+++ Meinung +++
Einem der meistzitierten Filme der Geschichte ein Prequel vor die Nase zu setzen, ist ein riesiges Wagnis. Doch Sam Raimi hat sich in dieses Risiko gestürzt: Mit „Die fantastische Welt von Oz“ inszenierte er eine „Der Zauberer von Oz“-Vorgeschichte, die nicht offiziell im selben Kanon wie der Klassiker spielt, sich aber ebenso wenig an einer grimmig-finsteren Neuinterpretation versucht. Stattdessen ist sein Märchenabenteuer idealistisch, kunterbunt, verträumt und optimistisch – aber auch mit neckischem Humor versehen und hocherfreut daran, die Garstigkeit guter Märchen vorzuführen.
An den Kinokassen erreichte dieses Fantasyspektakel fast die 500-Millionen-Dollar-Marke und es wurden Pläne für mehrere Sequels geschmiedet. Jedoch wurden diese nie konkretisiert. Zum Glück endet „Die fantastische Welt von Oz“ auf keinem Cliffhanger, sondern kann für sich allein stehend genossen werden. Beispielsweise diesen Abend: „Die fantastische Welt von Oz“ läuft heute, am 19. Dezember 2022, ab 20.15 Uhr bei RTL II. Alternativ findet ihr den Film bei Disney+:
» "Die fantastische Welt von Oz" bei Disney+*
Wir können euch nur empfehlen, eure Erinnerung an „Die fantastische Welt von Oz“ aufzufrischen oder die Gelegenheit zu nutzen, ihn nachzuholen. Denn obwohl nicht nur die Sequelpläne in Vergessenheit gerieten, sondern auch der Film selbst, ist Raimis farbenfrohe Fantasygeschichte sehenswert: Der Autor dieses Artikels zählt ihn zu den besseren Disney-Bombastproduktionen der jüngeren Vergangenheit – und „Die fantastische Welt von Oz“ ist im offiziellen FILMSTARTS-Ranking der besten Fantasyfilme aller Zeiten vertreten!
"Die fantastische Welt von Oz": Ein Schwindler stürzt in seine zweite Chance
Illusionist Oscar Diggs (James Franco) arbeitet als Zauberer auf einem Jahrmarkt. Statt sich mit kleinen Tricksereien zu begnügen, lügt er seinem leichtgläubigen Publikum das Blaue vom Himmel. Privat setzen sich seine moralisch fragwürdigen Schwindeleien fort. Als er eines Tages in einen Wirbelsturm gerät, gelobt er, ein besserer Mensch zu werden, sollte er lebend aus seiner misslichen Lage herauskommen.
Genau das trifft ein – wenn auch anders als von Oscar erwartet: Er befindet sich auf einmal in einer strahlend-schönen, zauberhaften Welt. Kaum setzt er einen Fuß an Land, umgarnt er die naive Theodora (Mila Kunis) und wird in einen gewaltigen Hexen-Machtkampf zwischen Glinda (Michelle Williams) und Evanora (Rachel Weisz) gesogen. Nun muss er beweisen, dass er Wort hält!
Was folgt, ist ein Zusammenstoß dreier Regiesensibilitäten Sam Raimis: „Die fantastische Welt von Oz“ wohnt der campig-positive Raimi inne, der Tobey Maguires Megaerfolg „Spider-Man“ inszeniert hat. Wiederholt kommt der von Filmhistorie schwärmende Raimi zum Vorschein, der beispielsweise Gastregie im Coen-Brüder-Kult „Hudsucker – Der große Sprung“ führte. Etwa im von Tricks alter Schule dominierten Prolog oder wenn Raimi das Ende einer Verfolgungsjagd so inszeniert, dass sie an Scherenschnittanimation erinnert. Und Raimi übt sich hier bereits als Orchestrator berauschender CG-Effektfluten, wie er sie später in „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ meistern sollte.
Darüber, dass diese mit märchenhafter Herzlichkeit und einer Prise Dramatik sowie halbversteckter Anzüglichkeit erzählte Reise in ein Zauberland glatt Platz 37 im FILMSTARTS-Fantasyranking eroberte, lässt sich gewiss streiten. Unter anderem überholte „Die fantastische Welt von Oz“ den Oscar-Abräumer „Shape Of Water“ von Guillermo del Toro, Tim Burtons „Beetlejuice“, den derzeit bei Disney+ als Serie fortgeführten 80er-Kult „Willow“ und die Michael-Ende-Adaption „Die unendliche Geschichte“.
Die besten Fantasyfilme aller ZeitenDoch genau dazu sind Bestenlisten da: Sie wollen Diskurs anregen und dazu inspirieren, sich Filmen zu widmen, die man sonst übersehen hätte. Der Autor dieser Zeilen kann etwa verstehen, dass Raimis hübsche Märchenreise die genannten Filme überholt hat. Er ist aber beispielsweise fassungslos, dass „Die fantastische Welt von Oz“ im FILMSTARTS-Ranking die liebenswürdig-fantastische Komödie „Mein Freund Harvey“ ausstechen konnte! Wie man es jedoch dreht und wendet, hat das Disney-Mammutprojekt mehr Anerkennung verdient, als es derzeit erhält.
Denn Raimi verzaubert in seinem Fantasyspektakel mit prachtvollen Kulissen, bildschönen Kostümen und fabelhaften Welten, wie etwa einem kleinen Porzellanstädtchen, weitläufigen Mohnfeldern und einer überdimensionalen Schatzkammer, die selbst Dagobert Duck den Atem stocken lassen würde. Untermalt werden diese von stilisierten Digitaltricks ergänzten Anblicke durch einen wundervollen Score des „Nightmare Before Christmas“-Komponisten Danny Elfman. Der vermischt freudige Leichtigkeit, verspielt-theatrale Dramatik und einen altmodischen Abenteuersinn zu einer Raimis Bildwelten sehr gut ergänzenden Klangtapete.
Vor der agiert der markant besetzte Cast mit einer reizenden Attitüde irgendwo zwischen ehrfürchtiger Hommage vor dem wolkentänzerischen Studiokino der 1930er und einer sanft-modernen Perspektive auf dessen Funktionsweisen: Franco überzeugt als schmieriger Lügner und Frauenheld, der sich ganz im Ebenezer-Scrooge-Stil durch Schrecken und Alternativlosigkeit zu einer Verbesserung seines Wesens drängen lässt.
Weisz verleiht ihrer schillernd-intriganten Rolle Grandezza. Williams gibt Glinda als unterschwellig-sarkatische Unschuld mit Tiefen. Und Kunis chargiert klasse zwischen fataler Naivität und unbändig-ungestümem Frust. Ob man sich danach „Der Zauberer von Oz“ als Sequel oder alternative Zukunft Oscars anschaut, oder aber Raimis Hexentanz für sich stehen lässt – das darf man liebend gern frei nach Tagesform entscheiden!
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