Tom Hulce als Mozart in Amadeus, Woody Harrelson als Erotikmogul in „Larry Flint – Die nackte Wahrheit“ und zuletzt Jim Carrey als Komikerlegende Andy Kaufman in „Der Mondmann“ – der zweifache Oscarpreisträger Milos Forman (Einer flog über´s Kuckucksnest) hat anscheinend ein Faible dafür, bedeutende Figuren der Geschichte in Szene zu setzen. Mit dem spanischen Maler Francisco de Goya spielt nun auch in „Goyas Geister“ einmal mehr eine historische Persönlichkeit eine tragende Rolle – wobei allerdings seine Eigenschaft als Künstler kaum Bedeutung erlangt. Vielmehr versucht sich das Historiendrama an einer kritischen Anklage der Machthaber sowohl der spanischen Inquisition als auch der Französischen Revolution. Während in der ersten Hälfte noch durchaus interessante Ansätze dabei herausspringen, verkommt die zweite zu nicht mehr als melodramatischem, viel zu sprunghaft erzähltem Kostümkitsch.
Spanien, 1792. Durch Kupferstichkarikaturen des Malers Francisco de Goya (Stellan Skarsgard) provoziert, beschließt die spanische Kirche auf Anraten des finsteren Mönchs Lorenzo (Javier Bardem), die alten Foltermethoden der Inquisition wieder einzuführen. Eines der ersten Opfer ist Goyas junge Muse Ines (Natalie Portman), die zu Unrecht wegen Ketzerei vor das Tribunal gezerrt wird. Zwar kann Lorenzo – durch die eindrucksvolle „Überzeugungskraft“ von Ines´ Vater (José Luis Gómes) angespornt - die Todesstrafe gerade noch abwenden, fällt dadurch jedoch selbst bei der Kirche in Ungnade und muss fliehen. Erst 16 Jahre später, als Napoléons Streitkräfte Spanien erobern, kommt Ines wieder aus dem Kerker frei, Hilfe suchend wendet sie sich an ihren ehemaligen Fürsprecher Goya. Auch Lorenzo, mittlerweile zu einem der Anführer der Französischen Revolution konvertiert, kehrt zurück – es kommt zu einem folgenschweren Wiedersehen, bei dem auch noch eine ungeklärte Vaterschaft im Raume steht…
„The Question“ – eine Foltermethode der spanischen Inquisition, bei der der Befragte an den auf dem Rücken zusammengebundenen Händen hochgezogen wird. Mit der Begründung, Gott würde die wahrhaft Gläubigen diese Qualen schon irgendwie überstehen lassen, galten die so gemachten Aussagen als gesicherte Wahrheit. Die Art und Weise, wie Forman die erste Hälfte seines eigentlich klar auf Unterhaltung abzielenden Films rund um das unangenehme Thema Folter kreisen lässt, ist schon ausgesprochen mutig. Vor allem, weil sich die Kritik nicht einseitig gegen die historischen Gegebenheiten richtet, sondern sich im Gegenteil sogar etliche Parallelen zur heutigen politischen Situation ziehen lassen – in erster Linie natürlich zu Bushs Lieblingsspielplatz Guantanamo. Umso unverständlicher ist es aber, welche Richtung „Goyas Geister“ einschlägt, sobald die französischen Truppen in Spanien einfallen. Bis auf eine einzige Szene verkommt die Kleruskritik zu einer billigen Rachefarce. Und eigentlich spielen sowieso nur noch die persönlichen Probleme eine Rolle, wobei der Zuschauer Dank der hektischen Handlungssprünge aber nicht einmal die Chance bekommt, auf diese emotional einzusteigen. Auch wenn er weiterhin schön anzusehen bleibt, dümpelt der Film storytechnisch ab hier nur noch auf melodramatischem „GZSZ“-Niveau herum.
Es wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben, warum Goya in dieser Geschichte überhaupt vorkommt – wahrscheinlich liegt es wirklich nur daran, dass er zufällig zu Zeiten der Inquisition gelebt hat und man mit seinem Namen den Film besser vermarkten kann. Weder kommt Goya dem Künstler eine besondere Rolle zu, noch spielt Forman, was die visuelle Umsetzung seines Films angeht, in irgendeiner Weise auf den Stil des Malers an. Da passt es eigentlich schon wieder recht gut, dass Stellan Skarsgard (Ronin, Pirates Of The Caribbean: Fluch der Karibik 2) überraschend blass bleibt – von dem Querdenker und Rebellen Goya findet sich in seinem Spiel nicht die geringste Spur. Natalie Portman (Hautnah, Garden State, V wie Vendetta), die das naive Mädchen Ines in der ersten Hälfte mit einer unglaublich charmanten Unschuld verkörpert, stellt sich da schon ein Stück geschickter an. Allerdings kann auch sie dieses Niveau nicht halten, da sie im zweiten Teil, in dem sie sogar in einer Doppelrolle als Mutter und Tochter zu sehen ist, einfach nicht gegen ihre lächerlichen Zahnprothesen ankommt.
So bleibt der undurchsichtige Mönch Lorenzo die einzig durchgängig überzeugende Figur. Zwar wirkt das angestrengt-kontrollierte Spiel von Javier Bardem (Der Obrist und die Tänzerin, Das Meer in mir) zunächst wie eine einfache Karikatur, aber sobald der Zuschauer durchschauen kann, was Forman mit seinem Charakter alles anzustellen vorhat, wird dieses rückwirkend wieder aufgewertet: Aus einem machtbesessenen Fundamentalist wir nach der Übernahme der Ideale der Französischen Revolution ein moralloser Opportunist, bevor Lorenzo kurz vor Schluss noch mit einem weiteren Wandel überrascht – und überzeugt. Kostüme, Ausstattung und Kulissen sind makellos, die an Originalschauplätzen entstanden Bilder in ihren besten Momenten sogar beeindrucken. Dennoch reicht eine einzige interessante Figur noch lange nicht aus, um ein solch opulentes Historiendrama alleine stemmen zu können.