Tim Robbins zählt in Hollywood nicht nur zur intelligenten Elite, sondern zweifelsfrei zum linken Flügel, der lautstark gegen die desaströse Außenpolitik der Republikaner wettert. Mit einer kleinen, aber äußerst feinen Fingerübung dokumentierte der Schauspieler bei seinem Regiedebüt „Bob Roberts“ seine politische Gesinnung und bewies, wie sich herausstellte, eine enorme Weitsicht, was da an Übel auf die Welt zukommen sollte. Robbins’ beißend-bittere Polit-Satire ist gallig bis ins Mark, zynisch und richtiggehend böse.
Bob Roberts (Tim Robbins) ist auf dem besten Weg, der neuen Rechten in den USA Anfang der 90er Jahre zu einer Renaissance zu verhelfen. Der millionenschwere Unternehmer, Folksinger und Politiker kandidiert in Pennsylvania um den Senatorenposten. Mit auf den ersten Blick charmant verpacktem Erzkonservatismus tingelt er im High-Tech-Bus auf Wahltour durch den Staat, um seinen Rückstand in den Umfragen gegenüber Amtsinhaber Brickley Paiste (Gore Vidal) aufzuholen. Dem unsympathischen Emporkömmling, der von seinen Fans vergöttert wird, ist jedes Mittel recht, seinen Kontrahenten in Misskredit zu bringen und selbst präsentiert er eine blütenweiße Weste. Doch dass hinter der Fassade etwas stinkt, will der links-liberale Journalist Bugs Raplin (Giancarlo Esposito) beweisen. Er gräbt Material aus, das Roberts schwer in Bedrängnis und ihn in Verbindung mit Waffenschmuggel, Drogenhandel und Korruption bringt. Aber Roberts ist gerissen...
Tim Robbins’ kleines Meisterwerk „visionär“ in der rein ursprünglichen Bedeutung zu nennen, ist durchaus vertretbar. „The times are changing back“, „Retake America” oder „This land was made for me”: Mit diesen in Songs kaum getarnten Phrasen appelliert die fiktive Figur Roberts an das große patriotische Herz eines jeden Amerikaners und findet vor allem in der jüngeren sowie religiös motivierten Wählerschaft enthusiastischen Zuspruch und eine treue Gefolgschaft. Seine unverhohlenen Attacken auf Abhängige und Drogenhändler oder faule Arbeitslose, die sich auf Kosten der Gesellschaft durchschnorren, fallen auf fruchtbaren Boden.
Robbins’ Einstellung ist in keiner Sekunde des Films missverständlich. Er zeichnet Roberts als strahlenden Widerling, der das Spiel der Medien brillant zu bedienen weiß, was als weitere Kritikebene hingefügt wird. Der Schein, die Show, das Auftreten ist in der modernen Politik wichtiger als Inhalte. Die Gemeinheiten des Antihelden Roberts steigert Robbins bis auf die Spitze. Der Regisseur hält der simplen Erzkonservativen den Spiegel vor und zeigt ein hässliches Gesicht. Nicht, dass seine Zielgruppe in der Masse die gleiche Boshaftigkeit aufweist, wie Roberts, dazu fehlt schlicht der Durchblick, die naiven Wähler gehen einem Bauernfänger auf den Leim. Dieser Bob Roberts ist ein Vorbote von George W. Bush – allerdings in Karikaturform und viel intelligenter.
„Bob Roberts“ ist ein eindeutiges politisches Statement, daran lässt sich nicht vorbeidiskutieren. Deshalb gibt sich auch halb Hollywood in Minirollen und Cameos die Ehre, um Robbins’ Kurs zu unterstützen. Der Regisseur und Autor selbst brilliert in der Hauptrolle Golden-Globe-nominiert als aalglattes Arschloch, das sich zu behaupten weiß. Als Gegenspieler überzeugen Giancarlo Esposito als miefiger Journalist und Gore Vidal als greiser Senator Paiste, dessen politische Erdigkeit und treffende Analyse im multi-medialen Wahlkampf untergeht. Alan Rickman darf als Roberts’ Mentor in Sachen Arroganz ebenso wie die Hauptfigur Vollgas geben.
Robbins’ Inszenierung ist für ein Debüt ausgesprochen reif und trittsicher. Er baut seinen Angriff wie eine Dokumentation auf, ein Kamerateam folgt Roberts auf seiner Wahlkampftour. Hektik, wacklige Handkamera und direkt in die Linse gesprochene Kommentare gaukeln Authentizität vor - so lernt der Zuschauer alle Facetten Roberts’ kennen, was ihn nach und nach entlarvt. Dieser brillante Schuss unter die Gürtellinie des rechtskonservativen, amerikanischen Gewissens sitzt haargenau. Dass Robbins’ Werk zwar von der Kritik hochgeschätzt wird - und 1992 in Cannes gefeiert wurde - ist tröstlich, aber einem größeren Publikum blieb dieses Glanzstück bis heute verborgen.