Mit ''Als das Meer verschwand'' ist Brad McGann ein großartiger Film gelungen. Er erzählt von dem ''Vermächtnis'' des Vaters, der anscheinend tiefe Wunden in der Vergangenheit hinterlassen hat, die nun durch dessen Tod neu aufgerissen werden. Oder besser gesagt, durch die Ankunft unseres Kriegsreporters und seine Bekanntschaft mit einem jungen Mädchen, das seine Tochter zu sein scheint. Die aufkeimende Freundschaft zwischen beiden wird bald von allen Einwohnern des neuseeländischen Kaffs argwöhnisch beobachtet. Derweil ruhen hinter der Fassade tiefe Geheimnisse...
Der Film beginnt als Drama, dessen Augenmerk auf der kalten Atmophäre und den verschobenen Lebenswerten der Figuren liegt. Der Kriegsreporter kehrt heim. Man vermutet hinter der subtilen Darstellung der kühlen und misstrauischen Verhältnisse zwischen den Figuren nichts weiter. SPOILER Doch mit dem Verschwinden des jungen Mädchens und den damit verbundenen Nachforschungen treten immer mehr Zerwürfnisse an den Tag SPOILER ENDE.
Mit diesem Umschwung zum Thriller gewinnt der Film deutlich an Fahrt. Die letzten 20 Minuten sind in der Tat sehr spannend, nicht nur wegen der jeweiligen Situationen zwischen den Figuren, sondern auch wegen des Geheimnisses, das da irgendwo in der Vergangenheit noch gewesen sein muss...
Der Film spielt gekonnt mit Drama und Thriller und kombiniert dabei die verschiedensten Elemente und Motive zu einem ganzen. Die Flucht des Kriegsreporters von zu Hause, seine Erinnerungen an diese Zeit, seine Verrohung; das Fernweh des Mädchens, ihr Verhältnis zu ihrem jetzigen Leben im Dorf, ihre Zukunftsplanung; das Geheimnis des ''Verstecks des Vaters'' (immerhin der Originaltitel), das Verhältnis zu seinem Bruder. Und dann gelingt es dem Film auch noch, als dies in einen unaufdringlichen poetischen Rahmen zu packen, der dem ganzen die nötige Würze verleiht.
Was den Film gut macht, ist aber nicht nur die tolle Geschichte, sondern auch die hervorragend agierenden Darsteller. Matthew MacFayden spielt seine Rolle brillant, engagiert und gleichzeitig subtil. Obwohl man ihn nie im Krieg zu sehen bekommt, nimmt man ihm seine Rolle vollkommen ab und spürt in seiner Figur jederzeit die Lügen der Vergangenheit in der Familie. Seine Mimik zeigt etwas rohes, archaisches, was sich sehr gut in seine verkörperte Figur und den Ton des Films einfügt. Er wirkt intelligent und dennoch emotional heruntergekommen. Eine starke Gegenspielerin erhält er mit Emily Barclay, zwischen welchen eine besondere Art der Vater-Tochter-Verbindung entsteht. Das auf den ersten Blick einfach gestrickte Mädchen findet es schön, auch über ihren Horizont hinausblicken zu können, und schreibt sogar Gedichte und Geschichten, worauf letztlich auch (grob genommen) der deutsche Titel zurückzuführen ist. Der Rest des Casts bekommt weit weniger Spielzeit, doch auch die anderen sind glaubwürdig in ihren Rollen... Das einzige Problem von Brad McGanns Meisterwerk ist die Dramaturgie in der ersten Hälfte. Während am Ende nicht nur Handlung, sondern auch Actionelemente hinzukommen, ist zu Beginn beinahe Stillstand. Das mag beabsichtigt sein oder nicht. In beiden Fällen ist das der Dramaturgie jedoch nicht sonderlich zutätlich. Jedenfalls stimmt am Ende das Gefühl für das Erzählen. Denn dann (im letzten Drittel) zeigt der Regisseur mit seiner nicht chronologischen, aber dennoch irgendwie stringenten Erzählweise, was er drauf hat und führt den Film zu einem grandiosen Ende.
FAZIT: ''Als das Meer verschwand'' ist ein starker Mix aus Familiendrama und Thriller, der über Flucht, Lüge, Hoffnung, Misstrauen und Zukunft reflektiert. Der Film schwächelt zwar ein wenig im ersten Drittel. Aber mit der Zeit kommt er in Fahrt. Wenn man etwas durchhält, wird man mit einem der besten Streifen des Jahres entlohnt. Ich jedenfalls, der sich solche ''Reise in die düstere Vergangenheit''-Geschichten unglaublich spannend finde, war am Ende begeistert.