Nach der immensen Aufmerksamkeit für ihr historisches Liebesdrama „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ standen Produzent*innen sowie Geldgeber*innen sicherlich Schlange, um den nächsten Film der schwer angesagten französischen Autorin und Regisseurin Céline Sciamma („Tomboy“) zu finanzieren. Aber statt die Gunst der Stunde zu nutzen, um ein möglichst großgedachtes Projekt an den Start zu bringen, hat sie das genaue Gegenteil getan – nämlich einen betont bescheidenen, das „Petite“ schon im Titel tragenden Zeitreise-Film gedreht.
Der nur 73 Minuten kurze „Petite Maman - Als wir Kinder waren“ spielt überwiegend in einem malerischen Wald: Die achtjährige Nelly (Joséphine Sanz) hilft ihren Eltern dabei, das Haus der verstorbenen Großmutter auszuräumen. Für Nellys Mutter (Nina Meurisse) sind die vielen Erinnerungen an ihre eigene Kindheit irgendwann zu viel – und so räumt Nelly fortan nur noch gemeinsam mit ihrem Vater (Stéphane Varupenne) die Schränke aus.
Im Wald trifft Nelly unterdessen auf die etwa gleichaltrige Marion (Gabrielle Sanz), die sich mit Ästen eine eigene Hütte gebaut hat. Irgendwann nimmt Nelly ihre neue Freundin auch mit ins Haus ihrer Großmutter – und dort dauert es nur ein paar Minuten, bis Nelly durchschaut, dass Marion in Wahrheit ihre eigene Mutter im Kindesalter ist. Offenbar ist der Wald zugleich auch eine Zeitreise-Pforte zwischen den Generationen...
Alles andere als ein typischer Zeitreise-Film
Als Zuschauer*in durchschaut man sogar noch früher als Nelly, wer Marion wirklich ist – und weil eine solche Enthüllung in anderen Filmen irgendwann als großer Twist verkauft werden würde, stellt man sich innerlich schon darauf ein, von der vorhergesehenen Wendung enttäuscht zu werden. Aber Pustekuchen: Céline Sciamma selbst enthüllt das große Mysterium schon wenige Minuten später – und zwar ohne jedes Tamtam, als ob es die normalste Sache der Welt wäre.
In „Petite Maman“ geht es zwar um einen Zeitsprung – und trotzdem ist der Film alles andere als typisch für das Genre: Zum Beispiel kommen die beiden Mädchen gar nicht erst auf die Idee, das schicksalhafte Aufeinandertreffen zu nutzen, um irgendetwas an der Vergangenheit zu verändern. Obwohl gerade Nelly sehr genau weiß, dass im Leben ihrer oft depressiven Mutter nach diesem magischen Treffen nicht alles glattlaufen wird, werden die beiden „einfach nur“ beste Freundinnen, die zusammen Pfannkuchen backen und ein Krimi-Schauspiel aufführen.
Was hat sich der WDR bei dieser Uhrzeit nur gedacht?
In der 4-Sterne-FILMSTARTS-Kritik lautet das Fazit: „Ein ebenso schlichtes wie betörendes Kinomärchen, das Familien wie Arthouse-Fans gleichermaßen begeistern wird.“
Nun wird vielleicht der eine oder andere Arthouse-Fan tatsächlich bis nach 1.00 Uhr nachts wachbleiben, um sich die TV-Premiere dieser Kino-Perle im TV anzusehen. Aber „Petite Maman - Als wir Kinder waren“ ist eben auch ein ganz wundervoller Kinder- und vor allem Familienfilm – und da ist der Ausstrahlungstermin natürlich der pure Hohn.
Laut der Website des Films bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt es in den kommenden sechs Wochen auch keine Wiederholung (zum Beispiel tagsüber am Wochenende) – und selbst in der Mediathek fürs gemeinsame Familien-Streaming scheint „Petite Maman - Als wir Kinder waren“ nicht zu landen.
Da hat jemand bei der Programmplanung aber mal so richtig geschlafen – genauso wie all die Kinder während der TV-Premiere von „Petite Maman“, die mit dem so wunderschönen Film bestimmt ebenfalls eine große Freude gehabt hätten...
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