In den USA erschien er ohne Segen der Jugendschutzbehörde. In Großbritannien gehörte er zu den Filmen, die eine nationale Anti-Horrorfilm-Hysterie auslösten. Und in Deutschland war er jahrzehntelang nicht bloß indiziert, sondern sogar beschlagnahmt. Kurzum: „Maniac“ genießt im Horrormetier einen garstigen Ruf – und auch wenn der Film mittlerweile uncut ab 18 Jahren freigegeben ist, hat er nichts von seiner verdorbenen Faszination eingebüßt.
Wer der schmierigen Seite des Horrorkinos zugetan ist und den Exploitation-Meilenstein von Regisseur William Lustig noch nicht kennt, oder aber seine unbequeme Atmosphäre und drastischen Kills erneut erleben will, kann sich glücklich schätzen: Mittlerweile muss man nicht mehr mühselig nach einer ungeschnittenen Kopie suchen, sondern kann „Maniac“ unbesorgt und problemlos in voller Länge bei Prime Video als VOD leihen und kaufen!
"Maniac": Ein Psychokiller im Big Apple
Frank Zito (Joe Spinell) ist Einzelgänger, hatte ein ungesundes Verhältnis zu seiner verstorbenen Mutter und terrorisiert nachts New York: Wer Glück hat, nimmt einen gewaltigen Schock aus einer Begegnung mit ihm mit. Doch zumeist bringt er seine jungen, weiblichen Opfer auf grausame Weise ums Leben.
Als Frank eines Tages von der jungen Fotografin Anne D’Antoni (Caroline Munro) abgelichtet wird, glaubt er, dass zwischen ihnen eine besondere Bindung besteht. Statt Anne zu töten, versucht er, sie kennenzulernen und eine richtige Beziehung aufzubauen. Aber Franks Blutgier lässt sich nicht lange unterdrücken...
Winzige Mittel, brutale Wirkung
350.000 Dollar mögen heute ein erschreckend winziges Budget sein, aber schon 1981 war es ein beengender finanzieller Rahmen für eine Filmproduktion. Und doch hat William Lustig damals mit diesem Betrag einen wahren Meilenstein des Horrorkinos abgeliefert. Einen Meilenstein, an dem sich seither viele Regisseure mit deutlich größerem Budget orientierten – jedoch kommen sie selten auch nur in die Nähe der Wirkung dieses eindrucksvollen Low-Budget-Horrorfilms. Seinen nachhallenden Effekt hat „Maniac“ unter anderem seinem auch als Nebendarsteller agierenden Effektkünstler zu verdanken – Tom Savini, der auch an „Dawn of the Dead“ und „From Dusk Till Dawn“ mitwirkte.
Savini kreiert in „Maniac“ drastische, glaubwürdige und daher besonders schmerzhafte Verletzungs-, Skalpierungs- und Tötungseffekte. Die operieren teils mit kurzer, prägnanter Drastik. Doch der wohl ikonischste Kill in „Maniac“ ist der reißerischste: Inspiriert von Berichten über die reale Vorgehensweise des „Son of Sam“-Serienmörders David Berkowitz wird in „Maniac“ einem Mann aus nächster Nähe mit einer Schrotflinte der Schädel weggepustet.
Die drastisch-explosive Szene, gedreht mit einer echten Waffe, echter Munition und einer mit Kunstblut sowie Essensresten gefüllten Kopf-Attrappe, nahmen sich viele Filmschaffende zum Vorbild. Doch Savinis praktische Effektarbeit legte die Messlatte so hoch, dass viele der Imitationen neben dem Original verblassen. Allerdings sollte man nicht den Fehler machen, die Faszination, die „Maniac“ seit über 40 Jahren auf Horrorfans ausübt, auf die imposant-ekligen Tötungen zu beschränken.
New York, völlig versifft
Lustig kreiert in „Maniac“ eine denkwürdige Atmosphäre, die zum Ekelfaktor des Films mindestens so sehr beiträgt wie die Menge an genutztem Kunstblut. Denn der frühere Porno-Regisseur und sein Kameramann Robert Lindsay fangen das kriselnde, nichts vom glamourösen Big Apple aufweisende New York der frühen 1980er-Jahre in all seinem Siff ein:
Dieses New York ist schmierig, schwitzig, zugemüllt und man sieht es einigen der Schauplätze förmlich an, wie sehr sie nach Urin stinken – es ist das Gotham, das Todd Phillips in „Joker“ kreiert, hoch drei und deutlich realer. Vor dieser Kulisse entfalten die Versuche Franks, menschlicher zu handeln, und die Bemühungen Annes, ihre sonderbare neue Bekanntschaft zu begreifen, eine beängstigende, aber auch geradezu tragische Wirkung.
Die Spannungen zwischen Joe Spinell und Caroline Munro sind fesselnd, da immer wieder die Aussicht aufblitzt, dass Spinnells Killerrolle die Kurve kriegen könnte – doch umso härter sind seine Rückschläge. Man fühlt sich nahezu in die Psyche dieses Mörders hineinversetzt. Das Remake mit Elijah Wood aus dem Jahr 2012 intensivierte diesen Ansatz übrigens konsequent und machte aus dem Stoff ein tragisches Psychopathen-Horrordrama, das aus seiner Perspektive gezeigt wird. Mehr dazu gibt es in unserer Kritik.
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Dies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.