Die Karten sind schlecht gemischt – nicht nur für die Liebenden, um die sich „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ dreht. Sondern auch für Regisseur Aleksandre Koberidze: Sein Langfilmdebüt „Lass den Sommer nie wieder kommen“ wurde auf ein paar Festivals gezeigt, ein regulärer Kinostart blieb ebenso aus wie eine haptische Heimkino-Veröffentlichung. Vor diesem Hintergrund klingt das, was danach „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ vergönnt war, triumphal:
Ein Jahr nach seiner Berlinale-Premiere erhielt er einen bundesweiten Kinostart – in 44 Kinos, wo ihn am Startwochenende etwas mehr als 1.500 Menschen sahen. Man darf jede Wette eingehen, dass das Kleinod nun sein Publikum enorm vergrößern wird: „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ ist heute, am 7. Mai. 2023, ab 23.35 Uhr im Ersten zu sehen.
Das Einschalten lohnt sich nicht bloß, um daraufhin angeben zu können, einen total obskuren Film entdeckt zu haben. Denn obwohl er nicht einmal den Sprung in die Top 100 der meistgesehenen deutschen Kinoproduktionen des Jahres 2022 geschafft hat, sind ihm ganz andere Erfolge geglückt:
Er sicherte sich den Preis der deutschen Filmkritik in der Hauptkategorie, holte sich auf der Berlinale den FIPRESCI-Preis, landete in der von Moviepilot und FILMSTARTS gewählten Top 20 der besten Filme 2022 und bei den Kolleg*innen von Filmdienst ergatterte er sogar Rang sieben!
Falls ihr nun neugierig geworden seid, aber euch der Sendetermin nicht passt: „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ ist bis zum 6. Juni 2023 in der ARD-Mediathek, außerdem ist das Gegenwartsmärchen auf DVD erhältlich.
"Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?": (Film-)Zaubersinfonie einer Großstadt
Die Wege von Lisa (Oliko Barbakadze und Ani Karseladse) und Giorgi (Giorgi Ambroladze und Giorgi Botschorischwili) kreuzen sich. Wenige Stunden später begegnen sie sich erneut und verabreden sich. Was sie nicht ahnen: Sie sind einem Fluch zum Opfer fallen, der ihr Äußeres verändert. Gelingt es ihnen, sich trotzdem wiederzuerkennen? Dass ausgerechnet jetzt die Fußballweltmeisterschaft beginnt, und somit das Leben in der Stadt umkrempelt, scheint die Chancen auf ein Wiedersehen drastisch zu verschlechtern. Aber die Macht des Kinos könnte Lisas und Giorgis Rettung sein...
Auf der einen Seite ist es erfreulich, dass Koberidzes über 150 Minuten lange, still-zärtliche Liebesgeschichte im Fernsehen garantiert mehr Menschen erreicht als noch 2022 im Kino. Zugleich ist es bedauerlich, wie viel schlechter die Bedingungen im TV sind als noch im Lichtspielhaus. Denn „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ ist ein Film, auf den man sich erst einmal einlassen muss – und das fällt im Kino durchaus einfacher, als in einer Situation, in der die Fernbedienung nur wenige Zentimeter entfernt ist.
Andererseits passt dieses bittersüße Dilemma zu diesem Film voller zerbrechlich-spröder Poesie. Denn der Regisseur beweist wiederholt, welches Gespür er für Augenblicke hat, deren Wirkung stark vom Betrachtungswinkel abhängt. Beispielsweise eröffnet „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ mit Kindern, die lärmend die Schule verlassen – ein ätzender Moment für Unbeteiligte, die sich das hallende Geplärr anhören müssen.
Doch wir alle dürften uns daran erinnern, wie beschwingt wir uns einst gefühlt haben, als wir nach einem zehrenden Schultag in die Freizeit entlassen wurden. Und eines der Kinder füttert sogar einen streunenden Hund – wie goldig! Später sehen wir eine Menschengruppe, die nachts vor einem Imbiss stehend eine Fußballübertragung verfolgt – unbequem, technisch veraltet und unzeremoniell.
Aber sie alle sind damit Teil einer charmanten Tradition, wie uns eine Stimme aus dem Off erläutert und schwelgende Erinnerungen an eigene, vertagte Gewohnheiten entlockt. Die Erzählerstimme derweil ist eigentlich zu trocken und hölzern in ihrem Duktus, um sich als wärmender Märchenonkel über die mit magischem Realismus versetzten Impressionen der georgischen Großstadt Kutaissi zu legen.
Doch im Laufe dieser von kindlicher Unschuld und erwachsener Geduld geprägten Filmzauberstunde(n) über die Herrlichkeit des Banalen lernen wir nicht nur Land und Leute kennen. Auch die Stimme aus dem Nirgendwo wächst uns mit ihrer Authentizität und ihrem Charakter derart ans Herz, dass wir sie nicht missen und ihren spät im Film geäußerten, selbstkritischen Worten inbrünstig widersprechen möchten.
FILMSTARTS am Set von "Gran Turismo": Gemeinsam mit Orlando Bloom, Neill Blomkamp & Co. im Rausch der Geschwindigkeit*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links erhalten wir eine Provision.