Nach den Drehbuchautor*innen, die bereits seit dem 2. Mai 2023 im Ausstand sind, streiken in Hollywood nun auch die Schauspieler*innen. Zum ersten Mal seit den 1960er-Jahren kommt es zu so einem Doppel-Streik, der die Traumfabrik nachhaltig erschüttern wird und auch große Auswirkungen auf das Publikum hat. Warum wird gestreikt? Was bedeutet das genau? Und welche Projekte sind bereits betroffen? Wir erklären es euch!
Warum streikt Hollywood?
Grundsätzlich geht es um bessere Bezahlung. Meist wird zwar über die Millionengehälter der Stars berichtet, aber die Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA vertritt rund 160.000 Schauspielende und Stunt-Leute, von denen viele gerade so über die Runden kommen. Zwei Kernprobleme in der Auseinandersetzung wollen wir hier ausführlicher vorstellen:
Ein Streitpunkt sind die sogenannten Residuals. Das sind jährliche Zahlungen, die an die Schauspieler*innen u.a. für TV-Ausstrahlungen und Wiederaufführungen alter Filme und Serien, in denen sie mitspielen, gezahlt werden. Zusammenfassen kann man das damit: Verdient das Studio noch mal Geld mit einem alten Projekt, sollen auch die damals Beteiligten davon etwas abbekommen. Im Streamingzeitalter läuft diese Regel aber oft leer. Residuals seien hier oft lächerlich niedrig. Schauspieler*innen berichten von wenigen Hundert Euro im Jahr, die sie hier bislang ausbezahlt bekommen.
Ein weiterer großer Diskussionspunkt ist der Umgang mit KI. Gerade die Hollywood-Studios wollen sich hier sehr weitgehende Rechte einräumen lassen. Die Angst ist gerade bei Schauspieler*innen von Kleinstrollen groß. Wenn Studios Performances und Stimmen abspeichern und von einer KI replizieren, werden sie vielleicht überflüssig. Werden sie künftig nach einem Tag am Set nach Hause geschickt und den Rest macht die KI? Werden sie vielleicht sogar für Filme genutzt, bei denen sie nie am Set waren und Geld für gesehen haben?
Was dürfen die Stars nun nicht mehr?
Wie sehr der Streik Hollywood lahmlegt, zeigt eine Übersicht über alle Tätigkeiten, welche die Stars und alle weiteren SAG-Mitglieder nun nicht mehr ausführen werden. Denn das ist viel mehr als nur das bloße Drehen von Filmen und Serien, also vor der Kamera stehen, welches natürlich verboten ist. Es dürfen u. a. auch keine Sprachaufnahmen gemacht werden – von Synchro bis hin zu Nachvertonung von Dialogen.
Es darf keinerlei vorbereitende Arbeit für künftige Produktionen gemacht werden – vom reinen Vorsprechen über Kostümproben und Make-Up-Tests hin zur Konzeption von Stunts. Es darf nicht mal über künftige Rollen verhandelt werden.
Sie dürfen auch keine Promo-Arbeit für bereits bestehende oder künftige Filme und Serien machen: keine Interviews geben, keine Festivals oder Filmpremieren besuchen, auf keinen Fan-Conventions auftreten, nicht für Filmpromos in Podcasts auftauchen oder Filmwerbung in den sozialen Medien posten. Der sich drohende Streik sorgte so zum Beispiel bereits dafür, dass die Londoner Premiere von „Oppenheimer“ eine Stunde früher begann – so konnten die Stars noch über den roten Teppich flanieren. Während der Kinovorführungen verschwanden Matt Damon, Robert Downey Jr., Florence Pugh und Co. dann aber leise, still und heimlich. Denn nun war Streik-Zeit.
Natürlich dürfen Schauspieler*innen weiter in Podcasts auftreten oder auf Social Media posten – letzteres tun gerade sehr viele, um zu zeigen, dass sie den Streik unterstützen. Sie dürfen es nur nicht hinsichtlich ihrer Projekte. In einen Podcast gehen, um über den Streik oder das Lieblingshaustier reden: Kein Problem! In einem Podcast über die eigene Karriere oder den nächsten Film reden: Verboten! Auf Social Media das Mittagessen teilen: Kein Problem! Auf Social Media den Trailer zum nächsten Film teilen: Verboten!
Welche Filme und Serien sind betroffen?
Unzählige Produktionen sind davon betroffen. Sie alle aufzulisten wäre unmöglich. Daher wollen wir uns auf einige prominente und von euch besonders heiß erwartete Titel konzentrieren.
Bei unter anderem folgenden Filmen und Serien wurden laut Berichten die laufenden Dreharbeiten sofort abgebrochen. Sie sollen nach Beginn des Streiks wieder aufgenommen werden – wobei das ein organisatorischer Albtraum ist. Zeitpläne von Stars und für Locations müssen neu ausgetüftelt werden. In einzelnen Fällen kann es zu Umbesetzungen kommen, weil ein Star nicht mehr zur Verfügung steht oder zu Skriptänderungen, weil an einem Ort nicht mehr gedreht werden kann. Meist dürften sich die anvisierten Kinostarts verschieben.
- „Bad Boys 4“
- „Beetlejuice 2“
- „Deadpool 3“
- „Gladiator 2“
- „Twisters“
- „Mortal Kombat 2“
- „The Sandman: Staffel 2“
Folgende Filme und Serien, die in Kürze mit dem Dreh beginnen sollten, können vorerst wohl nicht gedreht werden. Hier geht es darum, neue Drehtermine zu finden. Der organisatorische Albtraum mit allen möglichen Auswirkungen ist ähnlich wie bei den Abbrüchen. Auch hier dürften sich Kinostarts verschieben
- „Mission: Impossible 8 - Dead Reckoning Teil 2“ (wurde teilweise schon mit „M:I 7“ gedreht)
- „White Lotus: Staffel 3“
- „Emily in Paris: Staffel 4“
- „Alien“-Serie (möglicher Sonderfall)
Die „Alien“-Serie ist womöglich ein Sonderfall. Sie sollte in Kürze in Thailand gedreht werden, zahlreiche Studios in Bangkok waren gemietet. Es sind auch viele lokale Schauspieler*innen beschäftigt, die nicht Mitglied der US-Gewerkschaft sind. Laut dem Branchenmagazin Variety sei aktuell denkbar, dass man trotz des Streiks bereits mit dem Dreh anfange – und nur die Szenen mit Nicht-Gewerkschafts-Cast filme. Das wäre aber tricky, da mehrere Schlüsselfiguren dann nicht zur Verfügung stehen.
Einen ähnlichen Weg scheint das „Game Of Thrones“-Spin-off „House Of The Dragon“ zu gehen. Das Gros des Casts seien Stars aus Großbritannien, die für den Dreh in ihrer Heimat auch nicht unter den Regeln der US-Hollywood-Gewerkschaft SAG-AFTRA, sondern unter jenen der lokalen Gewerkschaft Equity beschäftigt sind. Aufgrund der besonders strengen und Gewerkschafts-unfreundlichen Regeln auf der Insel müssen sie wohl weiter arbeiten. Die Situation sei aber auch hier sehr vertrackt.
Bei der Fantasy-Konkurrenz von „Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ stellt sich das Problem (noch) nicht. Die Dreharbeiten für die zweite Staffel seien hier bereits in Erwartung eines möglichen Streiks mit erhöhter Geschwindigkeit durchgezogen worden und konnten rechtzeitig abgeschlossen werden. Je nachdem, wie lange der Streik geht, hat es aber trotzdem Auswirkungen. Nachdrehs oder so wichtige Nachvertonungen sind aktuell ja nicht möglich.
Weniger Hollywood-Kino, weniger News
Je nachdem, wie lang der Streik dauert, wird es auch sehr deutliche Auswirkungen auf Kinogänger*innen in Deutschland und dem Rest der Welt geben. Durch den Doppelstreik sind wir in der Sondersituation, das fast gar nichts mehr geht. Es können keine neuen Filme und Serien für die ferne Zukunft entwickelt werden – weil die Autor*innen streiken. Und es können keine Titel für die nahe Zukunft gedreht werden – weil die Schauspieler*innen streiken. Und selbst die Filme und Serien, die jetzt herauskommen, könnten von den Stars nicht beworben werden.
Daraus dürften viele Verschiebungen resultieren. Einige Insider befürchten bereits, dass die Kinostartkalender für die Jahre 2024/2025 deutlich weniger Hollywood-Produktionen beinhalten werden. Eine Chance, die vielleicht das europäische Kino nutzen kann, um in die Lücken zu stoßen.
Ein Problem besteht aber auch in der Bewerbung kommender Projekte. Es ist durchaus möglich, dass die Studios nun teilweise Trailer und Promo-Bilder zurückhalten – zumindest wo es möglich ist. Denn die Stars können ihre Social-Media-Reichweite aktuell nicht nutzen, um sie weiter zu verbreiten. Auch Casting-News dürften erst mal seltener werden. Schließlich steht dieser Bereich still. Es wird nicht plötzlich keine Trailer mehr geben (angeblich soll bereits in Kürze einer zu „The Marvels“ erscheinen), aber es werden weniger.