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    Hwal - Der Bogen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Hwal - Der Bogen
    Von Christoph Petersen

    In den vergangenen zehn Jahren hat Regisseur Kim Ki-Duk ganze 13 Filme abgedreht, die sich bei näherer Betrachtung kaum voneinander unterscheiden. Egal, ob Sex, Gewalt oder Politik, immer wieder bricht er mit seinen Filmen Tabus, was ihm aber kaum einer übel nimmt, weil er es auf poetische Weise tut – mit dieser Masche hatte er zumindest das europäische Festivalpublikum, das ihm in Venedig und Cannes immer brav applaudierte, sicher hinter sich. Dabei hatte er aber am Anfang seiner Karriere durchaus noch mehr zu bieten als ein einfaches, sich immer wiederholendes Erfolgskonzept. So war zum Beispiel „Address Unknown“, in dem die amerikanische Besatzung angeprangert wird, so unglaublich wütend, dass man ihn als Zuschauer zwar nur schwer ertragen konnte, ihm aber zumindest eine persönliche Note nicht abzusprechen war. Und in seinem wohl bekanntesten Film „Seom – Die Insel“ hat es Kim Ki-Duk sogar geschafft, eine ganz eigene, gekonnt ungemütliche Atmosphäre zu erzeugen. Spätestens mit seinem spirituellem Liebesdrama „Hwal – Der Bogen“ ist Kim aber nun endgültig an einem Punkt angekommen, an dem man seinen Film nur noch als einfallslose Karikatur seiner früheren Werke bezeichnen kann.

    Seit nahezu zehn Jahren hat das junge Mädchen (Yeo-reum Han) das Boot des alten Mannes (Seong-hwang Jeon), der sie einst bei sich aufgenommen hat, nicht mehr verlassen. Schon lange plant der Mann, das Mädchen an ihrem 16. Geburtstag zu heiraten. Um Geld zu verdienen, wird das Boot an Angler vermietet, die vom Festland herüberholt werden. Viele von ihnen machen sich an das junge Mädchen heran, werden dann aber vom gekonnten Umgang des alten Mannes mit seinem Bogen schnell wieder zur Vernunft gebracht. Als sich das Mädchen jedoch in einen Studenten (Si-jeok Seo) verliebt, der sie dazu auch noch von dem Boot wegholen will, schwindet ihre Hörigkeit und sie setzt sich gegen ihren Ziehvater immer stärker zur Wehr. Der will sich seine große Liebe aber auf keinen Fall nehmen lassen und versucht den Fortgang des Mädchens mit allen Mitteln zu verhindern…

    Weil Kim Ki-Duk ("Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling") anscheinend nur noch das macht, was seine Fan-Base von ihm erwartet, ist „Hwal – Der Bogen“ zu billigem, unpersönlichem Kunstgewerbe verkommen – als ob jemand auf dem städtischen Wochenmarkt bunt angemalte Wundersteine verscherbelt. Ein paar hübsch leuchtende Schleifchen an Schiffsmasten und Handgelenke gebunden, ein religiöses Gemälde an die Bordwand geklatscht und auf einem selbst gebastelten Bogen wird allabendlich bedeutungsschwangere, national angehauchte Geigenmusik gedudelt – fertig ist Kims Kultur-Fast-Food. Die Brocken südkoreanischer Geschichte, die dem Zuschauer hier zum Fraß vorgeworfen werden, haben dabei in etwa soviel mir dem ernsthaften Umgang mit der eigenen Kultur zu tun, wie eine McDonalds-Bulette mit einem argentinischen Rumpsteak.

    Der kalkulierte Tabubruch von „Hwal – Der Bogen“ besteht darin, dass Kim die eigentlich nicht zu akzeptierende Beziehung zwischen dem Mädchen und ihrem Peiniger als märchenhafte, folkloristische Liebesgeschichte in Szene setzt. Das führt im Zuschauer selbst zu gewissen Verwicklungen, werden ihm doch durch Kims inszenatorische Taschenspielertricks Gefühle eingepflanzt, die jeder Mensch, der mit Abstand über diese Liebe nachdenkt, natürlich strikt ablehnen müsste. Einzig das Ziel will einem nicht so recht klar werden. Sollte es bei Tabubrüchen oder politischer Inkorrektheit doch eigentlich darum gehen, dass der Kinobesucher im Anschluss an den Film über das Thema – oder noch besser: seine eigene Reaktion darauf – nachdenkt, ist der Tabubruch bei Kim ein reiner Selbstzweck, um seine Stellung als „andersartiger“ Arthouse-Regisseur zu sichern.

    Kim war schon immer für seinen äußerst metaphorischen Erzählstil berüchtigt, mit dem er zuweilen auch gehörig über das Ziel hinausschoss. Aber in „Hwal – Der Bogen“ treibt er es damit sogar soweit, dass es meist nur noch unfreiwillig komisch ist. Mag man ihm seine archetypische Zeichnung der Angler, die allesamt für die rücksichtlose, übersexualisierte moderne Gesellschaft stehen, gerade noch verzeihen, ist spätestens dann Schluss mit lustig, wenn das junge Mädchen stellvertretend für den alten Mann durch einen Pfeil entjungfert wird – das ist dann nämlich nicht mehr poetisch, sondern peinlich-naiv.

    Inszenatorisch ist „Hwal – Der Bogen“ typisch Kim Ki-Duk: Poesieertränkte Bilder soweit das Auge reicht, wobei es diesmal aber etwas farbiger als sonst zur Sache geht. Dabei sind Einstellungen und Kamerafahrten ebenso reduziert wie das Spiel der nahezu stummen Darsteller – nach Bin-Jip ist dies der zweite Film von Kim Ki-Duk in Folge, indem der Held nicht spricht. So bedient sich Kim auch einiger Stummfilm-Techniken, was aber wie so vieles an „Hwal – Der Bogen“ auch wieder reiner Selbstzweck ist und nicht der Geschichte, sondern nur dem oberflächlichen Look dient. Im Endeffekt muss man für das bisschen Eye-Candy, das „Hwal – Der Bogen“ zu bieten hat, einfach zuviel harten Tobak und lächerliches Kunsthandwerk durchleiden, als das es sich für den Zuschauer auch nur ansatzweise lohnen könnte.

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