Die hilfreichsten KritikenNeueste KritikenUser mit den meisten KritikenUser mit den meisten Followern
Filtern nach:
Alle
Anonymer User
4,0
Veröffentlicht am 13. Juli 2012
Von einem 40er-Hollywood Film sollte man nicht erwarten, dass er - auch wenn er sich des Themas der Ehe annimmt - bürgerliche Werte dekonstruiert. Dass die Geschichte rund um die (nervig) strauchelnde und verwirrte Katharine Hepburn daher keine Substanz besitzt, ist nicht weiter schlimm, da der Film eher als Komödie funktioniert. Cary Grant und James Stewart in einem Film. Das sorgt schon beim Lesen für endlose Vorfreude - und man wird nicht enttäuscht. Die beiden Schauspieler spielen sich freudig die Bälle zu. Cary Grant gibt sich ein wenig indifferent, aber sehr amüsant, während James Stewart seinerseits sein verschmitztes Lächeln und sein Charisma voll ausnutzt.
Unter Screwball-Comedy versteht man eine Variante der Komödie, welche sich durch respektlosen Humor, einen schnellen Rythmus, Dialogorientiertheit, exzentrische Charaktere und den vordergründigen Geschlechterkampf auszeichnet.
"Die Nacht vor der Hochzeit" wurde zum Prototyp dieses Genres, weil der Film nicht nur all diese Merkmale ungemein flüssig verdichtet, sondern sie zudem auch äußerst gescheit auf die Spitze zu treiben weiß. Der Oscar für das beste Drehbuch des Jahres war somit nur eine logische Konsequenz.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht eine kühle und überhebliche Millionärstochter, welche eine konventionelle Ehe eingehen möchte, die ihr einen Klatschreporter nebst ihrem humorvollen Exgatten ins Haus bringt. In der Nacht vor der Hochzeit kommt es schließlich zu allerlei Verwicklungen und Turbulenzen mit einem unerwarteten Finale ...
Katherine Hepburn brilliert in einer ihrer besten Rollen. Überspitzt, wie es sich für eine Screwball Comedy gehört, interpretiert sie ihre Figur im Sinne einer eitlen Tochter aus reichem Hause, welche ihre Nase viel zu hoch trägt, belässt ihr aber gleichermassen einen Hauch intellektueller Energie. Die Wandlung der bisweilen herzlosen Dame zu einer empfindsamen jungen Frau, beschreitet sie letztendlich sowohl feinfühlig wie tiefgehend - und damit absolut glaubhaft. Die Würdigung für diese Leistung war eine Oscarnominierung als beste Hauptdarstellerin.
Gary Grant als frustrierter Exgatte bietet eine ebenso glanzvolle Vorstellung. Allen voran sein trockener Humor und eine tragikomische Note formen seinen Charakter zu einem absoluten Sympathieträger.
Bereichert wird das Ensemble zu guter Letzt um einen wandlungs- und ironiereichen, sehr witzigen James Stewart als Reporter auf Abwegen, der für diese Rolle zurecht mit dem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde.
Regisseur George Cukor weiß das Potenzial des Drehbuches und seiner Darsteller gekonnt zu nutzen. Seine Inszenierung fühlt sich dem glücklicherweise stark verpflichtet, bereichert den Film aber auch um eine überaus elegante Visualisierung und Atmosphäre ganz im Sinne der Hollywoodmagie seiner Zeit. Sein Gespür für die richtige Pointierung ist einfach grandios.
Zusammengenommen ist "Die Nacht vor der Hochzeit" ein in sich perfekt abgerundeter Klassiker, der das Geschlechter- und Rollenverhältnis des Jahres 1940 brillant reflektiert und den hintergründigen Humor für subtile Gesellschaftskritik nutzt.