Clive Owen beschützt ein unschuldiges Kind – das kennt man doch irgendwo her. Richtig, erst letztes Jahr wurde Owen zum Retter eines Kindes und damit auch der aussterbenden Menschheit. Nach dem sozialkritischen und tiefsinnig auftretenden Children Of Men scheint „Shoot Em Up“ nun aber beinahe wie ein Befreiungsschlag. Regisseur und Autor Michael Davis liefert mit seinem sechsten nicht nur seinen bisher besten Film, sondern auch einen der Action-Kracher des Jahres ab, in dem sich Clive Owen mal so richtig austoben kann.
Mr. Hertz: “My god. Do we really suck or is this guy really that good?”
Einsam an einer Bushaltestelle sitzend und an einer Möhre nagend beobachtet Mr. Smith (Clive Owen), wie eine schwangere Frau (Ramona Pringle) von Killern gehetzt wird. Ohne lange zu zögern, mischt sich der grimmige Mann ein. Trotz seines beherzten Eingreifens kann er die Frau nicht retten – dafür aber das Baby, das während des bleihaltigen Feuergefechts auf die Welt kommt. Eigentlich ist Mr. Smith ja Einzelgänger, doch angesichts dieses unschuldigen Geschöpfs zeigt sich der weiche Kern hinter der harten, abweisenden Schale. Doch was nun? Überall schießwütige Gangster, deren Boss Hertz (Paul Giamatti) ein augenscheinlicher Fiesling ist, der ausschließlich den Tod des Neugeborenen im Auge zu haben scheint. Mr. Smith beschließt, zunächst einmal die Hure Donna (Monica Bellucci) um Rat zu fragen. Hatte die nicht auch noch etwas Milch übrig?
Schon der Auftakt ist furios und wird die Meisten in seinen Bann ziehen. Und auch was sich im Folgenden vor den Augen des Zuschauers abspielt, muss in Sachen Action keinen Vergleich fürchten. Die Produktionsnotizen berichten, dass Davis zur Idee für seinen Film durch eine Szene aus John Woos Hard Boiled inspiriert wurde. In dieser muss sich Chow Yun-Fat – ebenfalls mit Baby – durch eine Actionszene kämpfen. „Die Kombination eines hartgesottenen Typen mit der sprichwörtlichen Unschuld eines Babys schafft dramaturgische Spannung und ein unvergessliches Bild“, erläutert Regisseur und Autor Michael Davis die Motivation für seinen Film. Und wahrlich – der Kontrast zwischen Kind und Chaos ist ihm geglückt. Verglichen mit „Shoot Em Up“ erweist sich „Hard Boiled“ als eine harmlose Portion Babynahrung. Und schon die schmeckt ja nicht jedem!
Mr. Smith: “I'm a British nanny, and I'm dangerous.”
Um für sein Drehbuch einen Abnehmer zu finden, fertigte Davis für die elf Actionsequenzen des Films einen 15minütigen Animationsfilm an. In New Line Cinema fand Davis („Eins, zwei, Pie - Wer die Wahl hat, hat die Qual“, „100 Women“), der bisher eher unspektakulär im Teeny- und Liebesfilm-Metier gefischt hatte, den richtigen Partner. Schon in diesem Stadium des Entstehungsprozessen muss deutlich geworden sein, dass Davis da nicht das Drehbuch für irgendeine Action-Eintagsfliege in der Hand hält, sondern für etwas ganz Besonders. Anders ist es der superbe Cast um Clive Owen, Paul Giamatti und Monica Bellucci kaum zu erklären. Die drei hatten sichtlich Spaß und lassen sich bei der Ausgestaltung ihrer Rollen mal so richtig gehen. Owen (Hautnah, Sin City) spielt brummig wie eh und je, verleiht der Darstellung seiner Einzelgängerfigur aber gleichzeitig herrlich selbst- und genreironische Züge. Bellucci (Matrix Reloaded, Brothers Grimm) – nicht ganz so stark, aber immer noch wunderbar – spielt die Hure Donna souverän und ist toll anzusehen. Das Highlight des Trios ist aber sicherlich Giamatti (Sideways, Das Mädchen aus dem Wasser), der den ekligen Fiesling mit einer solchen Inbrunst spielt, dass es ein Fest ist. Zum Gelingen des Films sind die drei und ihre vereinnahmende Spielfreude schon die halbe Miete.
Die andere Hälfte kommt spielend zusammen durch die zahlreichen, oft großartigen Action-Sequenzen, die mit allerlei genialen Regieeinfällen gespickt sind. Ölfilm-Slide, Autotür-Move oder Fallschirmjagd, um nur ein paar Stichworte für Szenen zu nennen, die haften bleiben. Dabei ist es nicht so, dass „Shoot Em Up“ immer originell wäre. Davis bedient sich hemmungslos aus dem Pool der Genre-Motive. Ähnlichkeiten zu Robert Rodriguez’ „Desperado“ sind genauso vorhanden wie kleinen Anleihen bei The Punisher oder dem letztjährigen Publikumsliebling Crank und vielen anderen. Doch gerade im Vergleich zu letzterem, der ja schon als recht flott und einfallsreich galt, setzt „Shoot Em Up“ in Sachen Non-Stop-Action, herrlich übertriebene Einfälle und schwarzem Humor noch einmal einen drauf. Um es auf eine Formel zu bringen: („Crank“ + „Desperado“) ² – Story + Splattereinlagen = „Shoot Em Up“. Der Film trifft zwar nicht immer den richtigen Ton und wirkt an einigen Stellen doch zu bemüht, aber bei der Dichte der Einfälle fallen etwaige Fehlgriffe kaum negativ auf.
Mr. Hertz: “Guns don't kill people! But they sure help.”
Fazit: „Shoot Em Up“ ist sicher nicht für jeden uneingeschränkt empfehlenswert. Wenn der Film seinen Rhythmus findet, ist „Shoot Em Up“ zwar brillant, doch wem Action – sei sie stellenweise auch noch so liebevoll in Szene gesetzt – als Selbstzweck nicht ausreicht, ist vermutlich im falschen Film.