…
Immer mehr beginnen sich Realitäten zu verschieben und (Parallel-)Welten zu überlappen, wobei die ganz große Stärke des Films ist, das Maximum aus dem Minimum herauszuholen. Ein Raum, nur wenige Außenaufnahmen, eine wackelige Kamera, die die Risse in den Dimensionen und Wahrnehmungen der Figuren nur mehr zu betonen scheint.
Schrödingers Katze dreht sich im Kreis
In seinen dunkelsten Momenten ist „Coherence” verdammt nah dran an Lynch, der ebenfalls gerne mit verwischten Realitäten und Doppelgängern spielt. Das Doppelgängermotiv, welches in Kunst, Literatur und Film auch immer für Identitätsverlust steht, wird hier ad absurdum geführt: Die Doppelgänger sind sie selbst und sind es auch wieder nicht, sie sind Spiegelungen aus anderen Dimensionen.
Dimensionen, in denen Dinge gleichzeitig möglich sind, tot und lebendig, wie das Gedankenexperiment zu Schrödingers Katze: „Coherence” steht hier für die kohärente Überlagerung zweier Zustände. Ob das dann auch kohärent im Sinne der Logik ist, ist am Ende egal: Denn wie so oft dient Science-Fiction auch hier der Ausführung eines Gedankenexperiments – nicht unbedingt dem der Katze, sondern vielmehr dem “Was wäre wenn…?”, dem jeder der Protagonisten des Films auf seine Weise begegnet. Das Ergebnis sind pragmatische Diskussionen, getwistete Momente und ein gequirlter Plot, der die Spannung auf ganz eigene Weise hochschraubt.
Dieses "Fluch der Karibik"-Prequel habt ihr garantiert nicht gesehen – dabei hat der Regisseur auch einen gefeierten Sci-Fi-Film gedreht!*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.