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    Der Krieg des Charlie Wilson
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Krieg des Charlie Wilson
    Von Carsten Baumgardt

    Das Kinojahr 2007 hat unter anderem zwei grundlegende Erkenntnisse zu Tage gefördert: 1.) Mit politischem Kino kann Hollywood trotz zum Teil bester Kritiken nur verhältnismäßig wenig Zuschauer hinter dem Ofen hervorlocken. 2.) Das Publikum will mit vertrauten, trivialen Stoffen möglichst bombastisch unterhalten werden. Das lässt für die kommenden Jahre nichts Gutes befürchten. Der Sequel-, Threequel- und Franchisewahn der Major-Studios wird noch größere Auswüchse annehmen. Der einzige Weg, dem Besucher anspruchsvolles Polit-Kino schmackhaft zu machen, ist offenbar, den Film mit einem Superstar zu garnieren. Da selbst ein Tom Cruise dafür nicht mehr ausreicht (Von Löwen und Lämmern floppte schließlich), muss es schon das Kaliber eines Tom Hanks sein, um die Menschen - zumindest in den USA - einigermaßen zahlreich ins Kino zu holen. Mike Nichols‘ Polit-Satire-Drama „Der Krieg des Charlie Wilson“ ist Starkino wie es im Buche steht – trotz des Anspruchs. Und gerade weil die großen Namen famos aufspielen, ist der Sachbuchverfilmung auch die ein oder andere kleine Schwäche zu verzeihen.

    1980: Der Kongressabgeordnete Charlie Wilson (Tom Hanks) ist ein waschechter Lebemann. Seine Bürobesatzung besteht aus Playboy-tauglichen jungen Frauen, „Charlie‘s Angels“ genannt. In Las Vegas feiert er rauschende Partys mit Stripperinnen, Koks und allem, was dazu gehört. Dennoch ist Wilson sein politisches Wirken nicht völlig egal. Persönlich berührt von der schwierigen Situation afghanischer Flüchtlinge während des Krieges mit der übermächtigen Sowjetunion, nutzt Wilson die Gunst der Stunde. Der Texaner sitzt in einem Komitee, das zwischen der CIA und den Regierungsinstitutionen vermittelt und Einfluss ausübt. Dazu hat er die Hilfe einer Freundin in der Hinterhand. Joanne Herring (Julia Roberts) ist nicht nur überzeugte Kommunistenhasserin, sondern auch eine der reichsten Frauen des Landes und entsprechend einflussreich. Wilson arbeitet sich in die Materie ein und will die Afghanen unterstützen. Er steigert das Budget für geheime Aktionen von fünf Millionen Dollar nach und nach immer weiter an, bis die Mudschahedin gut ausgerüstet einen sowjetischen Hubschrauber nach dem anderen vom Himmel holen. Ermöglicht wird Wilsons Kreuzzug durch den mit allen Wassern gewaschenen FBI-Agenten Gust Avrakotos (Philip Seymour Hoffman), der die Fäden zieht…

    „Charlie Wilson‘s War: The Extraordinary Story Of The Largest Covert Operation In History“: Der Bestseller von George Crile III trägt auch gleich die Storyline von Mike Nichols’ Kinoverfilmung im Titel. Der Kongressabgeordnete Charles Nesbitt Wilson steigerte das Budget für Afghanistan in den Achtzigerjahren auf 500 Millionen Dollar, was in der größten geheimen CIA-Operation aller Zeiten mündete. Ein Stoff wie geschaffen für eine Verfilmung. Veteran Mike Nichols (Die Reifeprüfung, Hautnah, Mit aller Macht, Wer hat Angst vor Virginia Woolf?) begibt sich mit dem Ansatz eines Satire-Dramas in akute Glatteisgefahr, wie zuletzt Richard Shepard mit seinem ähnlich angelegten Hunting Party schmerzlich erfahren musste. Die Schwere eines Dramas und die Lockerheit einer Satire stehen sich für gewöhnlich im Weg. Dieses Problem umschifft Nichols mit einem geschickten Schachzug. Er setzt den Schwerpunkt seiner Inszenierung einfach unzweifelhaft auf die satirischen Elementen, so dass nie eine Komödie-oder-Drama-Rumraterei aufkommt.

    Egal, ob afghanische Flüchtlinge leiden oder später Sowjets unsanft vom Himmel geholt werden, der Ton verliert nie seine Ironie, was auch der Score deutlich vermittelt. Nichols und sein Drehbuchautor, Politspezialist Aaron Sorkin (Eine Frage der Ehre, Hallo, Mr. President, „The West Wing“), exerzieren an einem schillernden Fallbeispiel durch, zu was Politik fähig ist, wenn Mechanismen versagen, die großen Machthaber kein Interesse oder keinen Durchblick haben und Nischen geschickt ausgenutzt werden. Dazu fängt Stephen Goldblatts (Hautnah, Die Akte) Kamera die Szenerie hochglänzend und elegant ein. Die CGI-unterstützten Kampfszenen werden lediglich in Form von Collagen zur Illustration der Entscheidungen, die Wilson in Gang setzt, eingestreut. Der Witz des Films ist so gediegen wie seine Optik, der schenkelklopfende Brüller wäre auch fehl am Platz. Vielmehr baut Nichols darauf, dass sich der Zuschauer bei scharfen Dialogen amüsieren kann.

    Ironisch arbeitet er heraus, wie die Amerikaner ihren späteren Erzfeind, die Taliban, systematisch aufbauen – frei nach dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Das führt bis zu einer grotesken Szene, in der ein US-Politiker den afghanischen Freiheitskämpfern ein herzhaftes „Allah al-akbar “ entgegen schreit und die Mudschahedin Maschinengewehr-schwingend diesen Ruf erwidern. In diesem Stil funktioniert das Ganze.

    Doch das allein bringt „Der Krieg des Charlie Wilson“ noch nicht in den grünen, unterhaltenden Bereich. Was den Film wirklich antreibt, sind die hervorragenden Darstellerleistungen. Tom Hanks, seines Zeichens zweifacher Oscarpreisträger (für Forrest Gump und „Philadelphia“), gebührt ein Extralob. Nicht, weil er hier alles in Grund und Boden spielt, sondern weil er es tatsächlich schafft, von dem unglaublich talentierten Philip Seymour Hoffman (Oscar für Capote) nicht vollends an die Wand geklatscht zu werden. Hoffmans erster Filmauftritt, bei dem er sich in einen Konflikt mit seinem Vorgesetzten hineinsteigert, ist schlicht Weltklasse und allein das vielzitierte Eintrittsgeld Wert. Er spielt den Nebenpart bis an die Grenzen aus. Die Figur des superzynischen FBI-Veteranen erfüllt für den Film zudem auch noch eine eminent wichtige Funktion. Sie erdet den Hauptcharakter des naiven, aber doch irgendwie sympathischen Lebemann-Patrioten Charlie Wilson, der von seiner Wirkungsgewalt überrollt wird, und sorgt dafür, dass hier keine kitschige Heldenverehrung aufs Parkett gezaubert wird. Gegen Hoffmans Glanzleistung stellt Hanks die volle Wucht seiner Larger-Than-Life-Präsenz. Im Schatten der beiden verblasst selbst eine Julia Roberts (Hautnah, Pretty Woman), die in einer Nebenrolle lediglich als stattliches Beiwerk angesehen werden kann - wie auch Amy Adams (Junebug, Verwünscht) als Wilsons Assistentin.

    Dass „Der Krieg des Charlie Wilson“ trotz der angesprochenen Stärken nicht noch höher hinaus kommt, ist zum einen dem überschaubaren Tempo des Films zu verdanken, das die Aufmerksamkeit hier und da strapaziert. Dazu verhindert Nichols‘ federleichte Inszenierung eine schwere dramatische Tiefe, auf die er jedoch wie erwähnt bewusst konzeptionell verzichtet hat. Das führt zwar zu einem guten Unterhaltungsfilm, hat aber eben seinen Preis. Die Farce streift die Dimensionen der menschlichen Tragödie nur sehr am Rande und bringt diese nicht zum Tragen. Während Avrakotos‘ Motivation, die Strippen zu ziehen, sich sofort erschließt, wird im Film nicht wirklich deutlich, woher Wilson seinen Antrieb für ein so enormes Engagement hernimmt.

    Fazit: „Der Krieg des Charlie Wilson“ ist großspuriges, aber durchaus smartes Hollywood-Kino, das auch durch seinen Anachronismus gefällt. Denn so richtig in die Zeit passt der leicht altmodische Film nicht, aber das macht ihn sympathisch.

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