Wenn wir an Vampire denken, dann kommt uns jenes Untoten-Bild in den Sinn, welches von Schauspielern wie Bela Lugosi oder Christopher Lee geprägt wurde. Ältere, distinguiert in Erscheinung tretende Herren, die sich an jungen Frauen vergehen. Das Faszinierende an dieser Darstellung – und am Vampir allgemein – ist die Aura, die verführerisch und bedrohlich zugleich ist. Inzwischen aber sind die blutsaugenden Gestalten der Finsternis weitaus vielseitiger aufgestellt. Dafür hat nicht nur „Twilight“ gesorgt, sondern auch „Near Dark“, „Interview mit einem Vampir“, „30 Days Of Night“ oder, nun ja, „Morbius“.
Einer der interessantesten Vertreter des Vampir-Kinos: „So finster die Nacht“ von „Dame, König, As, Spion“-Macher Tomas Alfredson. Das schwedische Schauer-Drama um eine ungleiche Freundschaft wurde nicht nur von der globalen Kritik nahezu durch die Bank weg gefeiert. Es ist auch eine packende Variation des klassischen Vampirismus-Motivs. Falls ihr den Film noch nicht gesehen habt, könnt ihr ihn bei Freevee nachholen. Dabei handelt es sich um den kostenlosen Streamingdienst von Amazon, den ihr ohne Prime-Video-Abo schauen könnt. Ihr müsst euch hier nur auf etwas Werbung zwischendurch einstellen.
Darum geht’s in "So finster die Nacht"
Oskar (Kare Hedebrant) ist ein in sich gekehrter Zwölfjähriger, der es in der Schule ganz und gar nicht einfach hat. Hier nämlich wird er von seinen Mitschülern aufs Gröbste drangsaliert und hat niemanden, dem er sich irgendwie mitteilen kann. In Gedanken malt sich der sensible Blondschopf grausame Rachepläne aus, findet aber nie den Mut, diese auch in die Tat umzusetzen. Doch als er die mysteriöse Eli (Lina Leandersson) kennenlernt, ändert sich sein Leben.
Das Mädchen, das er stets nur nach Sonnenuntergang und trotz Kälte ohne jegliche Winterbekleidung trifft, scheint eine ihm verwandte Seele zu haben. Doch die bleiche Eli mit den traurigen Augen, die mit ihrem angeblichen Vater in der Nachbarwohnung lebt, ist ein Vampir und wird von ihrem Hunger nach menschlichem Blut getrieben...
Coming-Of-Age trifft auf Horror
In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es für „So finster die Nacht“ starke 4 von 5 möglichen Sternen. Darüber hinaus hat es das Vampir-Drama auch auf die hinteren Plätze unseres Rankings der besten Horrorfilme aller Zeiten geschafft. Zwei mehr als gute Gründe, den außergewöhnlichen Film nachzuholen. Vor allem, wenn man die Nase voll von klassischen oder glitzernden Blutsaugern hat. Dementsprechend fällt euch das Fazit der Kritik von unserem Autor Ulf Lepelmeier aus:
„‚So finster die Nacht‘ ist ein in der Realität verankerter Vampirfilm über Einsamkeit, Freundschaft und Loyalität, der sich mehr für die Psyche seiner kindlichen Protagonisten als für die Spezifika der Nachfahren Draculas interessiert. Der Film begeistert mit seiner durchdringend-melancholischen Stimmung und seinen Hauptdarstellern, die die Geschichte zweier verletzter Seelen zu etwas Besonderem machen.“
Wenn man so möchte, dann ist „So finster die Nacht“ die melancholisch-depressive Antwort auf die Geschichten der Autorin Astrid Lindgren („Pippi Langstrumpf“, „Ronja Räubertochter“, „Wir kinder aus Bullerbü“). Denn das ebenfalls in Schweden spielende und produzierte Vampir-Drama zeichnet sich durch ein größtmögliches Verständnis für kindliche Gefühlswelten und Denkweisen aus, nur, dass hier eben nicht jede Menge Fröhlichkeit versprüht wird. Tatsächlich aber basiert „So finster die Nacht“ auch auf einem Roman. Das gleichnamige Buch von John Ajvide Lindqvist, der auch die Drehbuchvorlage zum Film verfasst hat, ist 2004 geradewegs zum Bestseller aufgestiegen.
Dass „So finster die Nacht“ etwas derart Besonderes im Vampir-Metier darstellt, liegt daran, dass sich der Film ohne Unterlass auf die Perspektive seiner kindlich-jugendlichen Protagonisten einlässt. Dadurch entfesselt Tomas Alfredson eine inszenatorische Dichte, der man nicht entkommen kann. Die verschneiten Landschaften und die trostlosen Wohnblöcke unterstreichen die Grundstimmung von „So finster die Nacht“ nachhaltig. Hier bekommen es die Zuschauer*innen mit einem fast schon nüchternen Vampirfilm zu tun, der in erster Linie nicht gruselig oder blutig ist, sondern von Einsamkeit und Traurigkeit berichtet. Ein melancholisches Außenseiterdrama, das zwar nicht vor Gewalt zurückschreckt, im Kern aber wunderbar sanftmütig, aufmerksam und mit tollen Schauspieler*innen unterstreicht, wie schrecklich es sein kann, ein Kind zu sein. Und wie wichtig es ist, Freunde zu haben.
"Es ist mir scheißegal, was Al Pacino denkt": So gnadenlos rechnet ein Meisterregisseur mit der Schauspiel-Legende abDies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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