„We're fighting a war, with the purpose of hunting down the evildoers and bringing them to justice. And I’m patient and I’m focused, and I will not yield. We must win.” Soweit US-Präsident George Walker Bush zur terroristischen Bedrohung der Vereinigten Staaten durch radikale Islamisten in Form von Al-Kaida und Gefolge. Diese Aussage findet nun ein adäquates Pendant auf der großen Leinwand. Schauspieler Peter Berg (Smokin´ Aces, Collateral, Cop Land) legt in seiner vierten Kino-Regiearbeit mit dem Polit-Actiondrama „Operation: Kingdom“ einen elektrisierenden Beitrag zum Klima der neuen Post-9/11-Weltordnung vor. Die versierte Optik ist über jeden Zweifel erhaben, doch inhaltlich vollbringt Berg ein wahres Zirkuskunststückchen, indem er seine Starker-Tobak-Botschaft eiskalt in die Schlussszene packt und dort seinen ganzen Film komplett auf den Kopf stellt. Wie sehr der Zuschauer sich mit dieser Wendung anfreunden kann, wird entscheidend für die persönliche Einschätzung von „Operation: Kingdom“ sein.
Amerika steht unter Schock. Was ein harmloses Baseballspiel werden sollte, endet in einem Inferno. Arabische Terroristen überfallen eine abgeschirmte amerikanische Wohnsiedlung im saudi-arabischen Riad und metzeln alles nieder, was ihnen in die Quere kommt, eine Explosion verstärkt die Wirkung des Anschlags noch zusätzlich. Mehr als 100 Amerikaner werden getötet, mehr als 200 verletzt. Offiziell sind den USA im Wüstenkönigreich die Hände gebunden. Das FBI will jedoch ein kleines, vierköpfiges Team nach Riad schicken, um dort eigene Ermittlungen anzustellen. Doch schon das Einschleusen ins Land geht nur über Umwege. Und als der leitende Agent Ronald Fleury (Jamie Foxx), Sprengstoffexperte Sykes (Chris), Forensik-Spezialistin Mayes (Jennifer Garner) und Analytiker Leavitt (Jason Bateman) vor Ort auf eine Mauer des Schweigens stoßen, scheint nichts voran zu gehen. Ihnen ist der saudische Polizeioffizier Al-Ghazi (Ashraf Barhom) quasi als Babysitter für ihre fünftägige Mission zugeteilt. Die Amerikaner dürfen nur beobachten und selbst das lediglich unter stärkster Aufsicht der Saudis. Nach anfänglicher Skepsis entwickelt Al-Ghazi ein echtes Interesse, die Hintergründe des Anschlags zu ermitteln, was die Gruppe aber in akute Lebensgefahr bringt...
Wer sich nach dem Schauen von „Operation: Kingdom“ beim Blick auf die Besetzung des Regiestuhls wundert, tut dies zurecht. Das an den Bombenanschlag vom 12. Mai 2003 in Riad angelehnte Actiondrama trägt eindeutig die Handschrift von Meisterregisseur Michael Mann (Heat, Insider, Collateral, Miami Vice, Ali), ist aber nicht von dem Chicagoer inszeniert. Zumindest dieses Rätsel ist einfach zu lösen: Mann hat den Film produziert. Die zweite brennende Frage: Wie konnte es Peter Berg, der bisher eher als Regie-Leichtgewicht (Welcome To The Jungle, Friday Night Lights, Very Bad Things) aufgetreten ist, gelingen, einen derart packenden und hochbrisanten Film abzuliefern? Eine schlüssige Antwort darauf bleibt aus, schließlich ist nicht dokumentiert, wieviel Einfluss Mann selbst auf die Umsetzung genommen hat. Spielt aber auch keine Rolle, denn „Operation: Kingdom“ überzeugt einfach als Film – fern jeder Formalien. Dabei bewegt sich das Werk in jeder Phase auf verschiedenen Ebenen – inszenatorisch wie politisch.
In den Vorspann ist sehr elegant die sich stetig verändernde Beziehung zwischen den USA und Saudi-Arabien in Schlaglichtern aufgearbeitet. Die Währung, die den Ausschlag über die Befindlichkeiten gibt, ist eindeutig: Öl. Während die wirtschaftlichen Kontakte intensiviert wurden, stoßen die USA in der einfachen Bevölkerung im exakten Gegensatz zu dieser Entwicklung bestenfalls auf Ablehnung – im schlimmsten Fall schlägt ihnen der pure Hass entgegen. 15 der 19 Attentäter der Anschläge vom 11. September waren Saudis. Mit diesem Fazit steigt Berg in seinen Film ein. Und so ist es auch das tiefe Misstrauen zwischen amerikanischen und saudischen Offiziellen, was das Klima in der ersten Hälfte des Films bestimmt. In nüchtern-analytischer Manier exerziert Berg das mühsame Prozedere einer solchen internationalen Ermittlung durch. Hier werden politische Zusammenhänge und Abläufe sehr genau beobachtet und vermittelt. Die gegenseitige Abneigung weicht in typischer Hollywoodart nach und nach auf, im Gegenzug erfährt das westliche Publikum, dass die Saudis auch Menschen sind, jedenfalls die nicht radikalen. Schon bevor die FBI-Spezialisten richtig einsteigen und zu einem Rachefeldzug gereizt werden, ist sie da, diese amerikanische Breitbeinigkeit. Das ließe sich sicherlich kritisieren, wenn man als Zuschauer in der zweiten Filmhälfte den Atem dazu finden würde. Doch dem ist nicht so.
Der auslösende Anschlag ist schon unglaublich intensiv und griffig inszeniert, doch danach schaltet Berg nur zurück, um später - nach einem kleinen Ausflug in die Welt von „C.S.I“ - im ausfüllenden Showdown dann richtig von der Leine zu gehen. Die Intensität der langen schusswechselfreudigen Hochfrequenz-Verfolgungshetzjagd kann durchaus in einem gewissen Zusammenhang mit Michael Manns genialem Shoot Out in Miami Vice genannt werden. Dabei macht Berg von der Gangart her alles richtig und folglich keine Gefangenen. In dieser Phase ist „Operation: Kingdom“ brutal, blutig und unnachgiebig. Auch die Amerikaner gehen bei ihrem Rachefeldzug auf der Suche nach der Terrorzelle über Leichen. Das inszeniert Berg unheimlich packend, mit hoher atmosphärischer Dichte. Er verwendet intensiv eine wacklige Handkamera, schnelle Schnitte und kreiert eine fiebrige Optik. Nahezu so, als ob Meister Mann persönlich die Fäden ziehen würde, selbst ein Hauch von mann’schem Blaustich ist hier und da zu erkennen.
An dieser Stelle wären wir bei einem handwerklich exzellent gemachten Film, der sich auf hohem Niveau die Mechanismen Hollywoods zu Nutze macht und ein Genre-Publikum zielsicher bedient. Die topbesetzte Schauspielerriege mit Stars wie Jamie Foxx (Collateral, Miami Vice, Ray), Jennifer Garner (Elektra, 30 über Nacht), Chris Cooper (American Beauty, Jarhead, Capote), Jason Bateman (Smokin´ Aces, Voll auf die Nüsse), Ashraf Barhom (Paradise Now, Die syrische Braut) und Jeremy Piven (Smokin´ Aces, Das Urteil) leistet dazu solide Arbeit.
Nachdem die Heuer des Unterhaltungsfilms eingefahren ist, kommt ein unerwarteter Tiefschlag aus der Hüfte. Regisseur Berg stößt den Bock in der Schlussszene mit einer grimmigen politischen Wucht um, dass manchem Zuschauer danach die Ohren klingeln werden. Hierbei ergibt sich ein kleines Problem: Subtilität ist etwas anderes. Berg stellt alles ad absurdum, was er zuvor inszeniert hat - auch die Sympathieträger, die die Betrachter durch den Film begleitet haben und nun nachträglich als Rädchen im System vorgeführt werden. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, inwieweit das Publikum dem Regisseur diese radikale Note, die nur aus einem einzigen Satz und einem einzigen Blick resultiert, abnehmen kann. Wer folgen kann, sieht einen erstklassigen, bleihaltigen Polit-Thriller mit einer etwas holprig vorgetragenen, aber im Kern intelligenten Aussage, die unbequem aber auf den Punkt treffend ist. Wer nicht auf den Zug aufspringen kann, seine Zweifel hat, ob das nun alles zusammenpasst oder einfach die Ohren auf Durchzug stellt, kann sich immerhin noch über einen gut gemachten Actionfilm freuen... es sei denn, er ist Amerikaner und stößt sich an der Botschaft so sehr, dass ihm diese den Filmgenuss im Nachhinein vermiest - wie ein Teil der amerikanischen Kritikerschaft, die diesen Tiefschlag nicht einstecken konnte, sondern lieber ein glattes Revenge-Movie gesehen hätte.
Auf der Negativseite findet sich wenig. Kleinere Mängel wie eine lediglich rudimentäre Charakterzeichnung und minimale Logiklöcher (das FBI würde sicherlich kein Spezialisten-Team nach Saudi-Arabien schicken, in dem kein einziger Arabisch spricht – aber das ist Teil der Storykonstruktion) fallen nicht entscheidend ins Gewicht, sorgen höchstens dafür, dass „Operation: Kingdom“ im Action-Thrillervergleich in diesem Jahr knapp hinter Blood Diamond und Das Bourne Ultimatum bleibt.
SPOILER zur Erklärung des Endes:
„We’ll kill all of them!“ Durch die überraschende Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Gleichsetzung von Amerikanern und fanatischen Islamisten setzt Berg mit einem Schlag die berechtigte Frage nach dem Auslöser für all diesen Hass und diese Gewalt und macht vor allem deutlich, dass die klassischen Rollen von Gut und Böse keineswegs so klar verteilt sind, wie es den Amerikanern in ihrem Selbstverständnis lieb ist. Ein Blick zurück zum Ursprung täte allen Parteien gut, um gemeinsame Lösungen für ein derzeit unlösbar erscheinendes weltumspannendes Problem der Systeme zu finden. Wenn beide Lager weiter stur in ihren Positionen von Gewalt und legitimierter Gegengewalt verharren, wird sich nichts ändern. Das prangert „Operation: Kingdom“ final an, ohne dabei Sympathien für Terroristen zu konstruieren.