+++ Meinung +++
Seit dem Kinostart von „Star Wars – Episode VII: Das Erwachen der Macht“ sind nahezu sieben Jahre vergangen. Wenn es euch so geht wie mir, werdet ihr je nach Tagesform „Was, so lange ist das schon her?“ oder „Wie bitte, das war vor so kurzer Zeit?“ denken – aber niemals: „Jepp, genau so fühlt es sich auch an!“ Denn der gallige Onlinediskurs über die weit, weit entfernte Galaxis sorgt dafür, dass sich sieben Jahre an „Star Wars“-Debatten anfühlen wie zwei Jahrzehnte.
Auf der anderen Seite wirkt es absurd, dass seit dem filmischen Auftakt der neuen „Star Wars“-Ära nur sieben Jahre vergingen, obwohl derweil vier weitere Kinofilme, vier Realserien und zahlreiche weitere Projekte gestartet sind. Eine bewegte Zeit also, doch eines blieb durchweg konstant: Die Disney-Ära begann für mich mit ihrem besten Film, und der läuft heute im Fernsehen: VOX zeigt heute, am 10. November 2022, „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ ab 20.15 Uhr. Alternativ könnt ihr den Film bei Disney+ streamen:
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"Star Wars: Das Erwachen der Macht" – (Fast) mein "Star Wars"-Ideal
Zwar ist „Das Erwachen der Macht“ mein liebster „Star Wars“-Film der Disney-Ära, allerdings rechne ich allen Filmen, die daraufhin gestartet sind, ebenfalls Qualitäten an: „Rogue One“ beginnt holpernd und polternd, hat jedoch einen atemberaubenden, packenden Schlussakt. Rian Johnsons „Die letzten Jedi“ hat einige der stärksten Bilder der „Star Wars“-Geschichte zu bieten und zweifelsohne größere erzählerische Ambitionen als J.J. Abrams' „Das Erwachen der Macht“.
Aber Johnsons Film hat einen frustrierend-zähen Erzählfluss und ein überdehntes Finale, das in meinen Augen den thematischen Ambitionen der Geschichte mehr schadet denn zuträglich ist. Das „Solo“-Prequel wiederum ist kohärenter, als angesichts der katastrophalen Produktionsgeschichte befürchtet, jedoch ist der Film zwischendurch viel träger, als er angesichts seiner Erzähltemperatur sein sollte.
Und „Der Aufstieg Skywalkers“ letztendlich stellt sich der Herausforderung, sämtliche tonalen und narrativen Aspekte, die „Star Wars“ ausmachen, zusammenzuführen. Ich respektiere dieses Vorhaben und finde, dass der Film ihm in einigen Dingen gerecht wurde – der filmischen Umsetzung fehlt jedoch eine Dosis Verve. Nach diesem Abwägen meiner Pro- und Contra-Argumente sieht es möglicherweise so aus, als sei Episode VII allein via Ausschlussverfahren meine Nummer eins der Disney-Ära. Doch so deprimierend ist es erfreulicherweise nicht: Ich liebe „Das Erwachen der Macht“, weil er (fast) mein filmisches „Star Wars“-Ideal darstellt.
Mit Schwung und gut sitzenden Dialogen erzählt
Meine oberste Erwartung an „Star Wars“: Ich möchte mit visuell eindrucksvollen Welten, die sich aus zahlreichen Inspirationsquellen nähren, denkwürdiger Musik und markanten Figuren unterhalten werden. All das zusammengeschnürt in einem interessanten Abenteuer. Wenn es als Bonus noch dazu eine starke Atmosphäre und Hintersinn gibt, umso besser. „Das Erwachen der Macht“ punktet für mein Verständnis in fast all diesen Belangen, unter anderem, weil der Film (viel stärker als seine spätere „Star Wars“-Regiearbeit) sehr von Abrams' Qualitäten als Regisseur profitiert.
Denn dieser Auftakt einer neuen „Star Wars“-Ära läuft wie geschmiert! Wir werden unmittelbar hinein gestoßen in eine Welt, die stimmig die Ur-Trilogie weiterdenkt. Manche Technologien wurden schlanker, leichter, stromlinienförmiger. Andere Aspekte der Galaxis sind hingegen zerfallen. Abrams nimmt uns bei der Hand, um uns wie ein begeistertes Kind durch eben diese veränderte Galaxis zu führen. Ob Nahkämpfe, Schießereien oder Verfolgungsjagden mittels Raumschiff: Die Actionpassagen haben ein energiereiches Pacing.
Nach "Andor" kommt eine "Star Wars"-Serie mit Stars aus "Matrix" und "Squid Game" zu Disney+: Das ist der Mystery-Thriller "The Acolyte"Cool-beeindruckende Anblicke, gewitzte Heldenmomente und spannende Rückschläge werden aufregend aneinander gereiht, und die Schnittarbeit von Mary Jo Markey und Maryann Brandon kann nicht genug gelobt werden. Nicht nur, weil diese Reise mit Pepp abläuft, sondern auch, weil Markey & Brandon ein Gespür dafür haben, ikonografische Bilder keck aneinander zu reihen, ohne zu sehr in „Pulp“ abzugleiten, also aus „Das Erwachen der Macht“ einen filmischen Groschenroman in Reinnatur zu machen.
Genauso wie der Schnitt halten John Williams' Melodien, die ebenso schön wie antreibend sind, diesen Film zusammen. Und die Dialoge sind zwar nicht die raffiniertesten im „Star Wars“-Universum (dafür musste erst eine Serie her, die weiter unten kurz erwähnt wird), doch sie haben einen Flow und eine innerhalb dieses Universums glaubhafte Energie:
In „Das Erwachen der Macht“ gibt es launige verbale Schlagabtausche (seien es Reibereien wie bei John Boyega versus Harrison Ford oder harmonische Kabbeleien wie etwa bei Boyega versus Oscar Isaac), prägnante Phasen voller Weltall-Actionmärchen-Pathos und plausible Emotionsausbrüche im Tonfall einer Blockbuster-Seifenoper. Die Leblosigkeit der Dialoge manch schwächerer „Star Wars“-Filme wird genauso vermieden wie eine bedeutungsschwangere Verkrampftheit.
Das befeuert, dass ich die neuen Figuren in „Das Erwachen der Macht“ enorm genieße, und ihre Situation interessiert beäuge: Sie leben in einer Welt, die von früheren Generationen definiert und ruiniert wurde, und müssen sich nun mühselig die Möglichkeit erkämpfen, ihren Platz in dieser Welt auszumachen.
Das hat eine metafiktionale Ebene, da es kommentiert, wie schwer es ist, dem immensen Erbe der ursprünglichen „Star Wars“-Trilogie gerecht zu werden, als auch einen thematisch ernsteren Beigeschmack: Nachdem in der Ur-Trilogie das mit ästhetischen Versatzstücken der Achsenmächte versehene Imperium bezwungen wurde, geht nun die Bedrohung von einer demokratiefeindlichen Gruppierung aus, die sich darin gefällt, die Sprache und Ästhetik des Imperiums zu imitieren.
Was manche als ideenlos bemängelten, erachte ich als konsequent: Wenn George Lucas mit Weltkriegs-Aspekten spielen durfte, so darf das nun ohne ihn agierende Produktionshaus Lucasfilm auf extremistische Vertreter späterer Generationen verweisen, die ideologisch bei ihren (Ur-)Großeltern stehen geblieben sind.
Adam Drivers Kylo Ren als Rebellensohn, der hadernd seinem schurkischen Opa nacheifert, ist ein faszinierender Bösewicht und eine brillante Aktualisierung des Lucas-Erbes. Und Rey als Einzelkämpferin, die quasi in den Ruinen der Ur-Trilogie aufgewachsen ist und eigentlich keinen Bock hat, von Bedeutung zu sein, doch in einen Strudel der Relevanz gesogen wird, hat durch Daisy Ridleys Performance ebenso Schmiss wie popcornkinotaugliche Gravitas.
Keine Frage: Das Tänzeln zwischen der Schnellfeuerunterhaltung und ihren thematischen Zwischentönen, ist unausgewogen. Der Blockbuster hat, wie schon der ursprüngliche „Krieg der Sterne“, enorme Schlagseite gen Eskapismus. Mehr Düsternis und Schwere bringt da mein weiterhin liebster „Star Wars“-Teil mit, „Das Imperium schlägt zurück“. Gleiches gilt für die hervorragende, fesselnde Serie „Andor“, die minutiös von oppressiven Mächten und Mechanismen erzählt sowie von den emotionalen Dilemmata jener, die sich gegen sie auflehnen.
Doch so sehr ich mich über diese dramatischen „Star Wars“-Ausnahmen freue – meinen Genuss an der schmissig-leichtfüßigen „Star Wars“-Regel mindern sie nicht. Und in der Disney-Ära war „Star Wars“ nie wieder so schnörkellos-mitreißend und temporeich wie direkt zu Beginn.
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