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    Vergesst "Rocky"! Dieses viel zu unbekannte Boxer-Drama aus den 90er Jahren ist sogar noch besser
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Pascal liebt das Kino von „Vertigo“ bis „Daniel, der Zauberer“. Allergisch reagiert er allerdings auf Jump Scares, Popcornraschler und den Irrglauben, „Joker“ wäre gelungen.

    „Rocky“ ist der wohl bekannteste und beliebteste Boxer-Film aller Zeiten. Aber ist er auch der beste? Für FILMSTARTS-Redakteur Pascal Reis nicht. Stattdessen möchte er euch „Der Boxer“ mit Daniel Day-Lewis aus dem Jahre 1997 ans Herz legen.

    Regisseur Jim Sheridan („Brothers“) hatte entscheidenden Anteil daran, dass Daniel Day-Lewis („Gangs Of New York“) heute für viele Cineast*innen als bester Schauspieler der Gegenwart gehandelt wird. Für „Mein linker Fuß“ konnte Day-Lewis nämlich seinen ersten Oscar gewinnen. „Im Namen des Vaters“ brachte ihm eine Oscar-Nominierung ein. Die dritte Zusammenarbeit zwischen Jim Sheridan und Day-Lewis, „Der Boxer“, gerät zwar immer ein wenig in Vergessenheit, ist aber ebenfalls richtig, richtig stark.

    Ihr habt „Der Boxer“ bislang noch nicht gesehen? Dann solltet ihr den Film unbedingt nachholen. Für mich ist das Drama aus dem Jahr 1997 sogar noch besser als der Klassiker „Rocky“ mit Sylvester Stallone. Bei Amazon Prime Video steht „Der Boxer“ in der kostenpflichtigen Kauf- und Leihversion zur Verfügung. Alternativ könnt ihr auch einfach auf die Blu-ray oder DVD ausweichen:

    Darum geht’s in "Der Boxer"

    Danny Flyn (Daniel Day-Lewis) hat 14 Jahre im Gefängnis verbracht. Sein Vergehen: Er wollte die Namen anderer IRA-Aktivisten nicht offenbaren. Nach seiner Freiheitsstrafe muss Danny feststellen, dass das Leben in Freiheit komplizierter ist, als er es sich vorgestellt hat. Denn das soziale Gefüge aus dem Zusammenhalt der katholischen Bevölkerung, deren Verquickung mit der IRA und dem Einfluss der Terroristen auf die Bewohner*innen, macht es Danny nicht leicht, freie Entscheidungen zu treffen.

    Maggie (Emily Watson), die Frau, die er einst liebte und Tochter des ranghohen IRA-Mitglieds Joe (Brian Cox), hat inzwischen seinen besten Freund geheiratet, der ebenfalls aufgrund von IRA-Aktivitäten im Gefängnis sitzt. Danny, der sich in Haft von der radikalen Linie der IRA losgesagt hat, gründet zusammen mit seinem ehemaligen Trainer Ike (Ken Stott) ein Box-Trainingszentrum. Doch seine Liebe zu Maggie ist bedroht, weil Danny liberale Einstellung vielen ein Dorn im Auge ist.

    Ein Boxer-Drama, das unter die Haut geht

    Wie in „Rocky“ steht auch in „Der Boxer“ ein Underdog im Mittelpunkt. Doch im Gegensatz zur weitreichend gefeierten Geschichte um den etwas tumben Alltagshelden aus Philadelphia baut Jim Sheridan noch stärker auf die Verquickung einer greifbaren Figurenpsychologie und der authentischen Milieuzeichnung eines Nordirlands in Kriegszeiten. Anders als „Rocky“ glorifiziert „Der Boxer“ nicht den Kampfgeist des Protagonisten und bemüht jede Menge heroischer Gesten. Hier hingegen wird auf Subtilität gebaut.

    Während seiner Zeit im Gefängnis ist die Stille zum besten Freund des von Daniel Day-Lewis mit in sich gekehrter Intensität gespielten Danny geworden. Die Wortkargheit, mit der dieser Charakter seinen Alltag verrichtet, gewinnt im Verlauf von „Der Boxer“ immer stärkeren symbolischen Mehrwert. Danny nämlich nutzt die Stille, um einen stummen Prozess zu initiieren – und das in einer Zeit, in der die konfessionellen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Gräben in Nordirland schlichtweg unüberwindbar schienen.

    Der Boxer
    Der Boxer
    Starttermin 19. Februar 1998 | 1 Std. 53 Min.
    Von Jim Sheridan
    Mit Daniel Day-Lewis, Emily Watson, Brian Cox
    User-Wertung
    3,2

    In „Der Boxer“ schwingt auch ein großes Maß an Unverständnis dahingehend mit, warum sich dieses zutiefst zerrissene Land immer noch bombardiert, obwohl es seit Jahren keinerlei Wirkung gezeigt hat. Jim Sheridan formuliert mit seinem eindringlichen Boxer-Drama ein pazifistisches Plädoyer gegen einen völlig sinnlosen Krieg. Dabei kann der Film auch auf ein ungemein stimmungsvolles Lokalkolorit bauen: Hinter den trostlosen Stadtmauern (die oftmals auch an die Gefängnismauern erinnern), brodelt ein explosiver Schmelztiegel, der jede Sekunde für ein Blutbad sorgen könnte.

    „Der Boxer“ ist aber nicht nur Drama und Sportfilm (wobei dieser Aspekt ebenfalls nicht für spektakuläre Kampfsequenzen genutzt wird), sondern auch ein sanftmütiger Liebesfilm. Dabei geht es um Identität, Moral und Loyalität – und wie schwer es dabei sein kann, seinen Prinzipien treu zu bleiben.

    Letztlich ist „Der Boxer“ ein Film über zwei Seelenverwandte, die füreinander gemacht sind, aber schlichtweg keine Wahl haben, als ihre Zuneigung füreinander geheim zu halten. Das ist in diesem Fall auch nicht kitschig, sondern wunderbar wahrhaftig und dem Erwachsenenkino eines Jim Sheridan entsprechend von geistreicher Komplexität beseelt.

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