Die Filmstarts-Kritik zu Leichen pflastern seinen Weg

Das hohe Ansehen eines Sergio Leones hat Sergio Corbucci (Zwei sind nicht zu bremsen ) nie erreicht und er wird auch deutlich über ein Jahrzehnt nach seinem Tod 1990 wohl nie auf eine Stufe mit Leone gestellt werden. Dabei hat Corbucci mit „Django“ einen der Italo-Western schlechthin gedreht. Nur zwei Jahre später erschien von ihm „Il Grande Silenzio“, deutscher Titel: „Leichen pflastern seinen Weg“, der sogar noch einen Tick besser ist als „Django“ und trotz großer Unterschiede in Stil und Inszenierung mit Leones „Dollar“-Trilogie mithalten kann, die ersten beiden, ähnlich gelagerten Teile, sogar in die Tasche steckt.

Im Mittelpunkt steht wie in „Django“ ein recht schweigsamer Revolverheld. Silence (Jean-Louis Trintignant, Immortal, „Die Stadt der verlorenen Kinder“) schweigt, weil er es muss. Seit seiner Kindheit ist er stumm, nachdem die Mörder seines Vaters ihm die Kehle durchgeschnitten haben. Nun kämpf er als einsamer Wolf für die Armen. In den Rocky Mountains hat er dabei viel zu tun. Eine große Gruppe von Männern muss, um nicht zu verhungern, Überfälle begehen. Nun werden sie von Kopfgeldjägern gejagt. Der brutalste von ihnen ist der Verrückte Loco (Klaus Kinski, Woyzeck, Fitzcarraldo), der - meist auf heimtückische Weise - mehrere der Armen getötet hat. Darunter war auch der Ehemann von Pauline (Vonetta McGee, Im Auftrag des Drachen). Sie ruft Silence zur Hilfe und heuert ihn an, ihren Mann zu rächen. Doch Loco ist der bisher gefährlichste Gegner, den Silence je hatte. Er weiß um die Schnelligkeit seines Widersachers und stellt ihm eine Falle...

Schon die Kulisse von Corbuccis Western ist ungewöhnlich. Statt heißem Wüstensand gibt es massig Schnee. Ein kleiner, feiner Ort namens Snow Hill bildet die Kulisse, so eingeschneit, dass man kaum dort hin gelangen kann. Der Regisseur nutzt dieses Setting, um eine hervorragende Atmosphäre zu schaffen, verstärkt durch die starken Bilder seines Kameramanns Silvano Ippoliti.

Der Schnee dient aber auch dazu, das grausame Handwerk der in diesem Film an den Pranger gestellten Kopfgeldjäger zu zeigen. Loco reist durch die Berge rund um Snow Hill, um die aus Armut zu Dieben gewordenen Männer abzuknallen. Dass auf dem Steckbrief nicht nur „Tot“, sondern „Tot oder lebendig“ steht, interessiert ihn dabei nicht. Die Leichen, die sich dabei ansammeln, verscharrt er überall, um sie dann von der Postkutsche einsammeln zu lassen. Dank des kalten Schnees bleibt die Ware, zu dieser werden die Menschen von Loco degradiert, frisch und damit identifizierbar, eine wichtige Voraussetzung für die Auszahlung des Kopfgeldes.

„Leichen pflastern seinen Weg“ ist nicht nur dadurch ein recht sozialkritischer Film. So ist auch der örtliche Händler und Friedensrichter von Snow Hill, Pollicut (Luigi Pistilli, Für ein paar Dollar mehr, Zwei glorreiche Halunken), für das Morden verantwortlich. Er ist nicht nur die treibende Kraft hinter Loco, er hat zum Beispiel auch Paulines Mann bewusst in die Armut getrieben, und auf ihn dann das doppelte Kopfgeld ausgesetzt, weil er hinter Pauline her ist. Die wenigen Reichen treiben die anderen erst in die Armut und können sie dann abknallen lassen. Dagegen hat sogar der neue Sheriff Burnett (Frank Wolff, Spiel mir das Lied vom Tod), der dem Treiben der Kopfgeldjäger ein Ende setzen will, sich aber dem Einfluss von Pollicut und der Legitimation der Kopfgeldjäger durch die Steckbriefe gegenüber sieht, keine Chance.

Erst ein einsamer Wolf scheint die Chance auf ein besseres Leben für die Armen von Snow Hill zu bringen. Auch er ist auf den ersten Blick ein Killer, wie Loco. Doch ihn unterscheidet etwas von Loco und den meisten Revolverhelden anderer Western. Silence zieht nie zuerst. Er provoziert sein Gegenüber, so dass dieser zieht und erschießt ihn dann in Notwehr. So will er es auch mit Loco machen.

[SPOILER]

Doch was Corbuccis Western mit auszeichnet, ist seine brutale Kompromisslosigkeit. Corbucci lässt den Helden nicht siegen. In einem hochklassigen Finale - sicher mit eines der besten der Westerngeschichte - sterben erst Silence und Pauline und dann lässt Loco auch alle anderen verarmten Bewohner von Snow Hill hinrichten. Nur für Japan wurde ein anderes Ende gedreht, in dem Silence mit der Hilfe von Sheriff Burnett gewinnt, die Armen ein besseres Leben haben und Silence mit Pauline von nun an ein glückliches Leben führt. Dieses deutlich schlechtere Ende, da es der Kompromisslosigkeit und pessimistischen Stimmung des Films völlig zuwider läuft, ist von Kinowelt aus irgendwelchen vergessenen Archiven hervorgekramt worden und wurde als Extra auf die deutsche DVD gepresst. Nur der Ton war nicht mehr auffindbar, so dass es das alternative Ende nur zu sehen, aber nicht zu hören gibt.

[SPOILER-ENDE]

Corbuccis Western lebt jedoch nicht nur von seiner knallharten Geschichte und der kompromisslosen und brutalen (zu recht FSK 18) Inszenierung, sondern vor allem vom Spiel seiner beiden Hauptdarsteller. Klaus Kinski und Jean-Louis Trintignant brillieren, besonders Kinski spielt seinen Charakter mit unglaublichem Feuer. Allein seine schauspielerische Leistung ist das Anschauen des Films schon wert. Lobenswert erwähnt werden muss natürlich der wie immer hervorragende Score von Ennio Morricone.