SUNSET BOULEVARD
1950 drehte Billy Wilder das Drama „Sunset Boulevard.“ Das Genre des Dramas, bzw. Film Noirs beherrschte Billy Wilder nicht minder schlecht, wie das der Krimikomödien.
Dieser Film sollte aber zu seinem mit Abstand populärsten und beliebtesten Film Noir werden. Ich finde allerdings, dass dieser Film eher einem Drama näherkommt.
Dieses Werk befindet sich auf vielen Bestenlisten ganz weit oben, Platz 60 auf IMDb ist vergleichsweise sogar noch niedrig.
Es ist dabei aber eben auch zu bedenken, dass dieses Drama mittlerweile 72 Jahre alt ist. Ist es immer noch so gut ?
Wie immer sollte erst die Handlung dafür klar sein, die aber schnell und ohne Spoiler erklärt werden kann.
Ein Drehbuchautor wird im Pool einer Villa auf dem Sunset Boulevard tot aufgefunden. Es ist der erfolglose Drehbuchautor Joe Gillis, gespielt von William Holden.
Dieser erzählt nun aus dem Jenseits, wie das passierte.
Bei einer Panne mit seinem Wagen musste er auf ein verlassenes Grundstück fahren, um den Wagen erst einmal abzustellen. Auf dem Grundstück ist eine Villa, die aussieht, als würde hier seit sehr vielen Jahren kein Mensch mehr wohnen.
Wie sich herausstellt, ist es die Villa der Stummfilmikone Norma Desmond, gespielt von Gloria Swanson, die hier mit ihrem mysteriösen Butler Max, gespielt von Erich von Stroheim, sehr wohl noch wohnt.
Sie ist traurig, da der Tonfilm ihre Karriere zerstört hat. Doch eigentlich ist traurig der falsche Ausdruck, sie ist verrückt, da sie sich immer noch für einen Star hält. Daher plant sie auch ein gewaltiges Projekt mit ihr in der Hauptrolle, welches von Cecil B. DeMille verfilmt werden soll, der daher auch einen Cameo-Auftritt im Film hat. Da Gillis nun auf dem Grundstück ist, bittet sie ihn, ihre Geschichte des Films in ein Drehbuch zu formen.
Gillis willigt ein, wenngleich er die Story grausam findet. Mehr und mehr kommt es so vor, dass Gillis gefangen ist und Norma Desmond ihn zu ihrem Ehemann machen will.
Doch das entwickelt sich in eine Richtung, welche irgendwann zum Tod von Gillis führt.
Diesen Film werden Filmanalytiker lieben. Sie können ihn zurecht in höchsten Tönen loben, da es unglaublich viel zu interpretieren gibt.
Doch auch Filmkritiker können diesen Film eigentlich nur schätzen, auch heute noch. Auch dieser Film hat ein typisches Billy Wilder Merkmal: Er ist gut gealtert.
Denn dieser Film hat ziemlich viel zu sagen, führt den Zuschauer in völlig neue Welten, hat einen tiefen Sinn, ist gesellschaftskritisch und generell sehr interessant, sodass er sich auch gut anschauen lässt.
Die Schauspielerleistungen sind aber definitiv auch zu loben. William Holden stellt den freundlichen, leicht frechen, gutherzigen und unschuldigen Drehbuchautor nahezu perfekt dar. Wir Zuschauer wissen ganz genau, was das für eine Person ist.
Und dann gibt es Gloria Swanson, was ein genialer Schachzug von Billy Wilder war. Dieser Mann weiß, wie er seine Figuren zu besetzen hat. Denn Swanson war die größte Stummfilmschauspielerin aller Zeiten, Norma Desmond ist fiktiv.
Und auch Swanson geriet völlig in Vergessenheit, als der Tonfilm die Welt eroberte. Sunset Boulevard war ihr bekanntester Auftritt seit Jahren. Sie hat zwar nicht sich selbst gespielt, da sie nicht traurig über ihre damalige Situation war, doch trotzdem hätte natürlich keiner besser gepasst, als sie. Dementsprechend spielt sie auch. Gloria Swanson ist in diesem Film der Inbegriff von Melodramaturie und der Kunst, immer wahnsinniger zu werden.
Und dann ist da noch Perfektionist Erich von Stroheim, dessen Charakter ein einziges Geheimnis ist, welches mit einem Twist aufgelöst wird. Wenn man die ganze Zeit auf ihn achtet, sieht man, dass er immer wieder seine Gestik und Mimik minimal verändert. Erich von Stroheim war einer der besten Schauspieler aller Zeiten. Mit welcher Liebe zum Detail er diese Rolle spielte, ist schon verrückt.
Es ist eine Abrechnung mit Hollywood. Norma Desmond soll keineswegs in einem positiven Licht erscheinen, doch sie ist ja nur so verrückt, weil sie einfach so rausgeschmissen und vergessen wurde, in diesem Fall von Paramount. Dabei ist sie immer noch eine Diva und kann gut schauspielern. Gloria Swanson gab ihr in jeder Szene einen leicht schauspielerischen Touch. Dieses Problem gab es ja nicht nur bei ihr, sondern auch bei Douglas Fairbanks oder Buster Keaton, der auch einen kleinen Cameo-Auftritt hat.
Man stellt sich hier die Frage, ob das gerecht ist. Sicher: Der Fortschritt ist wichtig. Doch man sollte dafür doch nicht, die Fähigkeiten von anderen Personen völlig vergessen und damit auch die Personen selbst.
Davon stellt der Film ja auch die Folgen auf. Eine Folge ist definitiv Blindheit, bzw. Verblendung. Norma Desmond sieht mit der Zeit überhaupt nicht mehr, was wirklich los ist.
Sie sieht nur sich selbst und denkt nur an sich selbst. Bildlich stellt uns Wilder das zusätzlich mit tausenden Bildern von ihr in der Villa dar, auf die Gillis als Erzähler auch noch eingeht. Offensichtlicher geht es nicht mehr.
Doch ihre Trauer wird ja auch noch eingefangen. Norma Desmond zeigt uns, wozu Menschen wie sie bereit sind, wenn sie nicht mehr geachtet werden.
Doch was ist mit Joe Gillis ?
Er ist als Drehbuchautor ziemlich erfolglos gewesen, hatte Schulden und belog sogar die Polizei. Doch ansonsten ist er sympathisch, was zum Einen an seinem Aussehen, dann an seiner Ausstrahlung und noch daran, dass er der Erzähler ist und ermordet wurde, liegt.
Dadurch hat er den Zuschauer schon schnell auf seine Seite geholt, was Billy Wilder erneut gelungen ist.
Seine rebellische Art, wie gesagt log er Polizisten an, wird später noch verdeutlicht, da er auf die Party eines Freundes geht. Der Eindruck seiner Person ist klar vermittelt.
Dann kommt die Beziehung zu Norma Desmond. Sie hält ihn gewissermaßen gefangen und der Zuschauer hält es für albern und unrealistisch, dass sie nun heiraten, was Gillis ja auch nicht will und anfangs auch nicht glauben will. Das Unrealistische ist durch den Wahnsinn von Norma Desmond dann aber geschickt wieder verschwunden.
Durch diese ungerechte Zwangshochzeit stellt der Zuschauer sich dann gegen Norma, was ja auch nur berechtigt ist. Dadurch, dass Gillis sie nicht einmal abschmettert, ist er endgültig der unschuldige Gute, wenn auch kein Held.
Zu dem Zeitpunkt kann man Norma nur noch als verrückte Böse mit ihrem bekloppten Butler ansehen. Doch das alles hat ja seinen Grund.
Sicher, es ist nicht gut, was Norma macht. Doch da schwingt auch Gesellschaftskritik mit. Wir Menschen sehen nur das Schlechte. Um die Umstände kümmern wir uns nicht, wir hinterfragen nicht, ob die Person vielleicht etwas Schlimmes durchgemacht hat.
Selbst 1950 war der Stummfilm schon wieder veraltet und eine Zeit, die weiter zurücklag, als die Jahre es aussagten. Heute ist es noch extremer, aber ansonsten besteht da kein Unterschied. Und deswegen ist auch dieser Billy Wilder Film mal wieder zeitlos. Alles im Film macht auch heute noch Sinn. Zudem bekommt man einen interessanten Einblick in die Filmproduktion der 50er Jahre. Für Cineasten ist dieser Film daher, wie auch „Hugo Cabret“ oder „Cinema Paradiso“ ein Muss.
Und dann ist da noch die Szene, in der Gillis auf das Grundstück von Norma Desmond kommt.
Er redet über die Villa, als würde sie schlafen, als wäre sie tot, sodass nichts mehr sie zum leben erwecken könnte. Daher würde dort auch seit Jahren keiner mehr wohnen. Nebenbei sieht man die Villa, die tatsächlich heruntergekommen aussieht.
Umso überraschter ist der Zuschauer, als er eine mysteriöse Frau, Norma Desmond, auf dem Balkon sieht und dann auch noch von einem Butler, Max, die Tür geöffnet wird.
Dem Zuschauer ist klar, dass das geheimnisvolle Leute sind. Und auch im weiteren Verlauf des Films wird immer wieder auf das verwahrloste Grundstück hingewiesen.
Wilder lässt allein das Grundstück schon den Charakter der Bewohner beschreiben, indem er perfekt damit einführt. Es ist eine perfekte Szene.
Ist denn überhaupt etwas nicht gut an diesem Film ?
Ja, tatsächlich. Gillis führt eine Beziehung mit Betty, weswegen Norma nicht glücklich ist. Doch Betty ist eine Figur, die nicht wirklich hineinpasst. Sie nimmt viel Zeit in diesem Film weg. Ihr Charakter ist, tut mir leid, schlecht, überflüssig und langweilig.
Gäbe es sie nicht, wären manche Sachen zwar nicht passiert, doch Charakter dürfen eben nicht nur ein Mittel zum Zweck sein. Und auch wenn manche Leute das sicher anders sehen, ist es mir so aufgestoßen.
Letztendlich ist Billy Wilder also auch hiermit ein Geniestreich. In diesen nicht einmal zwei Stunden langen Film, hat er unglaublich viel einfließen lassen, über das man philosophieren und interpretieren kann. Die Schauspielerleistungen sind absolut großartig, es ist sehr interessant, ein altes Bild von Hollywood sehen zu bekommen. Auch das Thema mit den untergetauchten Stummfilmschauspielern lohnt sich angesehen zu werden, vor allen Dingen mit den Folgen. Dann gibt es viele tolle Szenen, besonders die mit der Villa. Zudem ist dieser Film für Cineasten ein Muss.
Nur der Charakter der Betty und ein etwas zu überzogener Schluss, die Betonung liegt auf etwas, also ein bisschen, nehmen diesem Film noch etwas.
Billy Wilders Werk von 1950 bekommt so 8,5 von 10 Punkten.