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    Bullitt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Bullitt
    Von René Malgo

    Nur widerwillig lässt sich Lt. Frank Bullitt (Steve McQueen) von seinem Partner Delgetti (Don Gordon) wecken. Er macht einen müden und bemitleidenswerten Eindruck. Nichtsdestotrotz erkennt der Betrachter sofort: Er ist unser Held, an dem es sich im Laufe von Peter Yates' Actionklassiker „Bullitt“ zu halten gilt. Tatsächlich erscheint er wenig später putzmunter vor dem höheren Staatsbeamten Walter Chalmers (Robert Vaughn), der einen Auftrag für ihn hat. Ein Kronzeuge namens Johnny Ross soll bewacht werden; einer, über den Chalmers einige Stufen der Karriereleiter hinter sich lassen könnte. Daraus macht der gesprächige Staatsdiener keinen Hehl, während ihn Bullitt als guter Cop mehr anschweigt denn anspricht.

    Doch es kommt, wie es im Film-kriminalistischen Idealfall immer kommen muss. Nachdem Bullitt einem Kollegen die erste Bewachungsrunde des Kronzeugen aufgetragen hat, wird Ross in seinem Motelzimmer überfallen. Bullitts Kollege wird von einer Schrotladung im Knie getroffen, der Kronzeuge in der Brust. Der große Haken an der Sache: Ross hat den Einbrechern die Tür freiwillig geöffnet, was Bullitt einiges an Kopfzerbrechen beschert. Chalmers tobt sich über Bullitts Inkompetenz aus, immerhin ist seine wichtige Sprosse in besagter Karriereleiter schwer verletzt worden und die geplant ruhmreiche Sitzung vor dem Senatsausschuss kann er nun vergessen. Doch Bullitt interessiert Chalmers Ansichten wenig, er will auf eigener Faust herausfinden, was genau hier gespielt wird und wer hinter dem Mordversuch steckt. Denn er ahnt, dass Chalmers ihm die ganze Wahrheit nicht mitgeteilt hat...

    In letzter Zeit erhalten viele Klassiker ihre Wiederauferstehung auf DVD. Das Wort Klassiker hat sich dabei zum Prädikat gemausert und die Verleihe bedenken ihre alten Filme inflationär oft mit solch einem Etikett. Auch „Bullitt“ wird von seinem Verleih Klassiker genannt. Genauer: Ein Klassiker des modernen Actionfilms. Tatsächlich lässt sich „Bullitt“ als einer der Vorreiter des modernen Actionfilms ansehen, insbesondere auch als Mitbegründer einiger Klischees. Denn Klischees bemüht „Bullitt“ viele. Der schweigsame Cop, der schmierige Oberbeamte und mit Jacqueline Bissett einen Blickfang für die männlichen Zuschauer und Alibi-Freundin für unseren Helden. Doch im Gegensatz zu seinen Genrenachzüglern geht „Bullitt“ gekonnt und elegant mit den Klischees um.

    Die Figuren erhalten keine wirklich tiefgründige Charakterisierung und entsprechen nahezu alle Stereotypen. Trotzdem gewinnen die Darsteller ihren Rollen genug Profil ab, um als Identifikations- oder Hassfiguren tadellos zu funktionieren. Jeder Part wurde mit einem Charakterkopf, einem Gesicht, das so leicht nicht zu vergessen ist, besetzt. Gerade Steve McQueen, der als Held den Film zu tragen hat, weiß trotz kurzer Textpassagen seinem kühlen Charakter viel Menschlichkeit zu verleihen. Das liegt zum einen an den kleinen Gesten, die das Drehbuch bereithält und zum anderen an McQueens hervorragender Mimik. Diese kleinen Details wissen immer wieder das Stereotypische zu durchbrechen und etwas Reales, etwas Wahrhaftiges in den Film einzubringen - beispielsweise Bullitt als von menschlichen Bedürfnissen geplagter Cop. Der Betrachter sieht ihn gleichermaßen hungrig, wie vom Tod seines Partners betroffen im Krankenhaus oder beim täglichen Einkauf von Lebensmitteln. Auch anderen werden solche kleine Szenen zugestanden, die insbesondere Jacqueline Bissett als Bullitts Freundin auszunutzen weiß. Ihr gelingt es erfolgreich, den Eindruck zu vermitteln, dass sie mehr als nur hübsches Beiwerk für den Helden darstellt. Hervorzuheben sind auch die Leistungen von Robert Vaughn als ehrgeiziger Oberbeamter oder Don Gordon als Bullitts integerer Partner.

    Authentizität ist das große Schlagwort des Films. Und diese vermittelt „Bullitt“ auch. Gedreht wurde seinerzeit ausschließlich an Original-Schauplätzen, was sich deutlich auf die Glaubwürdigkeit auswirkt. Der Logik mag nicht immer Genüge getan werden. Auch lässt sich über den schlussendlichen Realismusgehalt diskutieren. Doch einen authentisch wirkenden Eindruck hinterlässt der Film nichtsdestotrotz. Regisseur Peter Yates hat sich diese Authentizität auf die Fahnen geschrieben und darf sie getrost dort stehen lassen – auch heute noch. Eine längere Krankenhausszene wurde beispielsleise in einem richtigen Hospital mit richtigem Personal gedreht. Und tatsächlich lässt sich auch für den Laien ein Unterschied zu gespielten Krankenhausszenen erkennen. Das ist das große Plus dieses Actionfilms: Das, was der Zuschauer sieht, macht einen sehr echten Eindruck. Solches unterstreicht auch die legendär gewordene Verfolgungsjagd als Höhepunkt des Films. Zwar mag sie das moderne Publikum kaum mehr vom Hocker reißen, realistisch anzusehen ist sie trotzdem. Und gerade dieser Umstand erhöht die Rasanz. Da stört es auch kaum, dass Bullitts Mustang mitsamt Verfolger drei Mal am selben grünen Käfer vorbeifährt. McQueen soll übrigens die ganze Verfolgungsjagd selbst gefahren haben.

    „Bullitt“ bietet eine bedächtige und ruhige Inszenierung, die aber immer wieder rechtzeitig von einigen spannenden und rasanten Actionszenen unterbrochen wird. Der Film erreicht weder die Krawalldichte moderner Actioner, noch den hohen Spannungsgehalt eines herausragenden Thrillers, ist aber trotzdem sehenswert. Die Kameraführung zeugt von Originalität, der Schnitt wurde zu Recht mit dem Oscar belohnt und die gewählte musikalische Untermalung unterstreicht die Stimmung dieses Actionkrimis hervorragend. Die atmosphärische Dichte ist beachtlich und die intelligente und zumindest gut durchdachte Story sowie ein packendes Finale tun ihr übriges zu einem sehr positiven Gesamtbild dazu.

    Bei Begutachtung des Finales beginnt es einem plötzlich zu dämmern, woher Michael Manns „Heat“ (für viele der beste Polizeifilm der 90er Jahre) seine Inspiration hat. Auch andere Szenen sowie die Figurenzeichnung kommen einem zuweilen äußerst bekannt vor. Nachfolgende Polizeifilme und gar Videospiele haben vieles fast 1:1 übernommen. Schon das dürfte den Status eines Klassikers unterstreichen. Und der Begriff Meilenstein wäre in diesem Zusammenhang auch nicht so weit hergeholt. Ein Geniestreich mag „Bullitt“ zwar nicht sein, aber ein ohne Abstriche empfehlenswerter und sehenswerter Actionkrimi mitsamt Klassikerstatus für Freunde gepflegter und sinniger Unterhaltung ist er allemal.

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